In meiner Heimatstadt Herten/Westf. gab es kürzlich nämlich eine Bürgerbefragung, ob es bei der Müllabholung weiterhin einen so genannten Vollservice geben soll. Derzeit werden die Restmüll- und Bioabfallkleinbehälter von den Mitarbeitern des Müllentsorgers vom normalen Standort der Tonne auf dem Grundstück (!) bis an den Straßenrand gezogen und nach der Leerung zurückgebracht (bis zu 15 Meter). Die bezeichnete Dienstleistung ist in der Abfallgebühr enthalten).
57 Prozent der Befragten haben für die Beibehaltung des Vollservices gestimmt. Im Vergleich mit den Müllgebühren der Nachbarstädte, die den Vollservice nicht anbieten, kann nach meinem Dafürhalten relativ leicht ermittelt werden, welcher Anteil der Müllgebühren auf den Vollservice entfällt. Dabei dürfte unstreitig sein, dass es sich bei dem Vollservice in der Tat um eine haushaltsnahe Dienstleistung handelt. Insofern wüsste ich nicht, warum der Betrag dann nicht auch nach § 35a Abs. 2 EStG begünstigt sein sollte. Das Argument des FG Köln, es handele sich um eine reine Nebenleistung, kann jedenfalls nicht mehr stichhaltig sein, denn die Befragten (es waren immerhin 6.000 Bürger) werten den Vollservice ja gerade nicht als reine Nebenleistung, sondern bemessen ihr einen - durchaus zu beziffernden - Wert bei. Helfen kann hier eventuell der Vergleich des Bundes der Steuerzahler (für NRW unter https://www.steuerzahler-nrw.de/Vergleich-der-Abfall-und-Abwassergebuehren-2018/95816c108035i1p65/index.html).
Eine rein praktische Frage ist natürlich, ob der Arbeitslohn geschätzt werden darf, wenn er nicht gesondert ausgewiesen wird. Bejahend: FG Nürnberg, Urteil vom 24.6.2015, 7 K 1356/14 und BFH-Urteil vom 20.3.2014, VI R 56/12, BStBl 2014 II S. 882; ablehnend: BMF-Schreiben vom 9.11.2016, BStBl 2016 I S.1213, Rz. 40.
STEURRAT: Meines Erachtens sollten die Kosten der Müllabfuhr in ähnlichen Fällen (Stichwort "Vollservice") anteilig als Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen geltend gemacht werden. Dies geschieht in der neuen Anlage Haushaltsnahe Aufwendungen zur Steuererklärung. Weisen Sie - falls ein gesonderter Ausweis des Arbeitslohns nicht erfolgt - auf die o.g. Urteile hin. Legen Sie gegen abschlägige Steuerbescheide Einspruch ein. Ich bin gespannt, ob es früher oder später zu einem Finanzgerichtsverfahren kommen wird, um die Sache zu klären. Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass die Auffassung des Finanzgerichts Köln nicht durchgängig zu halten ist.
Übrigens hat das Amtsgericht Mülheim entschieden, dass Kunden einen Rechtsanspruch auf eine aufgeschlüsselte Rechnung mit gesondertem Ausweis des Lohnanteils haben. Denn nur so könnten sie Handwerkerleistungen oder haushaltsnahe Dienstleistungen gemäß § 35a Abs. 2 EStG steuermindernd absetzen (Amtsgericht Mülheim vom 30.7.2015, 12 C 1124/14). Ob diese Entscheidung allerdings auf Kosten der Müllabfuhr übertragbar ist, dürfte zweifelhaft sein.
AKTUELL: Das Finanzgericht Münster die Sichtweise des FG Köln zwar bestätigt, aber ausdrücklich die Revision zugelassen, die auch eingelegt wurde (Urteil vom 24.2.2022, 6 K 1946/21 E, Rev. unter VI R 8/22). ABER: Leider ist die Revision der Klägerin als unzulässig verworfen worden - jedoch nicht aus materiell-rechtlichen Gründen, sondern weil der Prozessbevollmächtigen die Begründung der Revision verspätet beim Bundesfinanzhof eingereicht hat (BFH-Beschluss vom 1.9.2022, VI R 8/22). Fazit: Es liegt immer noch keine Entscheidung des BFH zum Abzug von Müllgebühren vor.
Weitere Informationen:
- Steuervergünstigung für haushaltsnahe Dienstleistungen
- Ausfüllhilfe zur Anlage Haushaltsnahe Aufwendungen
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