Ein Studium an der Fernuniversität Hagen kann in Form eines Vollzeitstudiums (zeitlicher Umfang von etwa 40 Stunden wöchentlich) oder eines Teilzeitstudiums (überwiegend berufsbegleitend mit etwa 20 Stunden wöchentlich) absolviert werden. Im Rahmen des Fernstudiums sind gelegentliche Fahrten zur Uni erforderlich. Die Frage ist, ob solche Fahrten mit der Dienstreisepauschale bzw. mit den tatsächlichen Kosten oder mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten absetzbar sind.
  • Seit 2014 ist systemfremd im Gesetz festgeschrieben: Wenn außerhalb eines Arbeitsverhältnisses eine Bildungseinrichtung im Rahmen eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird, stellt diese Einrichtung eine "erste Tätigkeitsstätte" dar (§ 9 Abs. 4 Satz 8 EStG). In diesem Fall können die Fahrten lediglich mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten oder Sonderausgaben berücksichtigt werden.
  • Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt ein Vollzeitstudium oder eine vollzeitige Bildungsmaßnahme vor, wenn es sich um eine berufliche Fort- oder Ausbildung handelt und Sie daneben keiner Erwerbstätigkeit nachgehen oder während der gesamten Dauer der Bildungsmaßnahme eine Erwerbstätigkeit mit durchschnittlich bis zu 20 Stunden pro Woche ausüben (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228, Rz. 34). Das bedeutet, dass die Bildungseinrichtung bei einem Teilzeitstudium während der Arbeitslosigkeit (keine Erwerbstätigkeit) oder mit Teilzeitbeschäftigung (maximal 20 Wochenstunden) immer noch die "erste Tätigkeitsstätte" darstellt - und die Fahrten lediglich mit der Entfernungspauschale absetzbar sind.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof gegen den Fiskus entschieden, dass ein Teilzeitstudium keine vollzeitige Bildungsmaßnahme ist, weil das Teilzeitstudium gerade nicht darauf ausgerichtet ist, dass sich der Student ihr vollumfänglich widmen muss. Vielmehr ist das Teilzeitstudium nach der eigenen Beschreibung der Fernuniversität gerade zur Ausübung neben einer Berufstätigkeit angelegt. Folglich sind die Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen abziehbar (BFH-Urteil vom 24.10.2024, VI R 7/22).

  • Der Fall: Ein arbeitsloser Mann belegte nach abgeschlossenem Studium im Jahre 2017 einen weiteren Studiengang Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität Hagen und war dort als Teilzeitstudent eingeschrieben. Er machte Aufwendungen für 29 Hin- und Rückfahrten zwischen Wohnung und Fernuni zu je 277 km mit der Dienstreisepauschale von 0,30 EUR je Fahrtkilometer, also insgesamt rund 4.800 EUR, als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt wollte nur die Entfernungspauschale von 0,30 EUR je Entfernungskilometer anerkennen. Doch der Bundesfinanzhof pflichtet dem Steuerbürger bei.
  • Begründung: Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine zweite Ausbildung (Berufsausbildung oder Studium) sind regelmäßig beruflich veranlasst. Demgemäß sind sämtliche beruflich veranlassten Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung anfallen, als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu gehören auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch nach § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG bei Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt, weil die Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte gilt.
  • Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium nach der Studienordnung darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem - vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer - zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen (hier Studienordnungen) oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert bzw. im Durchschnitt pro Semester 30 ECTS-Leistungspunkte (Creditpoints) vergeben werden. Ist dies der Fall, kann grundsätzlich von einem Vollzeitstudium ausgegangen werden. Ist das Studium nach der jeweiligen Studienordnung hingegen darauf ausgerichtet, dass die Studierenden für die Erbringung der vorgeschriebenen Studienleistungen nur einen Teil ihrer Arbeitszeit aufwenden müssen, liegt ein Teilzeitstudium vor. Ob die Studierenden daneben in einem Beschäftigungsverhältnis stehen oder anderweitig erwerbstätig sind, ist für die steuerrechtliche Einordnung eines Studiums als Teilzeitstudium unerheblich.
  • Der Kläger hat die Fahrten zur Fernuniversität in Hagen nicht zum Zwecke eines Vollzeitstudiums unternommen. Er war lediglich als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem zeitlichen Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Die Tatsache, dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, ist im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich. Demnach galt die Fernuniversität in Hagen im Streitjahr nicht als erste Tätigkeitsstätte des Klägers, so dass seine Fahrtkosten deshalb auch nicht auf die Entfernungspauschale begrenzt sind.

STEUERRAT: Kosten für ein Zweitstudium stellen grundsätzlich Werbungskosten dar, die in unbeschränkter Höhe abgezogen werden dürfen. Aufwendungen für ein Erststudium hingegen sind grundsätzlich mit maximal 6.000 EUR pro Jahr als Sonderausgaben abziehbar. Letztere sind im Übrigen steuerlich verloren, wenn in dem betreffenden Jahr keine oder nur geringe Einkünfte vorliegen, denn ein Vortrag der Kosten auf Folgejahre ist nicht möglich.

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Steuertipp der Woche vom 21.4.2025