SteuerSparbrief - Archiv

Der Online-SteuerSparbrief erscheint monatlich im Umfang von rund 16 Seiten und ist Teil des Abonnements von Steuerrat24. Die aktuelle Ausgabe steht jeweils ab Monatsbeginn zum Abruf in der Rubrik "SteuerSparbrief" bereit.

Falls Sie eine frühere Ausgabe versäumt haben, können Sie hier die letzten Ausgaben des SteuerSparbriefs aufrufen.

 

Diese Ausgabe bietet unter anderem folgende interessante Themen:

  • Dienstwagen in Corona-Zeiten: Nutzen Sie jetzt die Einzelbewertung
  • Unfall: Krankheitskosten aufgrund Wegeunfall sind steuerlich abziehbar
  • Arbeitslohn: Zeitlich begrenzte Steuerfreiheit für Bonuszahlungen
  • Nebentätigkeit: Verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeit während der Kurzarbeit
  • Hinzuverdienstgrenze: Üppige Erhöhung für Frührentner im Jahre 2020
  • Stundung von Miete oder Pacht: Vorsteuerabzug trotzdem frühzeitig beantragen!

Hier geht es zum gesamten Inhaltsverzeichnis und zu Ihrem SteuerSparbrief (Hinweis: Die PDF-Datei zum Ausdruck finden Sie unterhalb des Inhaltsverzeichnisses):

Hier finden Sie auch die PDF-Datei zum Ausdruck: SteuerSparbrief Mai 2020

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ende letzten Jahres sind unzählige steuerliche Gesetze verabschiedet worden. Wer erinnert sich noch an das "Klimaschutzpaket", das auch ins Steuerrecht Einzug gehalten hat? Obwohl nur wenige Monate vergangen sind, scheint es, als wenn die politische Agenda des Jahres 2019 Lichtjahre entfernt wäre. Dabei sind die damals verabschiedeten Gesetzesänderungen und -neuerungen durchaus nach wie vor relevant oder werden es in Kürze. Denken Sie etwa an die Mobilitätsprämie für Geringverdiener.

Gleichfalls ganz weit entfernt scheinen die - zum Teil erbittert geführten - Debatten über kleinste steuerliche Änderungen. An Details wurde in Nachtsitzungen gefeilt, nur um die Änderungen einen Tag später zu verwerfen, kurze Zeit später erneut aufzugreifen und dann irgendwann in kaum noch zu erkennender Form zu verabschieden.

Ganz anders ist die Lage nun: Gesetze werden "durchgepeitscht." Kontroverse Diskussionen? Fehlanzeige. Kritik? Nicht vorhanden. Abstimmung mit Verbänden? Nicht möglich. Die Corona-Krise macht politisch möglich, was noch vor Kurzem undenkbar war.

Auch das Bundesfinanzministerium und die Finanzverwaltungen der Länder überschlagen sich mit Billigkeitsregelungen: Vereinfachungen beim Spendennachweis, vereinfachte Stundungen, Herabsetzung von Vorauszahlungen, Rückzahlung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen und vor allem die Möglichkeit zur Zahlung eines steuerfreien Zuschusses von bis zu 1.500 Euro.

Ob jede einzelne der verabschiedeten Maßnahmen sinnvoll ist, mag unterschiedlich beurteilt werden. Stark belastete Mitarbeiter des Einzelhandels und aufopferungsvoll arbeitende Pflegekräfte werden eine - steuerfreie - Bonuszahlung begrüßen. Wer seine Arbeit verloren hat, weil "sein" Unternehmen Insolvenz anmelden musste, wird die Sache vielleicht anders sehen. Doch in der Krise müssen schnelle Entscheidungen her und die Steuerfreiheit von Bonuszahlungen dient der Anerkennung einer besonderen Leistung. Letztlich müssen "schnelle" Entscheidungen nicht schlechter sein als mehrfach "gedrechselte" Gesetze und Verwaltungsanweisungen.

Allerdings darf den staatlichen Institutionen - trotz der wohl überwiegenden Zustimmung zu den Hilfsmaßnahmen - kein Freibrief ausgestellt werden. Ich finde, gerade in einer Zeit, in der Grundrechte eingeschränkt sind, kommt es ganz besonders auf die Wachsamkeit von Opposition, Medien und interessierten Bürgern an. Solidarität ist das eine, dem Gesetzgeber oder der Regierung gegenüber aufmerksam zu bleiben, etwas anderes. Daher sollte sehr genau geschaut werden, ob wirklich "nur" die "Corona-Gesetze" verabschiedet werden oder ob sich nicht plötzlich weitreichende Änderungen und Neuregelungen finden, die in normalen Zeiten niemals das Licht der Welt erblickt hätten. So wollte die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen - durchaus wohlgemeint - in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreifen, indem Zwangsverpflichtungen von Ärzten und Pflegern ermöglicht werden sollten.

Kritik am Handeln von Gesetzgeber, Regierung und Verwaltung muss auch in schwierigen Zeiten erlaubt sein. Ein "Durchwinken" von Gesetzen und Verwaltungsanweisungen darf es nicht geben. Und dass der Bundestag - aus gesundheitlichen Gründen erforderlich - selbst weitreichende Gesetze wie den Nachtragshaushalt 2020 mit einem Ausgabevolumen von rund 122,5 Mrd. Euro nur mit "verminderter Besetzung" verabschiedet, muss der absolute Ausnahmefall bleiben.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Christian Herold

Redaktion Steuerrat24

PS: Einen umfassenden Überblick über die Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise finden Sie jederzeit abrufbar auf der Startseite des Steuerrat24.

I. Beruflicher Bereich

1. Personalrabatt bei Autokonzern:
Fehlende Pkw-Überführung ist kein Steuervorteil

Werksangehörige von Automobilunternehmen erhalten beim Kauf von neuen Fahrzeugen Personalrabatte. Ihren Preisvorteil müssen die Beschäftigten grundsätzlich als geldwerten Vorteil versteuern. Für die Besteuerung gibt es zwei Methoden: Entweder nimmt der Arbeitnehmer den 4-prozentigen Bewertungsabschlag vom durchschnittlichen Angebotspreis ("Endpreis") sowie den "großen" Rabattfreibetrag von 1.080 EUR in Anspruch (§ 8 Abs. 3 Satz 1 EStG). Oder aber es wird geschaut, welches der günstigste Preis für das Kfz am Markt ist. Nur wenn dieser Preis noch "unterboten" wird, ist ein geldwerter Vorteil zu versteuern (§ 8 Abs. 2 EStG).

Auch ersparte Überführungskosten führen zu einem geldwerten Vorteil. Doch was gilt, wenn tatsächlich gar keine Überführungsleistung erbracht wird, weil die Werksangehörigen das Kfz - verständlicherweise - direkt an "ihrem" Werksstandort oder einem nahe gelegenen Versandzentrum abholen?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Annahme eines geldwerten Vorteils ausscheidet, wenn tatsächlich keine Überführungsleistung erbracht worden ist (BFH-Urteil vom 16.1.2020, VI R 31/17).

  • Der Fall: Ein Automobilkonzern ermöglicht seinen aktiven und ehemaligen Mitarbeitern den Erwerb ihrer Fahrzeuge zu vergünstigten Konditionen. Die Auslieferung der Fahrzeuge weicht in diesen Fällen von der Auslieferung gegenüber fremden Endkunden ab. An Mitarbeiter erfolgt die Auslieferung abhängig vom inländischen Beschäftigungsort am jeweiligen Werksstandort, am Versandzentrum Z oder der jeweiligen Niederlassung. Vergünstigte Überführungskosten berechnet der Arbeitgeber nur im Falle der Auslieferung in einer Niederlassung, also außerhalb eines Werkstandorts oder des Versandzentrums Z. In den letztgenannten Fällen der Auslieferung an Mitarbeiter werden keine Überführungskosten berechnet. Finanzamt und Finanzgericht sahen in den nicht berechneten Überführungskosten dennoch geldwerte Vorteile, die zu versteuern seien. Anders jedoch der BFH; er hat der Revision stattgegeben und lehnt die Annahme eines geldwerten Vorteils ab.
  • Begründung: Die Mitarbeiter haben durch die Auslieferung der von ihnen verbilligt erworbenen Kfz keinen zusätzlichen geldwerten Vorteil im Sinne einer "Überführung" erlangt. Denn wenn eine Überführung tatsächlich nicht stattgefunden hat, ist den Mitarbeitern auch kein Vorteil zugeflossen, der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bewerten wäre. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass ein fremder Endkunde sich der Überführung und damit den hierdurch ausgelösten Kosten nicht entziehen kann.

STEUERRAT: Falls in Ihrem Fall ausnahmsweise die allgemeine Besteuerungsmethode für Sachbezüge gemäß § 8 Abs. 2 EStG günstiger sein sollte als die spezielle Besteuerungsmethode für Mitarbeiterrabatte gemäß § 8 Abs. 3 EStG, die der Arbeitgeber beim monatlichen Lohnsteuerabzug angewandt hat, können Sie eine Korrektur in Ihrer Steuererklärung vornehmen (BMF-Schreiben vom 16.5.2013, BStBl. 2013 I S. 729, Tz. 10). Wie Sie die Korrektur konkret vornehmen, entnehmen Sie bitte dem Beitrag Steuerratgeber » Verdienst » Steuervorteile » Jahreswagen für Werksangehörige: Wie der geldwerte Vorteil ermittelt wird.

 

2. Dienstwagen in Corona-Zeiten:
Nutzen Sie jetzt die so genannte Einzelbewertung

Arbeitnehmer, die einen Dienstwagen auch privat nutzen dürfen, müssen die Privatnutzung entweder nach der 1 %-Pauschalregelung oder aber nach der Fahrtenbuchmethode versteuern. Bei der Pauschalregelung werden monatlich 1 % des Listenpreises des Kfz als Privatanteil versteuert. Hinzu kommen noch 0,03 % des Kfz-Listenpreises pro Entfernungs-Km und Monat, wenn der Wagen auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt wird. ABER: Die Arbeitnehmer können den Zuschlag für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vermeiden, wenn sie ihr Fahrzeug tatsächlich weniger als 15 Tage pro Monat genutzt haben. Sie können dann stattdessen eine Einzelbewertung der Fahrten vornehmen, und zwar mit 0,002 % des Listenpreises je Entfernungskilometer und tatsächlicher Fahrt zur Tätigkeitsstätte (der Wert von 0,002 % ergibt sich, wenn man die 0,03 % durch die angenommenen 15 Tage dividiert).

AKTUELL kann die oben bezeichnete Einzelbewertung wichtiger denn je sein, denn viele Arbeitnehmer können ihr Fahrzeug de facto gar nicht für die Fahrten zum Betrieb nutzen, da sie von zuhause aus arbeiten (müssen). Notieren Sie also, an welchen Tagen (mit Datumsangabe) Sie das Fahrzeug tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (erste Tätigkeitsstätte) genutzt haben. Ein Wechsel zwischen der "normalen" Pauschalregelung und der Einzelbewertung innerhalb eines Kalenderjahres ist übrigens nicht zulässig. Haben Sie sich für die Einzelbewertung entschieden, müssen Sie diese das ganze Jahr über fortführen.

Wichtig: Der Arbeitgeber ist im Lohnsteuerabzugsverfahren - auf Verlangen des Arbeitnehmers - zur Einzelbewertung der tatsächlichen Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte verpflichtet, wenn sich aus der arbeitsvertraglichen oder einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage nichts anderes ergibt. Allerdings sind dann die Angaben des Arbeitnehmers zu den tatsächlichen Fahrten zusätzliche Voraussetzung (BMF-Schreiben vom 4.4.2018, BStBl 2018 I S.592, Tz. 10e).

STEUERRAT: Verständlicherweise haben Arbeitgeber wenig Interesse an der Berücksichtigung der Einzelbewertung im Lohnsteuerabzugsverfahren. Sie verweisen ihre Arbeitnehmer daher üblicherweise auf deren Einkommensteuererklärung. Aber: Arbeitnehmer, die mit ihrem Bruttoarbeitslohn noch nicht die Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung erreicht haben, sollten beachten, dass sich eine "Korrektur in der Einkommensteuererklärung" nicht (mehr) mindernd auf die Sozialversicherungsbeiträge auswirkt. Von Interesse ist insoweit die Niederschrift über die Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit vom 22.3.2018. Hier heißt es: "Eine steuerrechtliche Minderung des Nutzungswertes im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung führt unter Berücksichtigung des in § 1 Abs. 1 Satz 2 SvEV verankerten Grundsatzes nicht zur nachträglichen Beitragsfreiheit der Minderung des Nutzungswertes." Das bedeutet also: Verzichtet der Arbeitgeber auf die Zugrundelegung der Einzelbewertung, kann der Arbeitnehmer diese zwar im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung geltend machen. Er hat aber keine Möglichkeit, dies auch für Zwecke der Sozialversicherung zu erreichen. Er zahlt dann zu hohe Sozialversicherungsbeiträge. (Allerdings zahlt auch der Arbeitgeber einen eventuell "zu hohen" Arbeitgeberanteil.)

HINWEIS: Die Regelung der Einzelbewertung ist nicht bei Gewerbetreibenden und Freiberuflern für Betriebs-Pkw im Rahmen der Gewinnermittlung anwendbar. AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Selbstständige einer Minderung des Zuschlags von 0,03 % nicht entgehen können. Das heißt: Auch wenn Sie Ihren Firmenwagen tatsächlich nur wenige Male im Monat für eine Fahrt zu Ihrer Betriebsstätte nutzen, müssen Sie 0,03 % des Kfz-Listenpreises pro Entfernungs-Km und Monat versteuern (BFH-Urteil vom 12.6.2018, VIII R 14/15).

Weitere Informationen: Firmenwagen: Nutzungswert nach der Pauschalmethode

 

3. Unfallkosten:
Unfall auf dem Weg zur Arbeit nicht als Werbungskosten absetzbar

Im Gesetz ist bestimmt, dass "durch die Entfernungspauschale sämtliche Aufwendungen abgegolten sind, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind" (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG). Abgegolten sind alle "gewöhnlichen" Kosten, wie Aufwendungen für Benzin, Reifen, Inspektionen, Kfz-Versicherungen, Kfz-Steuer, Abschreibung, Garagenmiete, Reparaturen, die auf normalem Verschleiß beruhen, Parkgebühren für das Abstellen des Kraftfahrzeugs während der Arbeitszeit, Finanzierungskosten, Beiträge für Kraftfahrerverbände, Versicherungsbeiträge für einen Insassenunfallschutz, Leasing-Sonderzahlung, Austauschmotor. Gilt dies auch für "außergewöhnliche" Kosten wie einen Unfallschaden?

Eine immer wiederkehrende Streitfrage ist, ob die Kosten eines Unfalls mit der Entfernungspauschale abgegolten sind oder ob sie zusätzlich in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten abgesetzt werden können.

