SteuerSparbrief - Archiv

Der Online-SteuerSparbrief erscheint monatlich im Umfang von rund 16 Seiten und ist Teil des Abonnements von Steuerrat24. Die aktuelle Ausgabe steht jeweils ab Monatsbeginn zum Abruf in der Rubrik "SteuerSparbrief" bereit.

Falls Sie eine frühere Ausgabe versäumt haben, können Sie hier die letzten Ausgaben des SteuerSparbriefs aufrufen.

 

Diese Ausgabe bietet unter anderem folgende interessante Themen:

  • Erstausbildung und Erststudium: Riesige Enttäuschung und keine Besserung
  • Pilotenausbildung: Weiterhin Zweiklassengesellschaft bei der Steuer
  • Mindestlohn: Attraktive Mindestvergütung für Auszubildende
  • Gehaltsumwandlung: Gesetzgeber will positive Rechtsprechung aushebeln
  • Geschiedene: Prozesskosten um Unterhalt als Werbungskosten abziehbar
  • Erwerb einer Immobilie: Aufteilung des Kaufpreises auf dem Prüfstand

Hier geht es zum gesamten Inhaltsverzeichnis und zu Ihrem SteuerSparbrief (Hinweis: Die PDF-Datei zum Ausdruck finden Sie unterhalb des Inhaltsverzeichnisses):

Hier finden Sie auch die PDF-Datei zum Ausdruck: SteuerSparbrief Februar 2020

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

bereits im Dezember 2016 ist das so genannte Kassengesetz verabschiedet worden (BGBl 2016 Teil I Nr. 65). Unter anderem enthält es eine Pflicht zur Ausgabe von Belegen ("Kassenzetteln") ab dem 1. Januar 2020. Zwei Wochen vor dem Start der Belegausgabepflicht ist dem Bundeswirtschaftsminister eingefallen, dass diese aufwendig für die Wirtschaft und Gift für die Umwelt ist. Dabei hatte Peter Altmaier über 1.000 Tage Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. 1.000 Tage blieben ungenutzt. Da fällt mir ein altes Lied von Klaus Lage ein: "... tausend Mal ist nix passiert.". Sie wissen schon.

Das Thema seitens des Bundeswirtschaftsministers erst im Dezember 2019 aufzugreifen, war unsäglich. Dabei war das Manöver doch mehr als durchsichtig. Federführend für die Kassengesetze war im Jahre 2016 insbesondere Nordrhein-Westfalen, und zwar das Landesfinanzministerium ausgerechnet unter der Leitung von Norbert Walter-Borjans. Merkwürdig, dass Peter Altmeier seine Kritik am Kassengesetz gerade in dem Zeitpunkt äußerte, in dem Norbert Walter-Borjans (mit Saskia Esken) zum neuen SPD-Parteivorsitzenden gewählt worden ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Ein weiterer Bestandteil des Kassengesetzes ist die Möglichkeit einer so genannten Kassen-Nachschau durch die Finanzverwaltung. Diese hat seit Januar 2018 das Recht, Unternehmen unangekündigt aufzusuchen, um die ordnungsgemäße Führung der Kassen zu überprüfen. Betroffen sind insbesondere Gastronomen, Einzelhändler, Taxi- und Frisörbetriebe sowie die Glückspielbranche. Die Berliner Finanzverwaltung hat aktuell bekanntgegeben, wie erfolgreich ihre Kassen-Nachschauen im Jahre 2019 waren, wobei die Pressestelle leider die Mehrergebnisse aus reinen Kassen-Nachschauen und "echten" Betriebsprüfungen nicht sauber trennt.

Laut Pressemitteilung vom 27.12.2019 sind im Gastronomiesektor insgesamt 907 Nachschauen erfolgt. Zu Gastronomiebetrieben zählen neben Gaststätten und Restaurants auch Imbissstuben, Cafés, Eissalons, Caterer oder Schankwirtschaften. 2.245 Betriebsprüfungen sind bereits erfolgt, offenbar viele davon im Anschluss an "auffällige" Kassen-Nachschauen - zumindest interpretiere ich die Pressemeldung so. Das Mehrergebnis der bereits ausgewerteten Fälle beträgt rund 50,4 Mio. Euro. In 84 Fällen hat die Senatsverwaltung für Finanzen bereits Straf- bzw. Bußgeldverfahren eingeleitet.

Egal ob Kassen-Nachschau oder Betriebsprüfung: Das Mehrergebnis zeigt eindeutig, dass da, wo Bargeld im Spiel ist, die Wahrscheinlichkeit einer Steuerhinterziehung steigt. Ob die Pflicht zur Belegausgabe daran viel ändern wird, wird angezweifelt. Kassen-Naschschauen, Belegausgabepflichten sowie digitale Sicherheitseinrichtungen für Registrierkassen werden daher bestimmt nicht das Ende der Fahnenstange darstellen. Eines Tages droht wohl die Pflicht der Kunden zur Belegmitnahme.

