AKTUELL gibt es dazu einen gleichlautenden Erlass der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 23.10.2023 (S 3806, BStBl 2023 I S. 1870), der wiederum auf eine Verwaltungsvorschrift zum Schenkung- und Erbschaftsteuergesetzes Bezug nimmt (H E 7.4 Abs. 1 ErbStH). Danach gilt unter anderem:
- Die Anerkennung der Pflegebedürftigkeit erfordert, dass der Erwerber schlüssig darlegt und glaubhaft macht, dass er Pflegeleistungen je nach der Hilfsbedürftigkeit des Schenkers nach Art, Dauer, Umfang und Wert zu erbringen hat. Er trägt insoweit die Feststellungslast. Im Hinblick auf die damit verbundenen Nachweisschwierigkeiten sind jedoch keine übersteigerten Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung zu stellen. Der Nachweis kann in Form eines ärztlichen Attests oder vergleichbarer Bescheinigungen oder in anderer geeigneter Weise geführt werden. Insbesondere kann regelmäßig angenommen werden, dass mit zunehmendem Alter eines Menschen auch dessen Hilfsbedürftigkeit zunimmt. So kann, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, schon bei einem über 80 Jahre alten Menschen von einer Hilfsbedürftigkeit auszugehen sein, ohne dass es hierzu eines Nachweises in Form eines ärztlichen Attests oder vergleichbarer Bescheinigungen bedarf.
- Allein die Unterbringung und Versorgung eines Pflegeempfängers in einem Pflegeheim schließen eine Berücksichtigung von Pflegeleistungen nicht aus. Denn diese können auch gegenüber einer Person erbracht werden, die in einem Pflegeheim lebt.
- Pflegeleistungen werden dann berücksichtigt, wenn der Pflegefall tatsächlich eingetreten ist und der Erwerber die Leistungen erbringt. Bei der Schenkungsteuer liegt ab diesem Zeitpunkt eine gemischte Schenkung vor. Die Pflegeverpflichtung wird hierbei mit ihrem Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer für die Zuwendung (§ 11 ErbStG) angesetzt. Das heißt: Die Pflegeleistungen sind mit ihrem Kapitalwert im Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalles zu bewerten.
- Pflegeleistungen liegen vor, wenn sie regelmäßig und über eine längere Dauer zu erbringen sind, über ein übliches Maß der zwischenmenschlichen Hilfe hinausgehen und im allgemeinen Verkehr einen Geldwert haben. Zu den Pflegeleistungen zählen die Unterstützung und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (z.B. Waschen, Duschen, Kämmen), der Ernährung (z.B. Zubereiten und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (z.B. selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (z.B. Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung). Dazu gehören aber auch weitere Hilfeleistungen, wie die Erledigung von Botengängen und schriftlichen Angelegenheiten, Besprechungen mit Ärzten, Vorsprachen bei Behörden sowie die seelische Betreuung des Schenkers.
- Der Wert der vom Erwerber zu erbringenden Pflegeleistungen bestimmt sich nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls, insbesondere den vertraglich vereinbarten Leistungen. Es bestehen keine Bedenken, wenn für erbrachte Leistungen ein pauschaler Satz von 11 EUR je Stunde angesetzt wird. ABER: Da das Mindestentgelt für Pflegehilfskräfte erhöht worden ist, gilt in allen noch offenen Fällen, dass statt des Satzes von 11 EUR je Stunde das Mindestentgelt für Pflegehilfskräfte nach der jeweils gültigen Fassung der Pflegearbeitsbedingungenverordnung pauschal angesetzt werden kann. Nach § 2 der Fünften Pflegearbeitsbedingungenverordnung ist das Mindestentgelt für Pflegehilfskräfte ab dem 1.12.2023 auf 14,15 EUR brutto je Stunde erhöht worden. Vom 1.5.2023 bis zum 30.11 2023 betrug es 13,90 EUR brutto je Stunde, vom 1.9.2022 bis zum 30.4.2023 waren es 13,70 EUR brutto je Stunde.
- Einen Wermutstropfen gibt es aber noch: Die oben genannten Beträge sind zu kürzen, soweit die pflegebedürftige Person Pflegegeld aus der Pflegeversicherung oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften erhält und diese zu Lebzeiten an die verpflichtete Pflegeperson weitergibt.