  • Die Finanzverwaltung hat wiederholt die Finanzämter angewiesen: "Unfallkosten, die auf einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder auf einer zu berücksichtigenden Familienheimfahrt entstehen, sind als außergewöhnliche Aufwendungen im Rahmen der allgemeinen Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG weiterhin neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen" (zuletzt BMF-Schreiben vom 31.10.2013, BStBl. 2013 I S. 1376, Nr. 4).
  • Auch in der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 9 Abs. 2 EStG ab 2007 heißt es, dass "Unfallkosten als außergewöhnliche Aufwendungen wieder neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind" (BT-Drucksache 16/12099 vom 3.3.2009, Seite 6 und 8).
  • Ferner ist in den Lohnsteuerrichtlinien explizit geregelt, dass "neben der Entfernungspauschale nur Aufwendungen berücksichtigt werden für die Beseitigung von Unfallschäden bei einem Verkehrsunfall auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, auf einer Umwegfahrt zum Betanken des Fahrzeugs, auf einer Umwegstrecke zur Abholung der Mitfahrer einer Fahrgemeinschaft" (Hinweis 9.10 LStH 2018).
  • Zudem äußerte sich die Bundesregierung erst kürzlich wie folgt: "Mit der Entfernungspauschale sind sämtliche Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte abgegolten. Eine Differenzierung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Aufwendungen ist nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht vorgesehen. Aus Billigkeitsgründen wird es von der Verwaltung ausnahmsweise jedoch nicht beanstandet, wenn Aufwendungen für die Beseitigung eines Unfallschadens bei einem Verkehrsunfall neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend gemacht werden" (BT-Drucksache 18/8523 vom 20.5.2016, Seite 35).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof zu Ungunsten der Steuerbürger entschieden, dass die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale sich im Grundsatz auch auf Unfallkosten erstreckt, soweit es sich um Aufwendungen des Arbeitnehmers für "die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte", also um echte Wege- bzw. Fahrtkosten handelt (BFH-Urteil vom 19.12.2019, VI R 8/18).

  • Der BFH begründet dies mit dem Gesetzeswortlaut, der in § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale auf "sämtliche Aufwendungen" erstreckt. Zudem spreche die verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale neben umwelt- und verkehrspolitischen Erwägungen auch für die Steuervereinfachung. So sollten durch die Abgeltung "sämtlicher Aufwendungen" insbesondere Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Steuerbürger und dem Finanzamt über die Berücksichtigung besonderer Kosten, z.B. für Abholfahrten und außergewöhnliche Kosten, vermieden werden.
  • Die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale erstreckt sich jedoch nur auf "Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte" sowie für "Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung", also auf die fahrzeug- und wegstreckenbezogenen Aufwendungen. Andere Aufwendungen, insbesondere Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden, die durch einen Unfall auf einer beruflich veranlassten Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten sind, werden von der Abgeltungswirkung dagegen nicht erfasst. Solche Aufwendungen sind zusätzlich in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar (beachten Sie dazu auch den nachfolgenden Beitrag).

STEUERRAT: Behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 70 oder einem GdB von 50 bis 70 und dem Merkzeichen "G" oder "aG" können ihre Fahrten zur Arbeit mit der Dienstreisepauschale von 30 Cent je Fahrtkilometer bzw. mit dem tatsächlichen Km-Kostensatz geltend machen. Und deshalb können sie auch Unfallkosten zusätzlich als Werbungskosten absetzen (BMF-Schreiben vom 31.8.2009, BStBl. 2009 I S. 891, Tz. 3).

Weitere Informationen: Unfall, Beschädigung und Diebstahl des Pkw: Was alles absetzbar ist

 

4. Unfallkosten:
Krankheitskosten aufgrund eines Wegeunfalls steuerlich absetzbar

Mit der gesetzlichen Entfernungspauschale, mit der die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie die Heimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung absetzbar sind, sollen alle Aufwendungen abgegolten sein, u.a. auch die Kosten eines Verkehrsunfalls.

Einige Finanzgerichte vertreten die Auffassung, dass ärztliche Behandlungskosten aufgrund eines Autounfalls auf dem Weg zur Arbeit ebenfalls mit der Entfernungspauschale abgegolten sind und deshalb nicht zusätzlich als Werbungskosten abgesetzt werden dürfen. Es seien Aufwendungen sowohl für Sachschäden als auch für Personenschäden durch die Entfernungspauschale abgegolten (FG Baden-Württemberg vom 19.1.2018, 5 K 500/17, Revision VI R 8/18; FG Sachsen vom 18.5.2018, 4 K 194/18, Revision VI R 40/18; FG Rheinland-Pfalz vom 23.2.2016, 1 K 2078/15).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof das Urteil des FG Baden-Württemberg aufgehoben und zu Gunsten der Steuerzahler entschieden: Erleidet ein Steuerpflichtiger auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte einen Unfall, kann er die durch den Unfall verursachten Krankheitskosten als Werbungskosten abziehen. Solche Krankheitskosten werden nicht von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale erfasst (BFH-Urteil vom 19.12.2019, VI R 8/18).

  • Die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale erstreckt sich nur auf "Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte" sowie für "Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung", also auf die fahrzeug- und wegstreckenbezogenen Aufwendungen. Andere Aufwendungen, insbesondere Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden, die durch einen Unfall auf einer beruflich veranlassten Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten sind, werden von der Abgeltungswirkung dagegen nicht erfasst. Solche Aufwendungen sind zusätzlich in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar.
  • Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden stellen keine beruflichen Mobilitätskosten dar. Es handelt sich nicht um Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Dies gilt auch dann, wenn die körperliche Beeinträchtigung, zu deren Beseitigung oder Linderung die betreffenden Aufwendungen getätigt werden, auf einer beruflich veranlassten Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten ist. Denn Aufwendungen zur Beseitigung oder Linderung von Körperschäden sind weder fahrzeug- noch wegstreckenbezogen.

STEUERRAT: Als Werbungskosten absetzbar sind alle selbst getragenen Aufwendungen zur Beseitigung von Gesundheitsschäden, die durch den Unfall auf beruflicher Fahrt verursacht sind. Das betrifft die eigenen Aufwendungen für Arzt, Apotheke, Krankenhaus, Massage usw. - auch die Fahrten dorthin (BFH-Urteil vom 13.10.1960, BStBl. 1960 III S. 511; BFH-Urteil vom 2.3.1962, BStBl. 1962 III S. 192).
Solche Krankheitskosten könnten auch als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend gemacht werden. Doch dann würden sie sich wegen Anrechnung der zumutbaren Belastung meist nicht steuermindernd auswirken. Bei den Werbungskosten aber entfällt eine solche Anrechnung, sodass sie sich hier voll auswirken, sobald die Werbungskosten insgesamt den Arbeitnehmer-Pauschbetrag überschreiten.

Weitere Informationen: Unfall, Beschädigung und Diebstahl des Pkw: Was alles absetzbar ist

 

5. Dienstliche Fahrten:
Durchschnittswerte für die Treibstoffkosten 2019

Berufliche und dienstliche Fahrten - außer den Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte - können Sie beim Finanzamt mit der Dienstreisepauschale von 30 Cent je Fahrtkilometer als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abrechnen. Statt die Dienstreisepauschale in Anspruch zu nehmen können Sie auch den tatsächlichen Kilometer-Kostensatz Ihres Fahrzeugs ermitteln und damit die dienstlichen Fahrten bewerten. Den Km-Kostensatz für Ihren Pkw erhalten Sie, indem Sie die Gesamtkosten des Fahrzeugs durch die Gesamtfahrleistung dividieren.

Nun kommt es aber häufig vor, dass man gerade für Benzinkosten die Belege übers Jahr hinweg nicht vollständig oder überhaupt nicht gesammelt hat. Aber das ist kein Problem, denn Sie dürfen die Treibstoffkosten anhand des durchschnittlichen Kraftstoffverbrauchs und des durchschnittlichen Literpreises schätzen (BFH-Urteil vom 7.4.1992, BStBl. 1992 II S. 854). Dies ist nach § 162 AO möglich, wenn Kosten dem Grunde nach zweifelsfrei entstanden sind. Für die Schätzung benötigen Sie zwei Daten: Den vom Hersteller Ihres Fahrzeugs angegebenen Durchschnittsverbrauch und den durchschnittlichen Kraftstoffpreis in dem betreffenden Jahr. Doch wie hoch war eigentlich im Jahre 2019 der durchschnittliche Literpreis?

AKTUELL geben wir Ihnen hier den durchschnittlichen Literpreis für das Jahr 2019 bekannt, wie er vom statistischen Bundesamt und vom Mineralölwirtschaftsverband ermittelt wurde: Der Jahres-Durchschnittspreis betrug für Superbenzin 143,19 Cent und für Diesel 126,72 Cent pro Liter. Der Wert wird monatlich ermittelt und kann mit dem Jahresdurchschnittspreis auch für steuerliche Zwecke genutzt werden.

Beispiel:

Sie haben alle Kostenbelege mit Ausnahme der Tankbelege vorliegen. Also behelfen Sie sich mit einer Schätzung der Benzinkosten: Der Wagen verbraucht auf 100 km durchschnittlich 8 Liter, ein Liter kostet im Jahresdurchschnitt 143,19 Cent. Insgesamt sind Sie im Jahr 28.000 km gefahren.

Für Benzinkosten schätzen Sie also: 28.000 km : 100 km x 8 Liter x 143,19 Cent =

3.207,46 EUR

Weitere Informationen: Wie Sie Ihren tatsächlichen Kilometer-Kostensatz ermitteln

 

6. Kurzfristige Beschäftigung:
Vorübergehende Anhebung der Zeitgrenzen

Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung von vornherein begrenzt ist, und zwar auf längstens 3 Monate oder 70 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres und nicht berufsmäßig ausgeübt wird, falls das Entgelt 450 EUR im Monat übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Dann ist der Arbeitslohn - gleichgültig, wie hoch dieser ist - versicherungsfrei in der gesetzlichen Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung. Auch muss der Arbeitgeber hier - anders als bei einem Minijob - keine Pauschalbeiträge an die Minijobzentrale entrichten.

AKTUELL werden im Zeitraum vom 1.3. bis 31.10.2020 die Zeitgrenzen für Saisonarbeit von 3 Monate/70 Arbeitstage ausgeweitet auf 5 Monate oder 115 Arbeitstage. Davon profitiert besonders die Landwirtschaft (§ 115 SGB IV, eingefügt durch das "Sozialschutzpaket-Gesetz" vom 27.3.2020).

Diese Regelung ermöglicht den Arbeitgebern einen längeren Einsatz der noch zur Verfügung stehenden Saisonarbeitnehmer in der Landwirtschaft. Natürlich profitieren auch alle anderen Arbeitgeber von dieser Übergangsregelung. Berufsmäßige Beschäftigungen sind nach wie vor ausgenommen.

Zum 1. November läuft die Übergangsvorschrift aus, so dass ab diesem Zeitpunkt wieder die kürzere Zeitdauer maßgebend ist. Die Beschäftigung ist daher ab diesem Zeitpunkt neu zu beurteilen. Eine kurzfristige Beschäftigung liegt ab diesem Zeitpunkt nur noch dann vor, wenn die Beschäftigung unter Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten seit ihrem Beginn im Jahr 2020 auf längstens 3 Monate bzw. 70 Arbeitstage befristet ist.

Wie sind die Beschäftigungen zu beurteilen:

  • Beschäftigung zwischen dem 1. März 2020 bis 31. Oktober 2020:
    Eine Beschäftigung, die ausschließlich in diesem Zeitraum ausgeübt wird und auf längstens 5 Monate oder 115 Arbeitstage befristet ist, ist kurzfristig.
  • Beschäftigungsbeginn vor dem 1. März 2020:
    Eine Beschäftigung, die vor dem 1. März 2020 begonnen hat und darüber hinaus andauert, ist von Beginn an kurzfristig, wenn sie unter Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten auf längstens 3 Monate oder 70 Arbeitstage befristet ist. Ab dem 1. März 2020 ist auf Grund der Gesetzesänderung eine längere Zeitdauer für kurzfristige Minijobs maßgebend. Die Beschäftigung ist daher ab diesem Zeitpunkt neu zu beurteilen. Ein kurzfristiger Minijob liegt ab diesem Zeitpunkt vor, wenn die Beschäftigung unter Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten seit ihrem Beginn im Jahr 2020 auf längstens 5 Monate bzw. 115 Arbeitstage befristet ist.
  • Beschäftigung über den 31. Oktober 2020 hinaus:
    Eine Beschäftigung, die vor dem 31. Oktober 2020 beginnt und darüber hinaus andauert, ist von Beginn an kurzfristig, wenn sie unter Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten auf längstens 5 Monate oder 115 Arbeitstage befristet ist.

Weitere Informationen: Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 20.3.2020.

 

7. Arbeitslohn:
Zeitlich begrenzte Steuerfreiheit für Bonuszahlungen

Während der Corona-Krise sind viele Arbeitnehmer täglich unter erschwerten Bedingungen im Einsatz, um uns zu versorgen - als Pflegekraft, an der Supermarktkasse, als Krankenhausarzt, hinterm Lkw-Lenkrad. Und deshalb wollen etliche Arbeitgeber ihren Mitarbeitern einen Bonus zahlen.

AKTUELL gibt das Bundesfinanzministerium bekannt, dass besondere Bonuszahlungen und Sachleistungen bis 1.500 EUR steuerfrei bleiben, also brutto für netto vereinnahmt werden können. Das Engagement der Arbeitnehmer während der Corona-Pandemie soll honoriert werden - nicht nur durch eine Sonderzahlung vom Arbeitgeber, sondern auch durch einen Steuerverzicht vom Staat (BMF-Schreiben vom 9.4.2020, IV C 5 - S 2342/20/10009).

  • Begünstigt sind Zuschüsse und Sachbezüge, die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern in der Zeit vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2020 gewähren (gemäß § 3 Nr. 11 EStG).
  • Voraussetzung ist, dass diese Leistungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.
  • Weitere Bedingungen werden nicht gefordert. Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Betroffenheit durch die Corona-Krise kann allgemein unterstellt werden, dass ein die Beihilfe und Unterstützung rechtfertigender Anlass im Sinne des R 3.11 Abs. 2 Satz 1 LStR vorliegt.
  • Die steuerfreien Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen.
  • Andere Steuerbefreiungen, Bewertungsvergünstigungen oder Pauschalbesteuerungsmöglichkeiten bleiben hiervon unberührt und können neben der hier aufgeführten Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG in Anspruch genommen werden. Dies betrifft beispielsweise Zuschüsse für Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen gemäß § 3 Nr. 34a EStG, Sachbezüge bis 44 EUR monatlich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG, Personalrabatte bis 1.080 EUR gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG.

HINWEIS: Wenn der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld für seine Mitarbeiter aufstockt, so fällt dieser Zuschuss nicht unter die Steuerbefreiung. Auch Zuschüsse, die der Arbeitgeber als Ausgleich zum Kurzarbeitergeld wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze leistet, fallen weder unter die vorstehende Steuerbefreiung noch unter § 3 Nr. 2a EStG.

