
AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Investmentfonds mit Sitz im Ausland, der unter der Geltung des Investmentsteuergesetzes 2004 (InvStG 2004) mit Kapitalertragsteuer belastete Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezog, nach dem Unionsrecht im Grundsatz einen Anspruch auf Erstattung dieser Steuer hat. Und dieser Erstattungsanspruch kommt den Anlegern letztlich über Wertsteigerungen ihrer Anteile oder möglicherweise auch mittelbar per Erstattung - samt Zinsen - zugute (BFH-Urteil vom 13.3.2024, I R 1/20).
- Der Fall: Ein französischer Investmentfonds hatte in mehreren Jahren Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezogen. Auf diese Einkünfte war jeweils Kapitalertragsteuer einbehalten und an die deutschen Finanzbehörden abgeführt worden. Der Fonds beantragte später die Erstattung dieser Steuern. Zur Begründung führte er an, dass ein inländischer Fonds steuerbefreit sei und keine Kapitalertragsteuer anfalle. Die im deutschen Investmentsteuerrecht angelegte Ungleichbehandlung zwischen einem in- und einem ausländischen Fonds sei nicht zu rechtfertigen. Das zunächst angerufene Finanzgericht folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage ab. Der BFH sah die Sache anders.
- Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) müssen auch einem ausländischen Fonds die in § 11 InvStG 2004 geregelten Steuervergünstigungen zugestanden werden. Da inländische Fonds im Ergebnis keine Steuer auf die von ihnen erzielten Dividenden zu zahlen haben, dürfen ausländische Fonds nicht schlechter behandelt werden. Ansonsten ist die im Unionsrecht verbürgte Freiheit des Kapitalverkehrs verletzt. Dass nach den deutschen Gesetzesregelungen die Besteuerung bei den Anlegern des steuerbefreiten inländischen Fonds "nachgeholt" wird, während diese Folge am Sitz des klagenden Fonds nicht sichergestellt war, ist im Ergebnis unbeachtlich. Die bei der Ausschüttung an den ausländischen Fonds angefallene Kapitalertragsteuer muss daher an diesen zurückerstattet werden. Auch dies ist Folge der Rechtsprechung.
STEUERRAT: Die Entscheidung ist von beträchtlicher finanzieller Tragweite, da zahlreiche ausländische Fonds vergleichbare Erstattungsanträge gestellt haben, die sich nach Schätzungen des Bundesrechnungshofs auf eine Gesamtsumme im Milliardenbereich belaufen. Außerdem ist der Erstattungsanspruch im Grundsatz mit 6 Prozent p.a. zu verzinsen. Wie erwähnt betrifft die Entscheidung (nur) die Jahre bis 2017. Der Gesetzgeber hat das InvStG mit Wirkung zum 1.1.2018 reformiert. Seitdem werden sowohl inländische als auch ausländische Fonds einheitlich mit Ertragsteuer belastet (Quelle: BFH, Pressemitteilung vom 22.8.2024).
STEUERRAT: Anleger selbst müssen nicht aktiv werden. Vielmehr sollten sie hoffen, dass "ihr" Fonds, wenn er denn in den Jahren 2004 bis 2017 in deutsche Aktien investiert hat, rechtzeitig Erstattungsanträge gestellt hat. Dem Vernehmen nach haben aber die großen und bekannten Fondsgesellschaften mit Sitz in Luxemburg oder Irland (Identifikationsnummern LU oder IE) die Erstattungsanträge gestellt. Bis es zur Erstattung an die Fonds und damit gegebenenfalls auch an die Anleger kommt, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. Zunächst muss nämlich die Vorinstanz in dem o.g. Verfahren noch einmal aktiv werden. Und im Anschluss muss das Bundeszentralamt für Steuern, das ohnehin ziemlich ausgelastet ist, die Erstattungsanträge bearbeiten.
Weitere Informationen:
Beachten Sie auch unsere weiteren Steuertipps in der Rubrik
Steuertipp der Woche vom 3.2.2025