STEUERRAT: Aus Vereinfachungsgründen ist der am Tag der Steuerentstehung maßgebende Stundensatz für den gesamten Zeitraum der erbrachten Pflegeleistungen zugrunde zu legen. Dem Erwerber steht es im Übrigen frei, einen höheren Wert seiner Leistungen nachzuweisen. Dies kann unseres Erachtens etwa geschehen, indem Angebote von Pflegediensten aus der näheren Umgebung eingeholt werden.
In steuerlicher Hinsicht ist der oben genannte Fall der Pflege aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung zu unterscheiden von der Pflege aufgrund einer gesetzlichen oder moralischen Verpflichtung, etwa gegenüber den Eltern oder dem Ehegatten. Auch für diesen Fall gibt es eine - wenn auch eine viel zu geringe - Steuerbegünstigung:
- Steuerfrei bleibt ein Erwerb bis zu 20.000 EUR, der Personen anfällt, die den Erblasser oder Schenker unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben. Geregelt ist dies in § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG.
- Wichtig: Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist. Andererseits - und das mag paradox klingen - muss die Pflege ohne marktgerechte Vergütung erfolgt sein. Letztlich bedeutet es, dass die Pflegeleistungen einerseits nicht gewerblich bzw. beruflich erbracht worden sind, andererseits die Erbschaft oder Schenkung aber so hoch ist, dass sie den Pflegeaufwand angemessen würdigt. Oder anders ausgedrückt: Ein angemessenes Entgelt ist die Zuwendung nur, soweit sie dem Betrag entspricht, den der Erblasser oder Schenker durch die Inanspruchnahme der Pflegeleistungen erspart hat.
Bei dem Betrag von 20.000 EUR handelt es sich um einen Frei- und nicht um einen Pauschbetrag. Die Pflegeleistungen sind demnach wie in den Fällen der gemischten Schenkung nachzuweisen bzw. aufzulisten und "in Geld umzurechnen. Das heißt: Der Erwerber muss Art, Dauer, Umfang und Wert der tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen darlegen. Dabei können auch die oben genannten Stundensätze berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Nachweisschwierigkeiten sind jedoch keine übersteigerten Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung zu stellen.
Der Nachweis der Hilfsbedürftigkeit kann auch hier in Form eines ärztlichen Attests oder vergleichbarer Bescheinigungen geführt werden. Insbesondere kann regelmäßig angenommen werden, dass mit zunehmendem Alter eines Menschen auch dessen Hilfsbedürftigkeit zunimmt. So kann, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, schon bei einem über 80 Jahre alten Menschen von einer Hilfsbedürftigkeit auszugehen sein, ohne dass es hierzu eines Nachweises in Form eines ärztlichen Attests oder vergleichbarer Bescheinigungen bedarf (Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass vom 4.6.2014, BStBl 2014 I S. 891).
STEUERRAT: Wer einen Angehörigen längere Zeit unentgeltlich pflegt, sollte die aufgewendeten Stunden notieren, gegebenenfalls in einer Art "Pflegetagebuch." Es gelten auch Einkaufsfahrten, Bankgeschäfte sowie die übliche Hilfe im Haushalt als Pflegeleistungen. Pro aufgewendete Stunde können Sie aktuell 14,15 EUR bei der Erbschaftsteuer geltend machen. Rechnen Sie auch Fahrtkosten für Einkaufsfahrten, Fahrten zum Arzt etc. zusammen. Hier werden üblicherweise 30 Cent pro gefahrenem Km von den Finanzämtern akzeptiert. Maximal dürfen Sie so 20.000 EUR abziehen, das heißt die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer mindert sich insoweit. Der Freibetrag mindert sich, wenn die 20.000 EUR nicht erreicht werden. Und noch ein Hinweis: Achten Sie in der Erbschaftsteuererklärung darauf, dass der Freibetrag auch tatsächlich demjenigen gewährt wird, der die Pflege erbracht hat, damit nicht die Miterben unberechtigt von der Steuerminderung profitieren.
STEUERRAT: Der Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG gilt sowohl für Erwerbe von Todes wegen als auch für Erwerbe unter Lebenden (R E 13.5 ErbStR). Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit missverständlich, weil er nur vom "Erblasser" spricht. Der Freibetrag kommt im Übrigen auch bei Erwerbern in Betracht, die gesetzlich zur Pflege (z.B. Ehegatten, Lebenspartner) oder zum Unterhalt (z.B. Ehegatten, Verwandte in gerader Linie) verpflichtet sind (BFH-Urteil vom 10.5.2017, II R 37/15 BStBl 2017 II S. 1069).