 

8. Arbeitgeberzuschuss:
Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen

Kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die Kosten für außergewöhnliche Betreuungsleistungen, die aufgrund der Corona-Krise für pflegebedürftige Angehörige und Kinder entstehen, steuerfrei erstatten? Ja, dies ist tatsächlich möglich.

Seit 2015 gibt es eine relativ neue Steuervergünstigung, die jedoch noch kaum bekannt ist: Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf können zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Arbeitgeberleistungen bis zu einem Betrag von 600 EUR im Kalenderjahr je Arbeitnehmer steuerfrei bleiben. Der zusätzliche Betreuungsbedarf muss aus Anlass einer zwingenden und beruflich veranlassten kurzfristigen Betreuung eines Kindes unter 14 Jahren entstehen. Bei behinderten Kindern, die außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, und bei denen die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist, gilt dies auch, wenn das Kind 14 Jahre oder älter ist. Begünstigte Betreuungsleistungen liegen auch vor, wenn sich der Arbeitnehmer um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmert, auch wenn dies im privaten Haushalt des Arbeitnehmers stattfindet (§ 3 Nr. 34a EStG).

  • Das Vorliegen eines zusätzlichen Betreuungsbedarfes wird unterstellt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Corona-Krise zu außergewöhnlichen Dienstzeiten arbeitet oder die Regelbetreuung der Kinder infolge der zur Eindämmung der Corona-Krise angeordneten Schließung von Schulen und Betreuungseinrichtungen (aktuell z.B. Kindertagesstätten, Betriebskindergärten, Schulhorte) weggefallen ist.
  • Von einer kurzfristig zu organisierenden Betreuung ist so lange auszugehen, bis die entsprechenden Betreuungseinrichtungen ihren regulären Betrieb wieder aufnehmen können.
  • Bei Barleistungen des Arbeitgebers müssen dem Arbeitnehmer entsprechende Aufwendungen entstanden sein. Die steuerfreien Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen.

STEUERRAT: Die Steuerfreiheit gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber die Serviceleistungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt. Für Leistungen, die unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn (Entgeltumwandlung) erbracht werden, kann die Steuerfreiheit nicht beansprucht werden. Die Zweckbestimmung "verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie" muss der Arbeitgeber durch entsprechende Belege im Lohnkonto nachweisen.

Der Arbeitgeber kann also bestimmte Betreuungskosten, die kurzfristig aus zwingenden beruflichen Gründen entstehen, steuerfrei erstatten. Dazu gehören Aufwendungen für eine zusätzliche, außergewöhnliche - also außerhalb der regelmäßig üblicherweise erforderlichen - Betreuung, die z.B. durch dienstlich veranlasste Fortbildungsmaßnahmen des Arbeitnehmers, eines zwingenden beruflichen Einsatzes zu außergewöhnlichen Dienstzeiten oder bei Krankheit eines Kindes bzw. eines pflegebedürftigen Angehörigen notwendig werden. Begünstigt sind die Betreuungskosten auch dann, wenn sie im Privathaushalt des Arbeitnehmers anfallen.

Die vorteilhafte Arbeitgeberleistung gilt nicht pauschal für alle Arten von Betreuung. Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter im Betrieb unabkömmlich ist, während sein Kind betreut werden muss. Dies kann der Fall sein, wenn das Kind erkrankt und nicht zur Schule gehen kann, doch beide Elternteile wegen eines Termins auf der Arbeit unersetzlich sind. Muss nun kurzfristig ein Kindermädchen engagiert werden, kann der Arbeitgeber die Kosten hierfür steuerfrei übernehmen.

Weitere Informationen: Arbeitgeberleistungen für Kinderbetreuung und Kindergarten

 

9. Betriebsveranstaltung:
Keine Pauschalsteuer bei Feier nur für Führungskräfte

Betriebsfeiern sind eine schöne Sache, doch gerne möchte der Fiskus "mit am Tisch sitzen" und sieht in den Veranstaltungen einen geldwerten Vorteil der Arbeitnehmer. Dieser bleibt aber immerhin bis zu 110 EUR pro Veranstaltung und teilnehmendem Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei. Dies gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich. Und falls der anteilige Zuwendungsbetrag pro Arbeitnehmer höher als 110 EUR ist, kann der steuerpflichtige Vorteil statt individuell vom Arbeitgeber pauschal mit 25 % versteuert werden.

Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung ist, dass die Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Veranstaltungen, die nur für einen beschränkten Kreis der Arbeitnehmer von Interesse sind, sind nur dann begünstigt, wenn sich die Begrenzung des Teilnehmerkreises nicht als eine Bevorzugung bestimmter Arbeitnehmergruppen darstellt.

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass die Lohnsteuer für eine Jahresabschlussfeier, die ausschließlich für angestellte Führungskräfte ausgerichtet wird, nicht mit dem Pauschsteuersatz von 25 % erhoben werden darf (Urteil vom 20.2.2020, 8 K 32/19 E,P,L).

  • Der Fall: Der Arbeitgeber veranstaltete im Oktober 2015 eine Jahresabschlussfeier, zu der nur angestellte Führungskräfte eingeladen waren. Die Aufwendungen hierfür beliefen sich auf ca. 17.000 EUR und umfassten Speisen, Getränke, Dekoration und Unterhaltungsangebote. Diesen Betrag versteuerte der Arbeitgeber pauschal mit 25 % nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG. Dem folgte das Finanzamt nicht, da die Veranstaltung nicht allen Arbeitnehmern der Klägerin offen gestanden habe. Das FG Münster hat die Klage abgewiesen. Die gesamten Aufwendungen für die Jahresabschlussfeier führten unstreitig zu Arbeitslohn der Teilnehmer; dieser könne nicht pauschal versteuert werden.
  • Begründung: Die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung setze voraus, dass die Teilnahme allen Betriebsangehörigen offenstehe. Dies sei im Urteilsfall nicht erfüllt gewesen. Zweck der Pauschalbesteuerung sei es, eine einfache und sachgerechte Besteuerung der Vorteile zu ermöglichen, die bei der teilnehmenden Belegschaft im Ganzen, also von Arbeitnehmern aller Lohngruppen, anfielen.

STEUERRAT: Die Finanzrichter haben die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, so dass das letzte Wort möglicherweise noch nicht gesprochen ist. Unabhängig davon gilt: Falls eine Veranstaltung tatsächlich nicht als "Betriebsveranstaltung" zu beurteilen ist, ist der geldwerte Vorteil als Arbeitslohn individuell, das heißt mit dem jeweiligen Steuersatz der Arbeitnehmer, zu versteuern. Oder der Arbeitgeber versteuert die Leistung pauschal zum betriebsindividuellen Steuersatz gemäß § 40 Abs. 1 EStG (BFH-Urteil vom 15.1.2009, VI R 22/06).

Weitere Informationen: Betriebsveranstaltungen: Wann die Arbeitgeber-Wohltaten steuerfrei bleiben

 

II. Privater Bereich

1. Corona:
Steuererleichterungen zur Förderung der Corona-Hilfe

Die aufgrund der Corona-Krise verordneten Einschränkungen sind eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen engagieren sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für die Eindämmung der Ausbreitung der Pandemie und für diejenigen, für die die Erledigungen des Alltags plötzlich mit zuvor nie dagewesenen Gefährdungen verbunden sind.

AKTUELL will das Bundesfinanzministerium das gesamtgesellschaftliche Engagement bei der Corona-Hilfe unterstützen und gewährt dazu "steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene". Diese gelten für die Zeit vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2020 (BMF-Erlass vom 9.4.2020, IV C 4 -S 2223/19/10003).

Es geht um folgende Steuererleichterungen:

  • Spenden: Vereinfachter Zuwendungsnachweis
  • Spenden: Spendensammlungen durch Einzelpersonen
  • Spende von Arbeitslohn
  • Gemeinnützige Vereine: Spendenaktionen zugunsten der Corona-Hilfe
  • Gemeinnützige Vereine: Verwendung von Vereinsgeldern für Corona-Hilfe
  • Gemeinnützige Vereine: Hilfsleistungen zugunsten der Corona-Hilfe
  • Gemeinnützige Vereine: Verluste in wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben
  • Zuwendungen durch Selbstständige und Unternehmer
  • Direkte Unterstützung eines Geschädigten

Ausführliche Erläuterungen zu den einzelnen Punkten bietet unser Beitrag

- Corona-Krise im Jahre 2020: Steuererleichterungen zur Förderung der Corona-Hilfe

 

2. Ticketverkauf:
Gewinne aus dem Verkauf von Finaltickets sind zu versteuern

Es klingt aus heutiger Sicht fast seltsam: Doch bis vor wenigen Wochen waren Tickets für Fußballspiele äußerst begehrt und mitunter konnten diese weit über dem tatsächlichen Preis mittels Ticketplattformen an andere Fußballfans weiterverkauft werden. Besonders galt dies für Finaltickets.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Gewinn aus dem Verkauf eines kurz zuvor selbst erworbenen Tickets für ein Spiel der UEFA Champions League der Einkommensteuer unterliegt (BFH-Urteil vom 29.10.2019, IX R 10/18).

  • Der Fall: Die Kläger hatten im April 2015 über die offizielle UEFA-Webseite zwei Tickets für das Finale der UEFA Champions League in Berlin zugelost bekommen (Anschaffungskosten: 330 EUR) und diese im Mai 2015 über eine Ticketplattform wieder veräußert (Veräußerungserlös abzüglich Gebühren 2.907 EUR). Entgegen der Auffassung der Kläger, die von der Steuerfreiheit des Veräußerungsgeschäfts ausgingen, erfasste das Finanzamt den Gewinn in Höhe von 2.577 EUR bei deren Einkommensteuerfestsetzung. Das Finanzgericht gab den Klägern zwar Recht. Der BFH folgte dem aber nicht; er entschied, dass die Kläger mit der Veräußerung der beiden Tickets ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwirklicht haben. Einkünfte aus solchen privaten Veräußerungsgeschäften, früher auch als Spekulationsgewinne bezeichnet, unterliegen der Einkommensteuer.
  • Begründung: Zu den steuerpflichtigen "Spekulationsgeschäften" gehören u.a. Veräußerungen von sog. "anderen Wirtschaftsgütern" des Privatvermögens, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Von der Besteuerung ausgenommen sind Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs. "Andere Wirtschaftsgüter" in diesem Sinne sind sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind. Hierzu zählen auch UEFA Champions League-Tickets, mit denen der Karteninhaber das verbriefte Recht auf Zutritt zum Fußballstadion und Besuch des Fußballspiels an dem auf dem Ticket angegebenen Tag erwirbt. Die Tickets stellen nach Auffassung des BFH insbesondere keine "Gegenstände des täglichen Gebrauchs" dar, so dass sie nicht von der Besteuerung ausgenommen sind.

STEUERRAT: Das Gesagte gilt nicht nur für Fußballtickets, sondern gleichermaßen für Eintrittskarten anderer Veranstaltungen, insbesondere Konzerttickets. Gewinne bleiben aber steuerfrei, wenn der aus den privaten Veräußerungsgeschäften erzielte Gesamtgewinn im Kalenderjahr weniger als 600 EUR betragen hat.

 

III. Kinder

1. Rückforderung von Kindergeld:
Teilerlass bei Mitverschulden der Familienkasse

Wer ungerechtfertigt Kindergeld bezogen hat, muss dieses selbstverständlich zurückzahlen, wenn die Familienkasse den Fall - erneut - prüft und die fälschliche Auszahlung feststellt. Zugegebenermaßen kommt es sehr oft aufgrund falscher Angaben der Antragsteller zur nicht gerechtfertigten Zahlung des Kindergeldes. Doch zuweilen ist die Rückforderung "nur" durch die mangelnde Mitwirkung von Eltern oder Kindern begründet, etwa weil bestimmte Unterlagen nicht oder verspätet bei der Familienkasse eingereicht worden sind.

Die hohen Rückforderungen treffen Eltern und Kinder zumeist empfindlich und - wenn es ganz schlecht läuft - können anstelle des Kindergeldes auch keine Sozialleistungen beantragt werden. Das heißt: Sind Sozialleistungen - wegen der vermeintlichen Zahlung von Kindergeld - gekürzt worden, so können diese - nach Rückzahlung des Kindergeldes - nun nicht ohne Weiteres nachgefordert werden. In diesen Fällen könnte ausnahmsweise ein Erlass der Kindergeld-Rückforderung aus Billigkeitsgründen in Betracht kommen. Allerdings tun sich die Familienkassen mit einem solchen Erlass schwer.

AKTUELL hat das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht entschieden, dass zumindest dann ein teilweiser Erlass der Nachzahlung in Betracht kommt, wenn die Familienkasse ein Mitverschulden an der Höhe der Rückforderungsbetrages trifft (Urteil vom 25.3.2019, 3 K 9/18).

  • Der Fall: Ein Kind erhielt Leistungen nach dem SGB II vom Jobcenter mit der Folge, dass das - zunächst festgesetzte - Kindergeld komplett angerechnet wurde. Das Kind war "abzweigungsberechtigt", das heißt, die Leistungen gingen nicht an die Eltern, sondern unmittelbar an das Kind. Dieses war zwar bei der Bundesagentur für Arbeit (Jobcenter) ausbildungsplatzsuchend gemeldet, hatte es aber unterlassen, sich zu bewerben. Die Familienkasse ließ zwei Prüfhinweise unbearbeitet und so dauerte es rund ein Jahr, bis das Kindergeld zurückgefordert wurde. Das Kind stellte einen Antrag auf Erlass des Rückforderungsbetrages von 2.830 EUR. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Die Finanzrichter hingegen ließen einen Erlass in Höhe von 1.890 EUR zu.
  • Begründung: Der hohe Nachzahlungsbetrag sei nur entstanden, weil die Bearbeitungshinweise nicht beachtet wurden. Zudem könne der Kläger im Nachhinein auch keine SGB II-Leistungen mehr beantragen. Das abzweigungsberechtigte Kind müsse das Kindergeld zurückzahlen, bekomme das Jobcentergeld aber nicht rückwirkend ausbezahlt. Diese auch in den Familienkassen bekannte Problematik verpflichte die Familienkassen in besondere Maße, die Prüfungsanstöße des internen Systems zu beachten. Die unterlassene interne Überprüfung der Kindergeldvoraussetzungen lasse die Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Kindergeldberechtigten derart zurücktreten, dass nur ein Erlass des dadurch erhöhten Rückforderungsbetrages ermessensgerecht ist (Ermessensreduzierung auf Null).

STEUERRAT: Zwischenzeitlich liegt die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen III R 45/19 vor. In ähnlichen Fällen sollten Sie einen (Teil-)Erlass des Rückforderungsanspruchs beantragen und sich auf das aktuelle Verfahren berufen. Der BFH hat allerdings in seinem Urteil vom 13.9.2018 (III R 48/17, BStBl 2019 II S. 189) eine recht strenge Sichtweise eingenommen und maßgeblich auf die Mitwirkungspflicht des Kindergeldberechtigten abgestellt.

