Wenn Ehegatten ihren Nachlass regeln, nutzen sie gerne das so genannte Berliner Testament, da es einfach zu erstellen ist, den letzten Willen klar regelt und damit auch leicht zu verstehen ist. Beim Berliner Testament setzen sich die Ehepartner gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen, dass mit dem Tod des zuletzt Verstorbenen der Nachlass an einen Dritten, zumeist die Kinder, fallen soll. Was rein erbrechtlich sinnvoll ist, kann erbschaftsteuerlich aber nachteilig sein - so auch das Berliner Testament mitsamt Jastrowscher Klausel.

Kurz zum Hintergrund: Da das Pflichtteilsrecht der Kinder mit dem Berliner Testament nicht ausgeschlossen werden kann, hat sich seit vielen Jahren die "Jastrowsche Klausel" als Ergänzung etabliert. Danach erhalten diejenigen Abkömmlinge, die nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils keinen Pflichtteil geltend machen, nach dem Tod des länger lebenden Elternteils ein Vermächtnis, beispielsweise in Höhe ihrer gesetzlichen Erbteile - und nicht nur in Höhe ihrer Pflichtteile. Zuweilen wird weiter vereinbart, dass Kinder, die auf den Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen, auch vom Nachlass des überlebenden Ehegatten nur den Pflichtteil erhalten sollen. Man kann es vereinfacht wie folgt ausdrücken: Wer den Pflichtteil nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils nicht geltend macht, wird dafür später, das heißt nach dem Tod des anderen Elternteils, belohnt. Wer ihn geltend macht, wird bestraft. Der Anreiz, den Pflichtteil geltend zu machen, wird dadurch deutlich geschmälert. 

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof wie folgt entschieden: Setzen Ehegatten in einem Berliner Testament ein erst später fälliges Vermächtnis für die Kinder aus, die beim Tod des Erstverstorbenen ihren Pflichtteil nicht fordern (Jastrowsche Klausel), kann der überlebende Ehegatte als Erbe des erstversterbenden Ehegatten die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist. Das berechtigte Kind hat den Erwerb des betagten Vermächtnisses bei dem Tod des länger lebenden Ehegatten zu versteuern. Ist das Kind aufgrund der Anordnung des Berliner Testaments auch Schlusserbe nach dem länger lebenden Ehegatten geworden, kann es bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs von dem überlebenden Ehegatten die dann fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen (BFH-Urteil vom 11.10.2023,
II R 34/20).

  • Der Fall: Die Klägerin hatte fünf Geschwister. Die Eltern der Klägerin hatten ein Berliner Testament verfasst. Sie setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein, wobei der überlebende Ehegatte über den Nachlass und sein eigenes Vermögen frei verfügen konnte. Als Erben des Überlebenden (Schlusserben) setzten die Eheleute die Klägerin und drei ihrer Schwestern ein. Der Bruder und eine weitere Schwester wurden enterbt. Weiter enthielt das Testament eine Jastrowsche Klausel. Diese regelte für den Fall, dass eines der Kinder auf den Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen sollte, dieses Kind auch vom Nachlass des überlebenden Ehegatten nur den Pflichtteil erhalten sollte. Die zu Erben des Überlebenden berufenen Geschwister, die den Pflichtteil bei Tod des Erstversterbenden nicht verlangten, sollten in diesem Fall aus dem Nachlass des Erstversterbenden ein Vermächtnis erhalten, das so hoch sein sollte, wie ihr Erbanteil bei gesetzlicher Erbfolge auf Ableben des Erstversterbenden und Übernahme der Pflichtteilslast für die den Pflichtteil fordernden Geschwister. Die Vermächtnisse sollten beim Tod des Erstversterbenden anfallen, aber erst beim Tod des Letztversterbenden ausgezahlt werden. Die enterbten Geschwister der Klägerin machten nach dem Tod des erstverstorbenen Vaters ihren Pflichtteil geltend. Die Klägerin erwarb hingegen beim Tod des Vaters ein entsprechendes Vermächtnis, das jedoch erst mit dem Tod der Mutter fällig wurde.
  • Nachdem auch die Mutter verstorben war, setzte das Finanzamt gegenüber der Klägerin Erbschaftsteuer für den Erwerb nach der Mutter fest. Das Vermächtnis rechnete es weder dem Erwerb hinzu noch wurde es als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht. Die Klägerin war hingegen der Auffassung, das Vermächtnis sei bei ihr doppelt hinzugerechnet worden und deshalb als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Das Finanzgericht wies die Klage im Ergebnis als unbegründet zurück. Der BFH schloss sich dieser Auffassung an.
  • Der Wert des Vermächtnisses wurde zunächst einmal besteuert, nämlich nach dem Tod des Vaters bei der Mutter als dessen Alleinerbin. Da das Vermächtnis zwar damals bereits entstanden war, aber erst bei dem Tod der Mutter fällig wurde, ging der Nachlass des Vaters ungeschmälert, das heißt einschließlich des Vermögens, aus dem das Vermächtnis zu erfüllen war, auf die Mutter über. Die Mutter konnte die Vermächtnisverbindlichkeit bei ihrem Erbe nicht in Abzug bringen, weil sie mangels Fälligkeit diese Schuld nicht zu begleichen hatte. Nach dem Tod der Mutter hatte die Klägerin das jetzt fällig gewordene Vermächtnis zu versteuern. Als Schlusserbin unterlag bei ihr außerdem der Nachlass nach der Mutter der Erbschaftsteuer. Dort konnte sie die dann fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen.
  • Dass bezüglich des betagten Vermächtnisses im Ergebnis zweimal Erbschaftsteuer entsteht - einmal (ohne Abzugsmöglichkeit als Nachlassverbindlichkeit) bei der Mutter nach dem Tod des Vaters und ein weiteres Mal bei der Klägerin nach dem Tod der Mutter - ist für die Steuerpflichtigen zwar ungünstig, aus rechtlicher Sicht aber nicht zu beanstanden. Es liegt an der Verwendung der Jastrowschen Klausel, die - um den überlebenden Ehegatten mit ausreichend Liquidität auszustatten - das Vermächtnis zwar bei Tod des Erstverstorbenen anfallen, aber erst bei Tod des länger lebenden Ehegatten fällig werden lässt (Quelle; BFH, Mitteilung vom 27.2.2024).

STEUERRAT: Der Wert des Vermächtnisses, letztlich also das Erbe, wird im Ergebnis zweimal der Erbschaftsteuer unterworfen, nämlich zunächst bei dem länger lebenden Ehegatten und später erneut bei dem Kind als Vermächtnisnehmer bei Fälligkeit des Vermächtnisses, also beim Tod des zweiten Elternteils. Sofern sich die Erbschaft im Rahmen der Freibeträge bewegt, kann das Ergebnis hingenommen werden. Sollten die erbschaftsteuerlichen Freibeträge aber deutlich überschritten werden, wäre zu überlegen, ob es nicht besser ist, ein Kind von vornherein zu bedenken und nicht erst beim Tod des zunächst überlebenden Ehegatten.

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