 

IV. Nebentätigkeit

1. Übungsleiterfreibetrag:
Gilt auch für reaktivierte Ärzte und Pfleger im Ruhestand

In der Corona-Krise versorgen oftmals Ärzte bzw. Ärztinnen und Pfleger bzw. Pflegerinnen im Ruhestand für ein Gesundheitsamt oder ein staatliches oder gemeinnütziges Krankenhaus Patienten. Die Frage ist, ob sie den Übungsleiterfreibetrag von 2.400 EUR gemäß § 3 Nr. 26 EStG in Anspruch nehmen können.

Die ärztliche Versorgung von kranken Menschen zählt zu den begünstigten Tätigkeiten, für die der Übungsleiterfreibetrag anzuwenden ist. Daher sind die Einnahmen aus dieser Tätigkeit in Höhe von bis zu 2.400 EUR im Kalenderjahr steuerfrei, wenn folgende weitere Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die regelmäßige Wochenarbeitszeit beträgt nicht mehr als 14 Stunden.
  • Der Auftraggeber ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts (z.B. ein Gesundheitsamt oder ein staatliches Krankenhaus) oder eine wegen der Förderung steuerbegünstigter Zwecke (gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich) anerkannte Einrichtung (etwa ein gemeinnütziges Krankenhaus).

Übt der Arzt mehrere begünstigte Tätigkeiten aus, wird der Übungsleiterfreibetrag nur einmal gewährt. Die Einnahmen aus allen begünstigten Tätigkeiten sind bis 2.400 EUR steuerfrei. Wurden Ausgaben getätigt, die mit der begünstigten Tätigkeit in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, können diese steuerlich nur berücksichtigt werden, soweit sie den Übungsleiterfreibetrag übersteigen. Die Pflege kranker Menschen ist ebenfalls begünstigt. Pfleger im Ruhestand erhalten daher den Übungsleiterfreibetrag unter den gleichen Voraussetzungen wie Ärzte im Ruhestand.

STEUERRAT: Die gleiche Regelung gilt auch für Ärzte und Pfleger, deren Beschäftigungsverhältnis z.B. wegen einer Elternzeit oder eines unbezahlten Urlaubs ruht, die infolge der Corona-Krise für ein Gesundheitsamt oder ein staatliches oder steuerbegünstigtes Krankenhaus Patienten versorgen.

 

2. Nebentätigkeit:
Verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeit während der Kurzarbeit

Wer derzeit in Kurzarbeit ist, darf sich im Zeitraum vom 1.4. bis zum 31.10.2020 in "systemrelevanten Branchen" etwas dazuverdienen, ohne dass der Verdienst auf das Kurzarbeitergeld angerechnet wird. Voraussetzung ist jedoch, dass der aus der Hauptbeschäftigung noch gezahlte Verdienst zusammen mit dem Kurzarbeitergeld und dem Verdienst aus dem Minijob das normale Bruttoeinkommen nicht übersteigt. Die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommenen Beschäftigungen sind versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung. Durch die Regelung soll ein Anreiz geschaffen werden, auf freiwilliger Basis vorübergehend Tätigkeiten in diesen Bereichen aufzunehmen (§ 421c SGB III, eingefügt durch das "Sozialschutzpaket-Gesetz" vom 27.3.2020).

Was sind "systemrelevante Branchen"? Das sind Branchen und Berufe, die für das öffentliche Leben, die Sicherheit und Versorgung der Menschen unabdingbar sind. Hierzu zählen folgende Bereiche (lt. BMAS vom 31.3.2020):

  • Energie: Strom-, Gas-, Kraftstoffversorgung inklusive Logistik (z.B. kommunale Energieversorger), Wasser und Entsorgung, hoheitliche und privatrechtliche Wasserversorgung sowie die Müllentsorgung (z.B. Müllwerker, Wasserwerke, Kläranlage).
  • Ernährung & Hygiene: Produktion, Groß- und Einzelhandel inklusive Zulieferung, Logistik (z.B. Landwirte, Erntehelfer, Verkäufer).
  • Informationstechnik & Telekommunikation: insbesondere Netze entstören und aufrecht erhalten (z.B. Informatiker, Systemelektroniker).
  • Gesundheit: Krankenhäuser, Rettungsdienste, Pflege, niedergelassener Bereich, Medizinproduktehersteller, Arzneimittelhersteller, Apotheken, Labore.
  • Finanz- & Wirtschaftswesen: Kreditversorgung der Unternehmen, Bargeldversorgung, Sozialtransfers.
  • Transport & Verkehr: insbesondere Betrieb für kritische Infrastrukturen, öffentlicher Personen- und Güterverkehr sowie Flug- und Schiffsverkehr.
  • Medien: insbesondere Nachrichten- und Informationswesen sowie Risiko- und Krisenkommunikation.
  • Staatliche Verwaltung (Bund, Land, Kommune).
  • Kernaufgaben der öffentlichen Verwaltung & Justiz (z. B. Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz).
  • Schulen, Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe: Personal, das die notwendige Betreuung in Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege, stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sicherstellt.

Diese Liste ist angelehnt an die "Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen nach dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz)".

 

3. Bewerbung um politisches Mandat:
Wahlkampfkosten steuerlich nicht abziehbar

Wenn sich ein Bürger um ein politisches Mandat bewirbt, entstehen ihm mitunter persönlich hohe Kosten für seinen Wahlkampf. Doch können diese Aufwendungen steuerlich als Werbungskosten abgezogen werden?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass (erfolglose) Bewerber um ein Mandat im Europäischen Parlament ihre Wahlkampfkosten steuerlich nicht abziehen können (BFH-Urteil vom 10.12.2019, IX R 32/17).

  • Der Fall: Die Klägerin nahm als Kandidatin auf der Liste ihrer Partei zur Europawahl teil. Da der Listenplatz nach dem Wahlergebnis nicht für ein Mandat im Parlament ausreichte, erhielt sie die Position eines Nachrückers für den Fall des Ausscheidens eines der gewählten Abgeordneten ihrer Partei. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Kandidatur entstandene Kosten für Fahrten mit dem eigenen Pkw, Übernachtungen, Verpflegungsmehraufwand, Arbeitsmittel, Umzugskosten sowie Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung, Telefon und Internet als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften geltend. Das Finanzamt und nachfolgend auch das Finanzgericht lehnten eine Berücksichtigung als Werbungskosten ab.
  • Der BFH hat die von der Klägerin aufgewandten Kosten als Wahlkampfkosten eingeordnet und den Abzug als Werbungskosten ebenfalls abgelehnt. Nach der einschlägigen Regelung im Einkommensteuergesetz (§ 22 Nr. 4 Satz 3 EStG) dürfen Wahlkampfkosten zur Erlangung eines Mandats im Bundestag, im Europäischen Parlament oder im Parlament eines Landes nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kandidatur erfolgreich war oder nicht. Zu den Wahlkampfkosten zählen alle Aufwendungen, die zur Erlangung oder Wiedererlangung eines Mandats getätigt werden. Dies gilt auch für die Kosten zur Erlangung des Kandidatenstatus, die organisatorische Vorbereitung als Kandidatin sowie die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Nachrückerstatus.
  • Der Gesetzgeber hat von der steuerlichen Berücksichtigung der Wahlkampfkosten u.a. deshalb abgesehen, weil der Steuervorteil je nach Höhe des individuellen Einkommens unterschiedlich hoch ausfallen würde und dadurch der Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlbewerber beeinträchtigt wäre. Den Parteien wird stattdessen bei Erreichen bestimmter Stimmenanteile pauschal eine steuerfreie Wahlkampfkostenerstattung gezahlt. Diese Erstattung kommt auch den Wahlbewerbern der Parteien zugute.

 

V. Eigenheim und Vermietung

1. Kauf einer Immobilie:
Aufteilung des Kaufpreises mit Arbeitshilfe vom Fiskus

Wer ein Gebäude oder eine Eigentumswohnung kauft, erwirbt gleichzeitig auch den dazu gehörigen Grund und Boden mit. Falls die Immobilie vermietet werden soll, können die Anschaffungskosten im Wege der Abschreibung als Werbungskosten abgesetzt werden. Wohlgemerkt: Die Abschreibung ist nur möglich auf den Gebäudeanteil, nicht jedoch auf den Bodenanteil. Allein zu diesem Zweck muss der Gesamtkaufpreis auf das Gebäude und auf den Grund und Boden aufgeteilt werden. Die Kaufpreisaufteilung können entweder Käufer und Verkäufer bereits im Kaufvertrag festlegen, oder aber der Käufer muss die Aufteilung in seiner ersten Steuererklärung nach dem Erwerb vornehmen. Vor allem im zweiten Fall führt die Kaufpreisaufteilung häufig zu Streitereien mit dem Finanzamt, weil der Käufer den Gebäudeanteil und der Fiskus den Bodenanteil möglichst hoch ansetzen will.

Nach BFH-Rechtsprechung ist ein Gesamtkaufpreis für ein bebautes Grundstück nicht nach der sog. Restwertmethode, sondern nach dem Verhältnis der Verkehrswerte oder Teilwerte auf den Grund und Boden einerseits sowie das Gebäude andererseits aufzuteilen (z.B. BFH-Urteil vom 10.10.2000, IX R 86/97).

AKTUELL stellen die Finanzbehörden von Bund und Ländern mit Stand März 2020 eine verbesserte Arbeitshilfe als Excel-Datei zur Verfügung, die es ermöglicht, in einem typisierten Verfahren entweder eine Kaufpreisaufteilung selbst vorzunehmen oder zu überprüfen, ob das Finanzamt eine Kaufpreisaufteilung korrekt vorgenommen hat. Zusätzlich steht eine Anleitung für die Berechnung zur Aufteilung eines Grundstückskaufpreises bereit (BMF-Schreiben vom 2.4.2020).

STEUERRAT: Bei der Aufteilung des Gesamtkaufpreises muss Ihnen daran gelegen sein, dass ein möglichst großer Batzen davon auf das Gebäude bzw. die Eigentumswohnung entfällt und der Anteil für den Grund und Boden möglichst gering ist. Es lohnt sich, von Anfang an die Weichen richtig zu stellen. Dies ist am leichtesten möglich, wenn Sie bereits im Kaufvertrag den Preis auf Grundstück und Gebäude aufteilen. Das Finanzamt wird im Allgemeinen diese Werte übernehmen, "solange dagegen keine nennenswerten Zweifel bestehen" (BFH-Urteil vom 10.10.2000, IX R 86/97).

Damit Sie den Gesamtkaufpreis selber ermitteln oder die Berechnung des Finanzamtes überprüfen können, steht hier die Arbeitshilfe mitsamt Anleitung zum Abruf bereit:

STEUERRAT: AKTUELL hält das Finanzgericht Berlin-Brandenburg die Excel-Arbeitshilfe der Finanzverwaltung zwar generell für geeignet, um einen Gesamtkaufpreis auf den Gebäude- und den Grund und Boden-Anteil aufzuteilen (Urteil vom 14.8.19, 3 K 3137/19). ABER: Es liegt zwischenzeitlich die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Az. IX R 26/19 vor. Dieser muss also entscheiden, ob die genannte Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung) grundsätzlich für die Wertaufteilung geeignet ist. Der zuständige Senat des BFH hat das Bundesfinanzministerium zwischenzeitlich zum Beitritt zu diesem Verfahren aufgefordert.

Wer der Auffassung ist, dass die Kaufpreisaufteilung des Finanzamts in seinem Fall zu einem unzutreffenden Ergebnis geführt hat, sollte gegen seinen aktuellen Steuerbescheid und auch gegen die Folgebescheide Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen, bis der BFH in der o.g. Sache entschieden hat. Ungeachtet dessen sollte in aktuellen Fällen die Kaufpreisaufteilung - wie erwähnt - bereits im Kaufvertrag vorgenommen werden. Dabei kann es sich übrigens auch anbieten, den Preis einer miterworbenen Einbauküche oder einer Markise gesondert auszuweisen (vgl. Steuertipp der Woche Nr. 42: So sparen Sie Grunderwerbsteuer).

Weitere Informationen: Erwerb einer Immobilie: Aufteilung des Gesamtkaufpreises

 

2. Schrottimmobilien:
Steuerliche Folgen eines zivilrechtlichen Vergleichs

Auch heute noch gibt es skrupellose Immobilienveräußerer und -vermittler, die unbedarften Käufern so genannte Schrottimmobilien andrehen, also Wohnungen oder Gebäude, bei denen Kaufpreis und tatsächlicher Wert weit auseinanderklaffen. Zumindest in der Vergangenheit haben einige Banken oder deren Berater das perfide Spiel mitgespielt und den Käufern Darlehen mit hohen Zinsen für die Schrottimmobilien gewährt, wohlwissend, dass der Kaufpreis unangemessen ist. Sie haben die Käufer bewusst in die (Schulden-)Falle tappen lassen oder dies billigend in Kauf genommen. Zahlreiche Käufer haben sich gegen die Kreditinstitute zur Wehr gesetzt. Vielfach kam es in diesem Zuge zu Vergleichen, in denen die Banken letztlich auf einen Teil ihrer Darlehensansprüche sowie auf fällige Zinsen verzichten mussten. Wie fast alles im Leben hat aber auch der Darlehens- und Zinsverzicht eine steuerliche Komponente und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Fiskus seinen Teil von den erlassenen Zinsen abhaben möchte.

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg aber zugunsten der Käufer entschieden, dass sich ein Darlehenserlass in den betroffenen Fällen nur unter bestimmten Voraussetzungen steuererhöhend auswirkt. Bei einem Vergleich im Zusammenhang mit einer "drückervermittelten Schrottimmobilien-Finanzierung" sind die erlassenen Zinsen keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (Urteil vom 26.7.2019, 13 K 1991/17).

  • Der Fall: Der Kläger hatte im Jahr 1995 eine mit zwei Bankdarlehen finanzierte Eigentumswohnung erworben, die er anschließend vermietete. Im Dezember 2010 stellte der Kläger seine Zins- und Tilgungszahlungen ein. Die Bank betrieb daraufhin die Zwangsvollstreckung in Höhe der Restschuld von rund 150.000 EUR. Der Kläger erhob Vollstreckungsgegenklage und machte geltend, die Bank habe sich ihre Darlehensansprüche im Zusammenhang mit einer "drückervermittelten Schrottimmobilien-Finanzierung" durch arglistige Täuschung verschafft. Der Kaufpreis für die 46,83 qm große Wohnung habe 284.000 DM (145.206 EUR) betragen, die nach einem späteren Wertgutachten lediglich 68.100 EUR wert gewesen sei. Im Rahmen eines im Dezember 2012 geschlossenen Vergleichs leistete der Kläger eine Einmalzahlung von 88.000 EUR und die Bank verpflichtete sich, die Darlehen gegen den Kläger nicht weiter geltend zu machen. Das Finanzamt erhöhte die Einnahmen des Klägers aus Vermietung und Verpachtung, weil ihm durch den Vergleich seine Bankschulden zum Teil erlassen worden seien. Die "Erlasssumme" sei im Streitjahr 2012 teilweise als Rückzahlung von Schuldzinsen zu behandeln und erhöhe daher die Vermietungseinkünfte des Klägers. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
  • Das Finanzgericht entschied, der Vergleich rechtfertige nicht die Annahme, die Bank habe dem Kläger überzahlte Schuldzinsen oder einen überhöhten Kaufpreis erstatten wollen. Der Vergleich habe die rechtliche Wirksamkeit der Darlehensverträge vielmehr bestätigt. Gegen eine Rückabwicklung spreche auch, dass der Kläger die Eigentumswohnung behalten habe. Der bloße Umstand, dass Hintergrund und Motiv der Vergleichsvereinbarung möglicherweise bestehende Schadensersatzansprüche gewesen seien, reiche nicht aus um anzunehmen, die Bank habe mit dem Verzicht auf die weitere Geltendmachung der Darlehen Schadensersatzansprüche im Wege einer Verrechnung abgelten wollen. Hierfür wäre erforderlich gewesen, dass die Bank entsprechende Ansprüche zumindest dem Grunde nach anerkannt und eine Aufrechnung zumindest konkludent erklärt hätte oder ein entsprechender Verrechnungsvertrag geschlossen worden wäre. Das sei nicht der Fall. Der Vergleich enthalte keine Regelungen zu einer einzelfallbezogenen Schadensermittlung.

STEUERRAT: Gegen das Urteil ist die Revision beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. IX R 32/19). Bis zu einer abschließenden Entscheidung sollten Sie in ähnlich gelagerten Fällen Einspruch einlegen und unter Berufung auf das genannte Aktenzeichen ein Ruhen Ihres eigenen Verfahrens beantragen.

 

3. Wohnungsbrand:
Versicherungserstattung nach außergewöhnlicher AfA

Neben der "normalen" Abschreibung kann bei vermieteten Immobilien eine außergewöhnliche Abschreibung vorgenommen werden, wenn sich Schäden aufgrund außerordentlicher Ereignisse ergeben. Zumeist sind dies Sturm-, Wasser oder Brandschäden. Die Abschreibung wird kurz als AfaA (Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung) bezeichnet. Glück im Unglück hat natürlich derjenige, der eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat, die den Schaden ganz oder zumindest teilweise ersetzt. Grundsätzlich gilt, dass eine Versicherungsleistung, bei der der zugrundeliegende Schaden zuvor als Werbungskosten berücksichtigt wurde, zu versteuern ist (BFH 13.7.2000, VI B 184/99 u. 2.12.2014, XI R 1/14). Doch ein Hausbesitzer wollte sich mit diesem Ergebnis nicht zufrieden geben und ist vor das Hessische Finanzgericht gezogen.

AKTUELL hat das Hessische FG wie folgt entschieden: Entschädigungszahlungen einer Feuerversicherung bei einem im Privatvermögen gehaltenen, vermieteten Grundstück gehören zwar grundsätzlich nicht zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, denn sie werden nicht für die Nutzungsüberlassung geleistet, sondern betreffen im Regelfall die nicht steuerbare Vermögensebene. Sie mindern auch nicht die Herstellungskosten für den Wiederaufbau des durch Brand zerstörten Gebäudes (vgl. BFH-Urteil vom 1.12.1992, IX R 333/87). Ausnahmsweise sind jedoch Einnahmen anzunehmen, soweit die Leistung der Versicherung letztlich Werbungskosten ersetzt. Dies gilt etwa für Leistungen, bei denen zuvor eine AfaA vorgenommen worden ist (Hessisches FG, Urteil vom 25.9.2019, 5 K 600/15).

STEUERRAT: Die Entschädigungsleistung der Versicherung ist im Leistungsjahr als "Einnahme" aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern, wenn sie erst im Jahr nach dem Schadensfall gezahlt wird. Steuerpflichtig ist die Versicherungsleistung aber nur bis zu der Höhe, in der der Schaden im Vorjahr als Werbungskosten berücksichtigt wurde (BFH-Urteil vom 13.7.2000, BFH/NV 2000 S. 1470). Jedenfalls wird der Steuerbescheid des Schadensjahres wegen der Erstattung nicht nachträglich geändert.

Im Urteilsfall ist übrigens die Revision zugelassen, aber nicht eingelegt worden. Diese hätte aber nicht in erster Linie die Frage betroffen, ob die Versicherungsleistung dem Grunde nach zu versteuern war. Vielmehr ging es in dem recht komplizierten Fall auch um die persönliche Zurechnung der Versicherungsleistungen, da der Vater das Grundstück bereits teilweise unter Vorbehaltsnießbrauch auf seine Kinder übertragen hatte.

 

VI. Renten und Pensionen

1. Hinzuverdienstgrenze:
Üppige Erhöhung für Frührentner im Jahre 2020

Wer vor der Regelaltersgrenze eine gesetzliche Rente bezieht und noch einer Beschäftigung nachgeht, darf nicht mehr als 6.300 EUR (das sind 14 x 450 EUR) im Jahr hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird. Dies gilt für langjährig Versicherte ab 63 Jahre (nach 35 Versicherungsjahren), für besonders langjährig Versicherte mit 63 ohne Rentenabschlag (nach 45 Versicherungsjahren), für Schwerbehinderte sowie für Erwerbsminderungsrentner.

Durch die Corona-Krise besteht ein besonders hoher Bedarf an medizinischem Personal. Aber auch in anderen systemrelevanten Bereichen kann es zu Personalengpässen aufgrund von Erkrankungen oder Quarantäneanordnungen kommen. Nun will die Bundesregierung für Rentner die Weiterarbeit oder Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach Renteneintritt erleichtern.

AKTUELL wird im Zeitraum vom 1.1.2020 bis 31.12.2020 für Frührentner mit einer vorgezogenen Altersrente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze die jährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300 EUR auf 44.590 EUR angehoben. Der sog. Hinzuverdienstdeckel gemäß § 34 SGB VI ist für das Kalenderjahr 2020 nicht anzuwenden. Einkünfte bis zu dieser Höhe bewirken keine Kürzung der Rente (§ 34 Abs. 8 SGB VI, eingefügt durch das "Sozialschutzpaket-Gesetz" vom 27.3.2020).

  • Ein Rentner, der die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht und in diesem Jahr noch nicht gearbeitet hat, dürfte damit in den kommenden neun Monaten dieses Jahres monatlich fast 5.000 EUR neben der vollen Rente hinzuverdienen. Der Altersvollrentner kann theoretisch mit einer auf 5 Monate befristeten Beschäftigung, die nicht berufsmäßig ist, einen Verdienst bis zu 44.590 Euro erzielen, ohne Sozialabgaben zu zahlen und eine Kürzung seiner Rente befürchten zu müssen. Ab 2021 gilt dann wieder die bisherige Hinzuverdienstgrenze von 6.300 EUR pro Kalenderjahr.
  • Die Zeitgrenzen für eine kurzfristige Beschäftigung in der Zeit vom 1. März bis zum 31. Oktober 2020 werden auf fünf Monate oder 115 Arbeitstage erweitert. Für eine kurzfristige Beschäftigung werden keine Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt und somit auch keine Rentenanwartschaften erworben. Dabei spielt die Höhe des Verdienstes keine Rolle.
  • Die Erhöhung der Hinzuverdienstgrenze gilt nicht für Frührentner, die eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen, und nicht bei der Anrechnung von Einkommen auf Hinterbliebenenrenten.

STEUERRAT: Frührentner, die eine neue Beschäftigung aufnehmen, sind voll sozialversicherungspflichtig. Das bedeutet auch: Ihre Rente erhöht sich durch die während des Rentenbezugs weiter gezahlten Rentenbeiträge nochmals deutlich.

Kann ein Frührentner im Minijob mehr verdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird?

Da die Hinzuverdienstgrenze für Frührentner für das Jahr 2020 von 6.300 EUR auf 44.590 EUR angehoben wird, können Rentner im Minijob auch mehr verdienen, sofern die Voraussetzungen für den Minijob weiterhin erfüllt werden. Dies ist in der Zeit vom 1. März bis 31. Oktober 2020 der Fall

  • im Rahmen einer kurzfristigen Beschäftigung, wenn die Beschäftigung auf längstens 5 Monate bzw. 115 Arbeitstage (regulär 3 Monate oder 70 Arbeitstage) befristet ist und nicht berufsmäßig ausgeübt wird.
  • im Rahmen eines geringfügigen Minijobs, wenn die Verdienstgrenze von 450 EUR bis zu 5 Monate (regulär 3 Monate) überschritten wird und das Überschreiten der Entgeltgrenze unvorhersehbar ist.

 

2. Betriebliche Altersversorgung:
Begünstigte Auszahlung nach Arbeitsplatzverlust

Wer bei Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung erhält, kann diese nach der so genannten Fünftelregelung ermäßigt besteuern, das heißt der Steuersatz auf die Abfindung vermindert sich - vorausgesetzt natürlich, dass der Arbeitnehmer nicht ohnehin im Bereich des Spitzensteuersatzes liegt. Allerdings darf die Abfindung grundsätzlich nicht in Teilbeträgen ausgezahlt werden, sondern muss dem Arbeitnehmer zusammengeballt in einem Jahr zufließen.

Nun bestehen Abfindungsvereinbarungen nicht immer nur aus einem einfachen Vertrag, sondern - gerade in Konzernen - können diese durchaus etwas komplizierter sein, zum Beispiel indem eine sofortige Einmalzahlung mit einer Zahlung in die betriebliche Altersversorgung gekoppelt wird, die wiederum erst einige Jahre später zur Auszahlung gelangt. Ist in diesem Fall dennoch die Fünftelregelung für die erste Einmalzahlung und die spätere Auszahlung aus der Altersversorgung zu gewähren?

AKTUELL hat das Finanzgericht München entschieden, dass die teilweise Umwandlung einer Abfindung zugunsten der betrieblichen Altersversorgung (konkret: einer Direktzusage des Unternehmens) für die Fünftelregelung unschädlich ist. Auch die spätere Auszahlung des Versorgungsguthabens steht der Anwendung der Tarifermäßigung nicht entgegen (Urteil vom 5.12.2019, 10 K 2705/18).

  • Der Fall: Die Klägerin war bis Mai 2013 bei einem Konzern beschäftigt. Dieser hatte bereits ein betriebliches Versorgungswerk zur Schaffung einer zusätzlichen Altersvorsorge eingerichtet. Im Jahr 2013 erhielt die Klägerin von ihrem Arbeitgeber wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung. Von der vereinbarten Abfindungssumme von insgesamt rund 361.500 EUR wurden im Wege der Entgeltumwandlung 120.000 EUR in ein so genanntes Aufbaukonto der betrieblichen Altersversorgung eingezahlt. Es handelt sich hierbei um eine Direktzusage des Unternehmens im Rahmen eines Pensionsplans; die Leistungen aus dem Aufbaukonto werden unmittelbar vom Unternehmen erbracht. Die Zahlungen in die betriebliche Altersversorgung im Jahr 2013 wurden nach § 3 Nr. 63 EStG von der Besteuerung ausgenommen; der Restbetrag wurde ermäßigt besteuert (Fünftelregelung). Die steuerliche Behandlung im Jahr 2013 war offenbar unstreitig. Im Jahr 2015 erhielt die Klägerin aber das auf dem Aufbaukonto ausgewiesene Versorgungsguthaben in Höhe von nunmehr 144.000 EUR nebst Zinsen als Einmalbetrag ausbezahlt. Daneben bezog die Klägerin vom Arbeitgeber in 2015 sowie in den Folgejahren bis zum 31. Mai 2019 Überbrückungsgeld wegen voller Erwerbsminderung. Für die im Jahr 2015 zugeflossene Auszahlung des Versorgungsguthabens beantragte die Klägerin gleichfalls die ermäßigte Besteuerung. Dies lehnte das Finanzamt ab; die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.
  • Begründung: Der Annahme außerordentlicher Einkünfte steht nicht entgegen, dass sich das Versorgungsguthaben im Wesentlichen aus dem Teil des Abfindungsanspruchs zusammensetzte, der im Jahr 2013 für den Verlust des Arbeitsplatzes umgewandelt worden ist. Es handelt sich insoweit nicht um eine schädliche Auszahlung in zwei Teilbeträgen. Die auf dem Aufbaukonto gutgeschriebenen und mit einem Bonuszins verzinsten Kapitalbausteine entsprechen im Ergebnis einem beim Arbeitgeber aus bereits erdienten Lohnansprüchen angelegten Sparbuch, über dessen Auszahlung der Mitarbeiter entscheiden kann. Letztlich beruhte die Vereinbarung der betrieblichen Altersversorgung auf einem eigenen Rechtsgrund. An der "Zusammenballung" und damit der "Außerordentlichkeit" der Einkünfte fehlt es auch nicht deshalb, weil die Klägerin neben der Auszahlung des auf dem Aufbaukonto angesparten Versorgungsguthabens im Streitjahr und den Folgejahren fortlaufend ein Überbrückungsgeld bezogen hat. Ohne Bedeutung ist ferner, dass die Geltendmachung der Kapitalabfindung bereits in der Konzernbetriebsvereinbarung vertraglich vorgesehen war.

STEUERRAT: Gegen das Urteil liegt mittlerweile die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Az. IX R 3/20 vor. Sofern das Finanzamt bei Ihnen in einem ähnlichen Fall die Fünftelregelung verweigert hat, sollten Sie unter Hinweis auf das Verfahren beim BFH Einspruch einlegen und ein Ruhen Ihres eigenen Falles beantragen.

Weitere Informationen: Abfindung wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses

 

VII. Selbstständige

1. Gewerbesteuer:
Externe Datenschutzbeauftragte sind gewerbliche Unternehmer

Rechtsanwälte mit IT-Kenntnissen werden von Unternehmen gerne als externe Datenschutzbeauftragte eingesetzt, da sie zum einen ganz praktische Empfehlungen zur Handhabung des Datenschutzes geben, zum anderen aber auch juristische Fragen zu dem Thema beantworten können. Selbstständige Rechtsanwälte sind grundsätzlich freiberuflich tätig und müssen daher keine Gewerbesteuer zahlen. Doch gilt dies auch für die Einnahmen aus der Tätigkeit als externe Datenschutzbeauftragte?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein externer Datenschutzbeauftragter gewerblicher Unternehmer ist, auch wenn er zugleich als Rechtsanwalt tätig ist. Es liegt keine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 EStG vor. Der externe Datenschutzbeauftragte ist daher gewerbesteuerpflichtig und - bei Überschreiten bestimmter Gewinngrenzen - auch buchführungspflichtig (BFH-Urteil vom 14.1.2020, VIII R 27/17).

  • Der Fall: Der Kläger war als selbstständiger Rechtsanwalt im Bereich des IT-Rechts tätig. Daneben arbeitete er für verschiedene größere Unternehmen als externer Datenschutzbeauftragter. Das Finanzamt sah diese Tätigkeit als gewerblich an. Es setzte Gewerbesteuer fest und forderte den Kläger als gewerblichen Unternehmer auf, ab dem Folgejahr Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen. Der gegen diese Aufforderung gerichtete Einspruch blieb ebenso wie die nachfolgende Klage ohne Erfolg.
  • Der BFH hat die Vorentscheidung jetzt bestätigt. Als Datenschutzbeauftragter übe der Kläger keine dem Beruf des Rechtsanwaltes vorbehaltene Tätigkeit aus. Vielmehr werde er in einem eigenständigen, von seiner Anwaltstätigkeit abzugrenzenden Beruf tätig. Der Datenschutzbeauftragte berate in interdisziplinären Wissensgebieten. Hierfür müsse er zwar neben datenschutzrechtlichem Fachwissen auch Fachwissen in anderen Bereichen (z.B. der Informations- und Kommunikationstechnik und der Betriebswirtschaft) besitzen. Eine spezifische akademische Ausbildung müsse er aber - anders als der Rechtsanwalt - nicht nachweisen. Aus diesem Grunde sei der Kläger als Datenschutzbeauftragter auch nicht in einem dem Rechtsanwalt ähnlichen Beruf tätig. Schließlich sei auch keine sonstige selbständige Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzunehmen. Es fehle an der erforderlichen Vergleichbarkeit mit den dort genannten Regelbeispielen.

STEUERRAT: Betroffene Rechtsanwälte, aber auch andere Freiberufler, sollten entsprechende Einnahmen als Datenschutzbeauftragte gesondert von den übrigen Einnahmen aufzeichnen, damit keine "Vermengung" stattfindet und nur die Einnahmen aus der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragte der Gewerbesteuer unterliegen. Sozietäten hingegen sollten Tätigkeiten, die nicht unmittelbar freiberuflich sind, unbedingt "auslagern", etwa indem sie eine zweite, personenidentische GbR gründen. Anderenfalls unterliegt der gesamte Gewinn der Kanzlei der Gewerbesteuer. Man spricht davon, dass die eigentlich freiberuflichen Einkünfte gewerblich "infiziert" werden.

 

2. Stundung von Miete oder Pacht:
Vorsteuerabzug trotzdem frühzeitig beantragen!

Unternehmer, die Geschäftsräume umsatzsteuerpflichtig angemietet haben, müssen die gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer bereits im Monat der Ausführung der Mietleistung abziehen, wenn sie grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, ihrerseits also umsatzsteuerpflichtige Leistungen ausführen. Das Recht zum - sofortigen - Abzug der Vorsteuer besteht auch, wenn die Miete oder Pacht gestundet wird. Genauer gesagt besteht nicht nur das Recht, vielmehr "muss" die Vorsteuer sogar in dem betroffenen Monat abgezogen werden; ein späterer Abzug - etwa erst bei Zahlung - kommt nicht infrage. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vermieter oder der Mieter so genannte Ist- oder Soll-Versteuerer sind. Machen Sie die Vorsteuer also immer frühzeitig geltend!

Doch was geschieht, wenn der Mieter die Vorsteuer doch zu spät geltend macht, also erst bei Zahlung der Miete, und die Umsatzsteuer-Festsetzungen mittlerweile bestandskräftig sind? Mit dieser Frage muss sich aktuell das Finanzgericht Hamburg befassen; es hat insoweit aber den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Stellungnahme gebeten (FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom 10.12.2019, 1 K 337/17, Az. des EuGH C-9/20).

  • Der Fall: Eine Unternehmerin (Klägerin) hatte Räumlichkeiten mit Ausweis von Umsatzsteuer angemietet. Sowohl der Mieterin als auch der Vermieterin war von der Finanzverwaltung gestattet worden, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen (Ist-Versteuerung). Mietzahlungen wurden der Klägerin teilweise gestundet, die Vorsteueransprüche machte sie immer erst geltend, wenn die Zahlung erfolgte. Diese Verfahrensweise wurde nach einer Außenprüfung vom Finanzamt beanstandet und die Vorsteuer nunmehr bereits im Zeitraum der Ausführung des Umsatzes - monatsweise Mietüberlassung - berücksichtigt. Infolge zwischenzeitlich eingetretener Verjährung konnte die Vorsteuer in den Änderungsbescheiden für vergangene Jahre nicht mehr berücksichtigt werden. Hiergegen richtete sich Klage.
  • Das FG Hamburg weist darauf hin, dass der Vorsteueranspruch eines Leistungsempfängers bereits mit der Ausführung der Leistung entsteht und nicht erst mit der Entrichtung des Entgelts. Unerheblich ist, ob der Leistende Soll- oder Ist-Versteuerer ist. Das heißt, der Leistungsempfänger zieht die Vorsteuer ab, obwohl er die Leistung - zum Beispiel aufgrund einer Stundung - noch nicht bezahlt hat, während der Leistende die entsprechende Steuer noch nicht schuldet. ABER: Diese Regelung könnte dem Unionsrecht widersprechen. Die Frage der Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Unionsrecht hat das FG Hamburg daher dem EuGH im Wege des Vorabersuchens vorgelegt.

STEUERRAT: Bis zur Antwort des EuGH wird sicherlich noch viel Zeit vergehen. Betroffene sollten bis dahin darauf achten, dass sie die Vorsteuer bei gestundeten Mietzahlungen nicht zu spät geltend machen, denn sonst könnte es geschehen, dass ihnen der Vorsteueranspruch komplett verloren geht. Gerade in Zeiten der Corona-Krise ist dies von besonderer Relevanz.

 

3. Betriebsübertragung:
Steuerfalle "Corona und die Schenkungsteuer"

Schenkungsteuerliche Fragen stehen gerade zwar nicht ganz oben auf der Tagesordnung der meisten Steuerzahler. Dennoch möchten wir darauf aufmerksam machen, dass sich durch die Corona-Krise ein enormes Problem im Bereich der Schenkungsteuer auftut. Wer gerade seinen Betrieb auf Sohn oder Tochter übertragen hat oder eine Übertragung plant, will wohl in aller Regel die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG in Anspruch nehmen oder hat diese bereits beansprucht, also eine volle oder teilweise Steuerbefreiung der Übertragung des betrieblichen Vermögens. Allerdings müssen zur Erhaltung der Steuerbegünstigung bestimmte Lohnsummen innerhalb einer bestimmten Frist beachtet werden (Lohnsummenregelung oder Lohnsummenklausel, §§ 13a Abs. 3 bzw. 13a Abs. 10 ErbStG). Vereinfacht gesagt dürfen nach der Betriebsübertragung keine Arbeitsplätze abgebaut bzw. Gehälter nicht gesenkt werden. Wird die Lohnsumme nicht erreicht, drohen hohe Nachforderungen des Finanzamts hinsichtlich der Schenkungsteuer.

Betroffene stehen aktuell vor der Frage, inwieweit sie bei gerade anstehenden Übertragungen von der Lohnsummenregelung Gebrauch machen sollen oder mit dieser nun umgehen müssen. Denn viele Betriebe müssen Mitarbeiter freisetzen und werden, so kann prophezeit werden, damit die erforderlichen Lohnsummen nicht erreichen. Wer sein Unternehmen bereits vor Jahren übertragen hat, könnte die Lohnsumme vielleicht sogar ausgerechnet im letzten Jahr der Frist doch noch unterschreiten.

Neben den wirtschaftlichen Folgen können sich damit ungeahnte steuerliche Verwerfungen ergeben, die - wenn nicht bereits die Corona-Krise dem Unternehmen genügend zusetzt - ihrerseits zu einer existenziellen Krise führen können. Es drohen mitunter Nachforderungen von Schenkungsteuer in sechsstelliger Höhe.

STEUERRAT: Von daher sollten aktuelle Erbfolgegestaltungen - sofern möglich und sinnvoll - zurückgehalten werden, bis die Finanzverwaltung oder der Gesetzgeber zu Fragen der Lohnsummenklausel Stellung genommen haben. Bei bereits durchgeführten Gestaltungen besteht wohl nur das "Prinzip Hoffnung", dass eventuell "unverschuldet" entstehende Steuernachforderungen erlassen werden. Jedenfalls sollten Betroffene frühzeitig das Gespräch mit dem Finanzamt suchen und notfalls einen Antrag auf Erlass einer Billigkeitsregelung stellen.

STEUERRAT: Zur "Lohnsumme" zählt auch ein etwaiges Kurzarbeitergeld, das der Arbeitgeber von der Bundesagentur für Arbeit erhalten und mit dem Lohn an den Arbeitnehmer ausbezahlt hat. Das ausgezahlte Kurzarbeitergeld ist von dem Aufwand nicht abzuziehen. Das Kurzarbeitergeld mindert die Lohnsumme also nicht (Abschn. 13a.4 u. 5 ErbStR; Viskorf, Schuck, Wälzholz - Erbschaftsteuer-Kommentar, zu § 13a ErbStG Rz. 29).

 

VIII. Steuergrundlagen

1. Steuererklärung:
Ausnahme von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung?

Alle Steuerbürger, die ihren Gewinn per Bilanz oder durch Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln, sind - seit dem Veranlagungszeitraum 2011 - grundsätzlich verpflichtet, ihre Einkommensteuererklärung nebst Anlage EÜR elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln. Dies gilt selbst dann, wenn die Betriebseinnahmen geringer als 17.500 EUR sind. Eine frühere Kulanzregelung ist ausgelaufen (BMF, Pressemittelung vom 30.3.2017). Nur im Ausnahmefall dürfen weiterhin die Papierformulare für die Steuererklärung genutzt werden. Das gilt insbesondere bei Personen, die außer Arbeitslohn nur eine Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale erhalten. Darüber hinaus zeigen sich die Finanzämter aber wenig kulant und sehen nur ganz selten Härtefälle, bei denen sie auf die digitale Übermittlung verzichten.

AKTUELL hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg aber einem Physiotherapeuten recht gegeben, der nur über geringe Umsätze und nach eigenen Angaben kaum über Computerkenntnisse verfügte. Er wurde von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Steuererklärung befreit (Urteil vom 8.8.2019, 4 K 4231/18).

  • Der Fall: Der 1965 geborene Kläger ist als selbständiger Physiotherapeut tätig. Er hat keine Mitarbeiter und auch keine Praxis- oder Büroräume. Seine Rechnungen schreibt er auf einem Laptop mit dem Betriebssystem Windows 7. Zudem verfügt der Kläger über einen Telefonanschluss und ein Handy, aber nicht über ein Smartphone. Er verfügt nicht über einen Internetanschluss, hält aber eine E-Mail-Adresse vor. Der Kläger gab seine Steuererklärungen nebst Anlagen EÜR jeweils in Papierform ab. Dies ging lange Jahre gut und zunächst bat ihn das Finanzamt auch nur, seine Einkommensteuererklärung elektronisch zu übermitteln. Doch die Bitten wurden immer drängender und schließlich forderte das Finanzamt den Physiotherapeuten auf, seine Einkommensteuererklärung 2017 digital einzureichen. Der Kläger bat hingegen, die in Papierform eingereichte Erklärung zu bearbeiten. Er sei nicht in der Lage, die Steuererklärung elektronisch anzufertigen und es sei unwirtschaftlich, hierfür einen Steuerberater zu beauftragen. Im Jahr 2017 erzielte er lediglich Einnahmen in Höhe von 16.722 EUR und einen Gewinn in Höhe von 14.534 EUR.
  • Das Finanzamt beharrte darauf, dass eine Verpflichtung zur Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz bestehe. Es setzte ein Zwangsgeld in Höhe von 200 EUR gegen den Kläger fest. Hiergegen erhob dieser Einspruch. Das Finanzamt lehnte den Einspruch und auch einen Antrag auf Anwendung der Härtefallregelung ab. Die allgemeinen Aussagen des Klägers zu seinen geringen Computerkenntnissen und dazu, dass die Beauftragung eines Steuerberaters zu teuer sei, seien nicht ausreichend, eine persönliche und wirtschaftliche Unzumutbarkeit festzustellen, die Steuererklärung per Datenfernübertragung abzugeben. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich. Das Finanzamt wurde durch das Finanzgericht verpflichtet, auf die Übermittlung der Einkommensteuererklärung für 2017 nebst Anlage EÜR per Datenfernübertragung zu verzichten. Der Bescheid über die Zwangsgeldfestsetzung sei aufzuheben.
  • Begründung: Dem Kläger sei die Abgabe der elektronischen Einkommensteuererklärung unzumutbar i.S. des § 150 Abs. 8 AO, wobei im Hinblick auf den Aspekt der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit das Folgende gelte: Zwar verfüge der Kläger bereits über einen Laptop, so dass keine Kosten für die Anschaffung eines Computers anfallen würden. Allerdings müsste sich der Kläger eine Internetverbindung beschaffen und den Computer sicherheitstechnisch so umrüsten, dass er gefahrlos das Internet nutzen könnte (Sicherheitssoftware). Da der Kläger bislang das Internet nicht nutzt (und auch kein Smartphone besitzt), würde er diese Anschaffungen nur tätigen, um seine Steuererklärung elektronisch einzureichen. Zu berücksichtigen sei auch, dass § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG zwar eine Verpflichtung zur elektronischen Abgabe der Steuererklärung bei Gewinneinkünften ohne Rücksicht auf deren Höhe vorsieht. Jedoch müssen die Kosten der Umstellung auf den elektronischen Verkehr mit dem Finanzamt, wozu nicht nur die Aufwendungen für die Anschaffung der Hard- und Software, sondern auch für deren Einrichtung und die Wartung sowie für die Hilfestellung bei Fehlfunktionen gehören, in einer wirtschaftlich sinnvollen Relation zu dem Betrieb, der die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe elektronischer Einkommensteuererklärungen auslöst (d.h. zu den hieraus erzielten Einkünften und dem Betriebsvermögen), stehen.

STEUERRAT: Es wird sich noch zeigen müssen, ob die Entscheidung Bestand hat, denn zwischenzeitlich liegt die Revision beim Bundesfinanzhof vor (Az. VIII R 29/19). Dieser hatte - soweit ersichtlich - zuletzt mit Urteil vom 15.5.2018 (VII R 14/17) zur Frage der "unbilligen Härte" hinsichtlich der digitalen Übermittlung von Steuererklärungen Stellung genommen. So hat er zwar im Grundsatz entschieden, dass eine Steuererklärung in Papierform abgegeben werden darf, wenn eine persönliche oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit besteht. Das Merkmal der unbilligen Härte sei auch im gerichtlichen Verfahren überprüfbar. Im Urteilsfall hat er allerdings zuungunsten des Klägers entschieden, dass selbst bei einem sicherheitsrelevanten Unternehmen kein Ausspähungsrisiko aufgrund der elektronischen Übermittlung bestehe bzw. dieses hingenommen werden müsse. Auch die Erkenntnisse aus der "NSA-Affäre" und den "Snowden-Enthüllungen" seien keine neuen Gesichtspunkte, welche eine andere Sichtweise erforderten. Die Anforderungen an die unbillige Härte sind also extrem hoch und müssen vom Steuerbürger sehr genau dargelegt werden.

 

2. Ehegatten-Einzelveranlagung:
Wie Sonderausgaben u.a. aufzuteilen sind

Seit 2013 ist die Alternative zur Zusammenveranlagung bei Eheleuten nicht mehr die getrennte Veranlagung, sondern die Einzelveranlagung für Ehegatten (§ 26a EStG). Bei der Einzelveranlagung hat jeder Ehegatte eine eigene Einkommensteuererklärung abzugeben und erhält auch einen gesonderten Steuerbescheid. Es werden also zwei Steuerberechnungen jeweils getrennt für die Ehegatten durchgeführt und die Steuer jeweils nach dem Grundtarif berechnet. Bei jedem Ehegatten werden die üblichen Frei-, Pausch- und Höchstbeträge wie bei Ledigen gewährt. Schöpft jedoch ein Partner seine Freibeträge nicht aus, kann der andere den nicht ausgeschöpften Teil nicht beanspruchen. Jeder Ehegatte schuldet nur die Einkommensteuer, die sich aus seinem Steuerbescheid ergibt.

Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und die Steuerermäßigungen nach § 35a EStG (für Handwerkerleistungen, Haushaltshilfe und haushaltsnahe Dienstleistungen) werden grundsätzlich dem Ehegatten zugerechnet, der die "Aufwendungen wirtschaftlich getragen" hat (§ 26a Abs. 2 Satz 1 EStG). Statt wirtschaftlicher Zuordnung können die Ehegatten aber auch beantragen, dass die Aufwendungen ihnen "jeweils zur Hälfte zugerechnet" werden sollen (§ 26a Abs. 2 Satz 2 EStG). Hierzu genügt ein übereinstimmender Antrag (erfolgt im Steuerformular "Anlage Sonstiges 2019", Zeile 10).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof gegen den Fiskus Folgendes entschieden: Beantragen Eheleute die Einzelveranlagung und dabei die Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und Steuerermäßigungen nach § 35a EStG gemäß § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG hälftig aufzuteilen, sind die Aufwendungen unabhängig davon, wer sie wirtschaftlich getragen hat, bei den Ehegatten jeweils hälftig zu berücksichtigen. Sodann sind in einem zweiten Rechenschritt die Höchstbetragsberechnungen und Günstigerprüfungen individuell bei jedem der Ehegatten durchzuführen (BFH-Urteil vom 28.11.2019, III R 11/18).

  • Der Fall: Die Ehefrau hatte die Einzelveranlagung beantragt. Übereinstimmend mit ihrem Ehemann beantragte sie dabei, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und Steuerermäßigungen nach § 35a EStG hälftig aufzuteilen. Das Finanzamt berücksichtigte zunächst die Vorsorgeaufwendungen unter Anwendung der Höchstbetragsberechnung und der Günstigerprüfung, die die Frau und ihr Ehemann jeweils wirtschaftlich getragen hatten. Anschließend wurde die Summe berechnet, die sodann hälftig auf die Ehegatten aufgeteilt wurde (2.981 EUR). Doch die Frau beantragte, die Sonderausgaben vor der Günstigerprüfung den Ehegatten hälftig zuzuteilen, und die Günstigerprüfung erst im Anschluss an die Aufteilung vorzunehmen. Anstelle der vom Finanzamt angesetzten 2.981 EUR seien bei ihr daher 4.557 EUR als Vorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen.
  • Die BFH-Richter gaben der Frau Recht. Es sei rechtswidrig, zunächst bei jedem Ehegatten die Aufwendungen anzusetzen, die er wirtschaftlich getragen habe, und lediglich die Abzugsbeträge nach Durchführung der Höchstbetragsberechnungen und der Günstigerprüfungen hälftig aufzuteilen. Vielmehr seien die Aufwendungen zunächst unabhängig von der Frage, wer sie wirtschaftlich getragen habe, bei den Ehegatten jeweils hälftig zu berücksichtigen. Und erst nach dieser Halbierung sei die Höchstbetragsberechnung bzw. die Günstigerprüfung zu berücksichtigen. So müssten die Ehegatten nicht nachweisen und das Finanzamt nicht nachprüfen, wer von den Ehegatten die jeweilige Belastung wirtschaftlich getragen habe. Dies gilt gemäß § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG für Vorsorgeaufwendungen, außergewöhnliche Belastungen und Steuerermäßigungen nach § 35a EStG.

 

3. Änderung von Steuerbescheiden:
Vergessene AfA ist kein rechtlicher Fehler

Bestandskräftige Steuerbescheide dürfen vom Finanzamt zu Ihren Lasten nur unter engen Voraussetzungen geändert werden. Eine dieser Möglichkeiten ist die Korrektur von so genannten offenbaren Unrichtigkeiten wie etwa Schreib-, Rechen- und rein mechanischen Fehlern (§ 129 AO). Natürlich ist die Finanzverwaltung mit dem Argument des "mechanischen Fehlers" schnell bei der Hand, das heißt, sie behauptet, dass eine inhaltliche Prüfung eines bestimmten Sachverhalts nicht erfolgt sei und sich der Bearbeiter lediglich vertan hat, etwa bei der Eintragung eines Wertes in eine falsche Kennziffer. Und so werden Steuerbescheide berichtigt.

Ganz anders ist die Situation, wenn Ihnen als Steuerbürger ein mechanischer Fehler unterläuft. Zwar gelten Eintragungsfehler, die das Finanzamt vom Steuerzahler mehr oder weniger ungeprüft übernommen hat, als ihre eigenen Fehler, so dass ausnahmsweise auch eine Korrektur zu Ihren Gunsten erfolgen kann, wenn der Fehler später reklamiert wird. Doch Sie ahnen es: Selbstverständlich kommt seitens des Finanzamts reflexartig der Hinweis, dass der Fall geprüft worden und eine Änderung des Steuerbescheides nicht möglich sei.

AKTUELL hat das Hessische Finanzgericht zu dem Fall entschieden, dass ein Steuerbürger mit Vermietungseinkünften irrtümlich die Abschreibung (AfA) für sein Gebäude nicht beantragt hat. Hier kommt eine nachträgliche Berichtigung des Steuerbescheides nach § 129 AO in Betracht, wenn die AfA bereits in den Vorjahren geltend gemacht wurde, sich der AfA-Anspruch ohne weiteres aus der Akte ergibt und seitens des Finanzamts auch kein Prüfhinweis bearbeitet worden ist, der auf die fehlende AfA hingewiesen hat (Urteil vom 10.9.2019, 4 K 1318/18).

  • Der Fall: Die Klägerin erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2014 versäumte sie es durch Unachtsamkeit, in der Anlage V zu dem Grundstück die AfA zu erklären. Bereits 10 Jahre zuvor hatte das Finanzamt für das Grundstück aber eine AfA-Tabelle über die jährlich anzusetzenden AfA-Beträge erstellt und diese in seinem EDV-System hinterlegt. Bei der Veranlagung berücksichtigte das Finanzamt die nicht erklärten AfA-Beträge nicht als Werbungskosten und erließ einen entsprechenden Steuerbescheid für 2014. Einen Prüfhinweis ließ der Bearbeiter unberücksichtigt. Nachdem die Klägerin bemerkt hatten, dass die AfA für das Objekt unberücksichtigt geblieben war, beantragte sie die Änderung des Einkommensteuerbescheides. Die Einspruchsfrist war bereits abgelaufen. Den Antrag auf Änderung wies das Finanzamt zwar ab, das Finanzgericht gab der Klage aber statt.
  • Begründung: Früher, im Rahmen der aktengeführten Veranlagung, waren die AfA-Tabellen den Akten vorgeheftet und somit bei jeder Neuveranlagung präsent. Bei Nichtberücksichtigung der Abschreibung konnte also nur ein Versehen und kein Ermittlungsfehler vorliegen. Nichts anderes kann im Rahmen der elektronischen Veranlagung gelten. Die Daten für die Steuerfestsetzung gelten somit als vom Computer automatisch hinzugezogen. Dies gilt unabhängig davon, ob der jeweilige Bearbeiter einem Prüfhinweis Folge leistet oder insoweit seine Pflicht verletzt und eine Nachsicht in den festsetzungsnahen Daten unterlässt. Die festsetzungsnahen Daten erfüllen somit vorliegend die Funktion einer Kontrollmitteilung für das Veranlagungsjahr und gelten demgemäß als bei der Veranlagung präsent. Bei wertender Betrachtung liegt daher kein Ermittlungsfehler, sondern ein (pflichtwidriges) Übersehen der gespeicherten Daten und somit eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO vor.

STEUERRAT: In einem zweiten Urteil vom gleichen Tag sind die Finanzrichter übrigens zu einem anderen Ergebnis gelangt, haben die Änderung also nicht zugelassen. Dabei wich der Sachverhalt nur in Nuancen von dem obigen Fall ab. Dies zeigt, dass es bei "offenbaren Unrichtigkeiten" immer nur Einzelfallentscheidungen gibt. In dem zweiten Verfahren gab es nämlich einen feinen, aber bedeutsamen Unterschied: Die Kläger waren Eheleute, die statt einer Zusammenveranlagung zwei Einzelveranlagungen beantragt hatten. Und diese erfolgten jeweils unter neuen Steuernummern, so dass die maschinellen Daten gerade nicht der neuen Steuernummer der Klägerin zugeordnet worden sind. Der Bearbeiter hätte vielmehr die Daten, die zu der früheren gemeinsamen Steuernummer der Eheleute hinterlegt waren, aufrufen müssen, um eine sachgerechte Überprüfung durchführen zu können. Es hätte demzufolge weiterer Ermittlungen des Bearbeiters bedurft. Es liege somit eine unterlassene Sachverhaltsermittlung vor, die kein mechanisches Versehen ist. In solchen Fällen habe das Finanzamt zwar möglicherweise seine Amtsermittlungspflicht verletzt; diese Pflichtverletzung ist aber nicht mit einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen (Hessisches FG, Urteil vom 10.09.2019, 4 K 1018/19). Gegen das Urteil liegt mittlerweile die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Az. IX R 30/19 vor.

 

IX. Ausland

1. Grenzgänger Luxemburg:
Sonderregelung für Arbeitstage im Homeoffice

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Luxemburg und Deutschland regelt, welcher der beiden Staaten das Besteuerungsrecht hat. Für deutsche Grenzgänger nach Luxemburg gibt es - anders als für Grenzgänger nach Österreich, Frankreich und in die Schweiz - keine besondere Grenzgängerregelung. Vielmehr gilt für sie die allgemeine Steuerregel: Deutsche Grenzgänger nach Luxemburg, die bei einem Arbeitgeber in Luxemburg angestellt sind, haben ihren Arbeitslohn in Luxemburg zu versteuern. Das Besteuerungsrecht hat der Tätigkeitsstaat. Der in Luxemburg erzielte und versteuerte Arbeitslohn bleibt in Deutschland steuerfrei, wird hier aber in den Progressionsvorbehalt einbezogen und führt so zu einem höheren Steuersatz für das übrige Einkommen.

Wird die Tätigkeit nicht ausschließlich in Luxemburg, sondern auch in Deutschland oder in anderen Staaten ausgeübt, ist der Arbeitslohn zwischen Wohnsitz- und Tätigkeitsstaat entsprechend aufzuteilen. Für die Aufteilung des Arbeitslohns gelten folgende Regeln (BMF-Schreiben vom 14.6.2011, BStBl. 2011 I S. 576; Konsultationsverordnung mit Luxemburg vom 9.7.2012, BStBl. 2012 I S. 693):

  • Falls die Tätigkeit in Deutschland oder in Drittstaaten höchstens 19 Arbeitstage im Kalenderjahr beträgt, wird auf eine Aufteilung des Arbeitslohns verzichtet (Bagatellregelung). Das bedeutet: Der anteilige Arbeitslohn, der auf die Tätigkeit in Deutschland entfällt, bleibt in Deutschland steuerfrei (mit Progressionsvorbehalt), sofern er in Luxemburg tatsächlich versteuert wird. Deutschland hat also kein Besteuerungsrecht.
  • Falls die Tätigkeit in Deutschland oder in Drittstaaten mehr als 19 Arbeitstage im Kalenderjahr beträgt, müssen auch in Deutschland Steuern bezahlt werden - und zwar rückwirkend ab dem ersten Tag. Hierzu muss der Arbeitslohn zwischen Wohnsitz- und Tätigkeitsstaat aufgeteilt werden.
  • Was aber gilt, wenn deutsche Grenzgänger während der Corona-Krise zuhause im Homeoffice arbeiten? Muss dann - entsprechend der 19-Tage-Regelung - der Arbeitslohn aufgeteilt und teilweise in Deutschland versteuert werden?

AKTUELL hat das Bundesfinanzministerium am 3.4.2020 mit Luxemburg eine Verständigungsvereinbarung zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns von Grenzgängern erzielt (BMF-Schreiben vom 6.4.2020, IV B 3 - S 1301-LUX/19/10007).

  • Arbeitstage, für die Arbeitslohn bezogen wird und an denen Arbeitnehmer nur aufgrund der Corona-Maßnahmen ihre Tätigkeit im Homeoffice ausüben, können als in dem Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage gelten, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ohne diese Maßnahmen ausgeübt hätten. Für Arbeitstage, die unabhängig von den Corona-Maßnahmen im Homeoffice oder in einem Drittstaat verbracht worden wären, gilt diese Tatsachenfiktion nicht. Insbesondere gilt sie nicht, wenn Arbeitnehmer laut arbeitsvertraglicher Regelungen grundsätzlich im Homeoffice tätig sind.
  • Die Arbeitnehmer, die Gebrauch von dieser Tatsachenfiktion machen, sind verpflichtet, geeignete Aufzeichnungen zu führen, d.h. eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die Arbeitstage, in denen die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit aufgrund der Covid-19 Pandemie im Homeoffice ausgeübt haben.
  • Diese Tatsachenfiktion gilt nur, soweit der jeweilige Arbeitslohn, der auf die Arbeitstage im Homeoffice entfällt, von dem Vertragsstaat, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ohne die Corona-Maßnahmen ausgeübt hätten, tatsächlich besteuert wird. Die Arbeitnehmer erklären sich dementsprechend damit einverstanden, dass der jeweilige Arbeitslohn in dem Vertragsstaat, in dem sie die Tätigkeit ohne die Corona-Maßnahmen ausgeübt hätten, tatsächlich besteuert wird. Dieser Arbeitslohn gilt als "tatsächlich besteuert", wenn er in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird, anhand derer die Steuer berechnet wird.
  • Die Vereinbarung ist am 4.4.2020 in Kraft getreten und findet Anwendung auf Arbeitstage im Zeitraum vom 11.3.2020 bis zum 30.4.2020 und verlängert sich nach dem 30.4.2020 automatisch vom Ende eines Kalendermonats zum Ende des nächsten Kalendermonats, sofern sie nicht von der zuständigen Behörde eines der Vertragsstaaten mindestens eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats durch schriftliche Erklärung an die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats gekündigt wird.

Über diese Vereinbarung hinaus besteht zur Auslegung des Abkommens Einvernehmen darüber, dass das in Deutschland ausgezahlte "Kurzarbeitergeld" sowie die in Luxemburg ausgezahlten "Beträge wegen Kurzarbeit (chômage partiel)" als Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung des jeweiligen Staates im Sinne von Art. 17 Abs. 2 des Abkommens zu qualifizieren sind.

 

2. Grenzgänger Niederlande:
Sonderregelung für Arbeitstage im Homeoffice

AKTUELL hat das Bundesfinanzministerium am 6.4.2020 mit den Niederlanden eine Konsultationsvereinbarung zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns von Grenzpendlern erzielt (BMF-Schreiben vom 8.4.2020, IV B 3 - S 1301-NDL/20/10004).

  • Arbeitstage, für die Arbeitslohn bezogen wurde und an denen die unselbstständige Arbeit nur aufgrund der Maßnahmen, die die deutsche oder die niederländische Regierung oder ihre Gebietskörperschaften zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie getroffen haben, im Homeoffice ausgeübt wird (Homeoffice-Tage), als in dem Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage gelten, in dem die Grenzgänger ihre unselbstständige Arbeit ohne diese Maßnahmen ausgeübt hätten.
  • Für Arbeitstage, die unabhängig von diesen Maßnahmen im Homeoffice oder in einem Drittstaat verbracht worden wären, gilt diese Tatsachenfiktion nicht. Insbesondere gilt sie nicht, wenn Grenzgänger laut arbeitsvertraglicher Regelungen grundsätzlich im Homeoffice tätig sind.
  • Die Grenzgänger, die Gebrauch von dieser Tatsachenfiktion machen, sind verpflichtet, diese Tatsachenfiktion in beiden Vertragsstaaten einheitlich anzuwenden und geeignete Aufzeichnungen zu führen (d.h. eine Bescheinigung des Arbeitgebers über diejenigen Homeoffice-Tage, die ausschließlich auf die Maßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind).
  • Diese Tatsachenfiktion gilt nur, soweit der jeweilige Arbeitslohn, der auf die Arbeitstage im Homeoffice entfällt, von dem Vertragsstaat, in dem die Grenzgänger ihre unselbstständige Arbeit ohne die Maßnahmen ausgeübt hätten, tatsächlich besteuert wird. Die Grenzgänger erklären sich dementsprechend damit einverstanden, dass die jeweiligen Einkünfte in dem Vertragsstaat, in dem sie die unselbstständige Arbeit ohne die Maßnahmen ausgeübt hätten, tatsächlich besteuert werden. Diese Einkünfte gelten als "tatsächlich besteuert", wenn sie in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden, anhand derer die Steuer berechnet wird.
  • Für den Fall, dass eine in einem der beiden Staaten ansässige Person, die normalerweise in dem anderen Staat arbeitet, einen Tag, der normalerweise ein Arbeitstag wäre, untätig zu Hause verbringt (d.h. ohne ihre Tätigkeit auszuüben), gilt Folgendes: Dasselbe Tätigkeitsmuster (d.h. Anteil der Tage, an denen die Tätigkeit im Tätigkeitsstaat ausgeübt wurde, an den Tätigkeitstagen insgesamt) wird zugrunde gelegt, als hätten die jeweiligen Arbeitnehmer ihre Tätigkeit weiterhin ausgeübt, wenn
  • die Grenzgänger einen oder mehr Tage, die normalerweise Arbeitstage wären, untätig zu Hause verbringen und
  • die Grenzgänger weiterhin Gehalt vom Arbeitgeber beziehen.
  • In den Niederlanden ansässige Personen, die normalerweise in Deutschland arbeiten und ihre Zeit nun aufgrund von Corona-Maßnahmen untätig zu Hause verbringen, können anstelle ihres regulären Gehalts deutsches Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld I oder Insolvenzgeld beziehen. Wenn der Gesamtbruttobetrag dieser (und anderer) aus der deutschen Sozialversicherung bezogenen Leistungen die Summe von 15.000 EUR in einem Kalenderjahr nicht übersteigt, liegt das Besteuerungsrecht für diese Sozialversicherungsleistungen bei den Niederlanden. In der Erwägung, dass die vorgenannten deutschen Sozialversicherungsleistungen netto gezahlt werden, treffen die Niederlande eine einseitige Maßnahme, um diese aufgrund von COVID-19 und unter bestimmten Bedingungen bezogenen Sozialversicherungsleistungen von der Steuer zu befreien.
  • Die Konsultationsvereinbarung ist am 6.4.2020 in Kraft getreten und findet auf Arbeitstage im Zeitraum vom 11.3.2020 bis zum 30.4.2020 Anwendung. Die Konsultationsvereinbarung verlängert sich nach dem 30.4.2020 automatisch vom Ende eines Kalendermonats zum Ende des nächsten Kalendermonats, sofern sie nicht von der zuständigen Behörde eines der Vertragsstaaten mindestens eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats durch schriftliche Erklärung an die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats gekündigt wird.

 

3. Grenzgänger Österreich:
Sonderregelung für Arbeitstage im Homeoffice

AKTUELL hat das Bundesfinanzministerium am 15.4.2020 mit Österreich eine Konsultationsvereinbarung zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns von Grenzpendlern und Grenzgängern erzielt (BMF-Schreiben vom 16.4.2020, IV B 3 - S 1301-AUT/20/10002).

  • Grenzpendler: Im Hinblick auf die Anwendung des Artikels 15 Absatz 1 können Arbeitstage, für die Arbeitslohn bezogen wird und an denen Arbeitnehmer nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie ihre Tätigkeit im Homeoffice ausüben, als in dem Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage gelten, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ohne diese Maßnahmen ausgeübt hätten. Dies gilt nicht für Arbeitstage, die unabhängig von diesen Maßnahmen im Homeoffice verbracht worden wären (z.B. auf Grund arbeitsvertraglicher Regelungen).
  • Macht der Arbeitnehmer durch Mitteilung an den Arbeitgeber und das zuständige Finanzamt des Ansässigkeitsstaats Gebrauch von dieser Regelung, sind die Umstände (insbesondere die Anzahl der Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufgrund der Covid-19 Pandemie im Homeoffice ausgeübt hat) anhand von Aufzeichnungen der Arbeitnehmer unter Beibringung von Bestätigungen der Arbeitgeber offen zu legen. Der Arbeitnehmer erklärt sich im Wege dieser Mitteilungen automatisch damit einverstanden, dass der jeweilige Arbeitslohn in dem Vertragsstaat, in dem die Tätigkeit ohne die Corona-Maßnahmen ausgeübt worden wäre, tatsächlich besteuert wird. Sollten auf Grund dieser Aufzeichnungen oder anderer amtlicher Ermittlungen Umstände hervorkommen, welche die Voraussetzungen dieser Vereinbarung als nicht mehr erfüllt erscheinen lassen und somit das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats auslösen könnten, so wird der andere Vertragsstaat den Ansässigkeitsstaat darüber im Wege des spontanen Informationsaustausches gemäß Artikel 26 des Abkommens in Kenntnis setzen. Die in Absatz 1 dieser Vereinbarung vorgesehenen Rechtsfolgen treten nur ein, soweit der jeweilige Arbeitslohn, der auf die Arbeitstage im Homeoffice entfällt, von dem Vertragsstaat, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ohne die Corona-Maßnahmen ausgeübt hätten, tatsächlich besteuert wird. Die Einkünfte gelten als "tatsächlich besteuert", wenn sie in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden, anhand derer die Steuer berechnet wird.
  • Grenzgängerregelung: Abweichend davon gelten Arbeitstage, für die Arbeitslohn bezogen wird und an denen Grenzgänger nur aufgrund der Corona-Maßnahmen ihre Tätigkeit im Homeoffice ausüben, nicht als Tage der Nichtrückkehr, sofern diese Arbeitstage nicht unabhängig von diesen Maßnahmen im Homeoffice verbracht worden wären, beispielsweise, weil Grenzgänger bereits lt. arbeitsvertraglicher Regelungen grundsätzlich im Homeoffice tätig sind (Artikel 15 Absatz 6 DBA).
  • Kurzarbeitergeld und Kurzarbeitsunterstützung: Im Hinblick auf die Auslegung des Artikels 18 Absatz 2 besteht über diese Vereinbarung hinaus Einvernehmen darüber, dass auch das in Deutschland ausgezahlte Kurzarbeitergeld und die in Österreich ausgezahlte Kurzarbeitsunterstützung für entfallene Arbeitsstunden sowie ähnliche Zahlungen, die aufgrund der Corona-Maßnahmen vom Arbeitgeber ausgezahlt und von staatlicher Seite eines der Vertragsstaaten erstattet werden, als Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung des jeweiligen Staates im Sinne von Artikel 18 Absatz 2 des Abkommens zu qualifizieren sind.
  • Anwendung: Die Vereinbarung findet Anwendung auf Arbeitstage im Zeitraum vom 11. März 2020 bis zum 30. April 2020 und verlängert sich ab dem 30. April 2020 automatisch vom Ende eines Kalendermonats zum Ende des nächsten Kalendermonats, sofern sie nicht von der zuständigen Behörde eines der Vertragsstaaten mindestens eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats durch schriftliche Erklärung an die andere zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats gekündigt wird. Die Konsultationsvereinbarung ist am 15. April 2020 in Kraft getreten.

 

X. Soziales

1. Krankenversicherung: Wenn die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten wird

Besser verdienende Arbeitnehmer sind in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei, wenn ihr Jahreseinkommen die sog. Jahresarbeitsentgeltgrenze bzw. Versicherungspflichtgrenze von 62.550 EUR (2020) überschreitet (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Sie können dann weiterhin freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben oder in die private Krankenversicherung wechseln, sofern das Gehalt auch die Versicherungspflichtgrenze im kommenden Jahr übersteigen wird. Dies gilt für Personen unter 55 Jahren.

Zu unterscheiden von der Jahresarbeitsentgeltgrenze ist die Beitragsbemessungsgrenze von 56.250 EUR (2020). Nur bis zu dieser Grenze müssen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden. Darüber hinausgehende Einkommensteile bleiben beitragsfrei. Die Grenzen gelten einheitlich in West und Ost.

Wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze im Laufe eines Jahres unterschritten (z.B. bei vertraglicher Herabsetzung der Arbeitszeit und entsprechender Reduzierung des Arbeitsentgelts, bei Kurzarbeit), endet die Versicherungsfreiheit sofort - und nicht erst mit Ablauf des Kalenderjahrs. Es tritt unmittelbar Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ein. Hierzu hat der GKV-Spitzenverband folgende grundsätzliche Hinweise gegeben (Rundschreiben vom 20.3.2019):

  • Die Versicherungsfreiheit endet grundsätzlich auch dann, wenn die Entgeltminderung ihrem Anschein nach nur vorübergehender Natur oder zeitlich befristet ist, es sei denn, die Entgeltminderung ist nur von kurzer Dauer.
  • Ein bei vorliegender Versicherungsfreiheit nur vorübergehendes Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze, das ohne Auswirkungen auf den Versicherungsstatus bleibt, wird nur "in engen Grenzen für zulässig und vertretbar" erachtet und ist auf wenige Sachverhalte beschränkt. In Betracht kommen im Wesentlichen die Fälle der Kurzarbeit (mit Ausnahme des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld) und der stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben. In diesen Fällen bleibt der Versicherungsstatus für die Dauer des jeweiligen Tatbestandes unverändert. Dies ist gerechtfertigt, da das aus Anlass der Kurzarbeit oder der Wiedereingliederung ausfallende regelmäßige Arbeitsentgelt durch eine Entgeltersatzleistung (Kurzarbeitergeld bzw. Krankengeld) ersetzt wird und der eigentliche Entgeltanspruch dem Grunde nach unberührt bleibt.
  • Eine vorübergehende Absenkung des Arbeitsentgelts aufgrund kollektivrechtlicher Beschäftigungssicherungsvereinbarungen lässt die Versicherungsfreiheit dagegen enden, wenn dadurch die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten wird. Derartige Vereinbarungen waren in der Vergangenheit aus beschäftigungspolitischen Erwägungen dem Bezug von Kurzarbeitergeld für eine befristete Zeit gleichzustellen und führten für die betroffenen Arbeitnehmer nicht zu einer Änderung im Versicherungsstatus. Diese Regelung hat jedoch seit dem 1.4.2012 keine Bedeutung mehr, ungeachtet dessen, dass die Sonderbemessungsregelung zu den kollektivrechtlichen Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung, die dem Kurzarbeitergeld vorgelagert sind, dauerhaft in die Regelungen zum Kurzarbeitergeld übernommen worden ist.

HINWEIS: Eine aktuellere Information des GKV-Spitzenverbandes gibt es - soweit ersichtlich - nicht. Dabei wäre es sehr wünschenswert, wenn er in Zeiten der Corona-Pandemie klarstellen würde, ob seine damaligen Hinweise uneingeschränkt gelten oder ob derzeit eine Sonderregelung gelten könnte.

 

2. Krankenversicherung:
Freiwillige Krankenversicherung für Selbstständige

Hauptberuflich Selbstständige können sich als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung versichern. Die Frage ist, ob sie bei Wegbrechen ihrer Aufträge ihre Beiträge zur GKV reduzieren dürfen.

Nach geltendem Recht ist schon heute bei einer Veränderung des Einkommens eine Reduzierung der GKV-Beiträge möglich. Aber nach wie vor gilt: Selbst wenn der Selbstständige weniger oder gar kein Einkommen hat, gilt für die Berechnung der Beiträge im Jahr 2020 eine monatliche Mindesteinnahme von 1.061,67 EUR (das ist der 90. Teil der Bezugsgröße gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Folglich beträgt der Mindestbeitrag 192,69 EUR (KV-Beitrag 14,0 % + KV-Zusatzbeitrag z.B. 1,1 % + PV-Beitrag 3,05 % = 148,63 EUR + 11,68 EUR + 32,38 EUR).

  • Bei sich verändernden Einnahmen um mehr als 25 Prozent können in der gesetzlichen Krankenkasse versicherte hauptberufliche Selbstständige bei ihrer Krankenkasse eine Beitragsermäßigung beantragen. Das reduzierte Arbeitseinkommen muss aber nachgewiesen werden. Bei den Krankenkassen sind entsprechende Formulare erhältlich. Ein Antrag auf Beitragsentlastung wirkt sich immer erst ab dem Folgemonat der Antragstellung aus.
  • Der GKV-Spitzenverband hat in seiner Pressemitteilung veröffentlicht, dass die Regelungen zur Stundung ohne Zinsen bzw. ohne Sicherheitsleistung, Erhebung von Säumniszuschlägen oder Mahngebühren und Vollstreckungsmaßnahmen auch für freiwillige Mitglieder der GKV gelten, die ihre Beiträge selbst zahlen, sofern sie von der aktuellen Krise unmittelbar und nicht unerheblich betroffen sind (PM vom 25.3.2020).
  • Die erleichterten Stundungsmöglichkeiten usw. gelten bis zum 30.4.2020. Demnach können die fällig werdenden Beiträge zunächst für die Monate März und April 2020 gestundet werden. Stundungen sind also zunächst längstens bis zum Fälligkeitstag für die Beiträge des Monats Mai 2020 zu gewähren.
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© Steuerrat24, Erich-Grisar-Weg 13, 45699 Herten - www.steuerrat24.de - Stand 30.4.2020.
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