Ich persönlich finde übrigens den Weg sehr charmant, den Portugal, Tschechien, Lettland und andere Länder - zumindest zeitweise - gegangen sind: Vereinfacht gesagt können Steuerbürger ihre Kassenzettel bei der Steuerbehörde einreichen und nehmen anschließend an einer Beleg-Lotterie teil. Wird der Kassenzettel gezogen, winken dem Inhaber des Bons lukrative Gewinne. Aber wehe dem Unternehmer, dessen Kassenzettel gezogen wurde, wenn er den entsprechenden Umsatz nicht versteuert oder einen falschen Kassenzettel ausgestellt hat. Ihn erwarten äußerst unangenehme Fragen seines Finanzamts.

Die "Lotterie-Länder" berichten jedenfalls - trotz einiger Pannen bei den Verlosungen - von großen Erfolgen bei der Bekämpfung des Steuerbetrugs. Und die ehrlichen Unternehmer wird es freuen, denn ihr Geschäft wird seitdem durch die schwarzen Schafe der Branche weniger bedroht.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Christian Herold

Redaktion Steuerrat24

 

I. Beruflicher Bereich

1. Erstausbildung und Erststudium:
Riesige Enttäuschung und keine Besserung

Aufwendungen für die erste Berufsausbildung und für ein Erststudium als Erstausbildung, welche nicht im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses (z.B. Lehre, duales Studium, Referendariat) absolviert werden, sind nach geltendem Recht nur begrenzt bis zu 6.000 EUR (bis 2011: 4.000 EUR) als Sonderausgaben absetzbar, während die Kosten für jegliche Bildungsmaßnahmen nach abgeschlossener Berufsausbildung oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses - auch für eine Lehre oder ein Erststudium nach einer Lehre - in voller Höhe als Werbungskosten berücksichtigt werden (§ 9 Abs. 6, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Der Unterschied ist enorm:

  • Der Sonderausgabenabzug wirkt sich nur dann steuermindernd aus, wenn andere Einkünfte - auch des Ehegatten - vorliegen, von denen die Ausgaben abgezogen werden können. Ist dies nicht der Fall, verpufft die vermeintliche Steuervergünstigung wirkungslos. Denn anders als beim Werbungskostenabzug führen die Kosten hier nicht zu einem "Verlust", der in kommende Jahre vorgetragen werden könnte und schließlich im ersten Berufsjahr zu einer hübschen Steuererstattung führen würde. Was von den Ausbildungskosten im Jahr der Zahlung nicht mit Einkünften verrechnet werden kann, ist steuerlich verloren. Zudem ist der Sonderausgabenabzug auf einen Höchstbetrag begrenzt, während der Werbungskostenabzug unbegrenzt möglich ist. Dies ist von besonderer Bedeutung für Piloten, deren Ausbildungskosten oft über 70.000 Euro betragen.
  • Aufwendungen für eine Ausbildung nach abgeschlossener Erstausbildung (Zweitausbildung, Zweitstudium) und für Erstausbildungen im Rahmen eines Dienstverhältnisses (Lehre, duales Studium) sind unbegrenzt als Werbungskosten abzugsfähig, soweit sie beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Ein Werbungskostenabzug setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige gegenwärtig bereits Einnahmen erzielt. Erforderlich ist, dass die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen.

Kaum eine andere steuerliche Regelung hat eine solch wechselhafte Geschichte wie die der Ausbildungskosten:

  • Nach einer Neuregelung im Jahre 2004 wurden Aufwendungen für ein Erststudium und für eine erstmalige Berufsausbildung außerhalb eines Ausbildungsdienstverhältnisses nur begrenzt bis 4.000 EUR (6.000 EUR ab 2012) als Sonderausgaben berücksichtigt.
  • Im Jahre 2011 hatte der Bundesfinanzhof in etlichen Urteilen entschieden, dass die Kosten für ein Erststudium - auch im Anschluss an das Abitur - in unbegrenzter Höhe als vorab entstandene Werbungskosten absetzbar sind (BFH-Urteile vom 28.7.2011, VI R 7/10, VI R 38/10 u.a.).
  • Mit dem "Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz" vom 7.12.2011 hat der Gesetzgeber die vorteilhaften BFH-Urteile in den Orkus verbannt und die alte Rechtslage wieder hergestellt. Die Ausbildungskosten sollten weiterhin nur begrenzt als Sonderausgaben abziehbar sein. Die Neuregelung trat am 14.12.2011 in Kraft, galt aber rückwirkend ab 2004. Ein umstrittenes Verfahren!
  • Im Jahre 2014 hat der Bundesfinanzhof (6. Senat) erneut ausführlich und fundiert dargelegt, dass auch Aufwendungen für die Erstausbildung zu einem Beruf als Werbungskosten berücksichtigt werden müssten. Die BFH-Richter baten das Bundesverfassungsgericht um Klärung, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium als Erstausbildung nicht als Werbungskosten anerkannt werden (BFH-Beschlüsse vom 17.7.2014, VI R 61/11, VI R 2/12, VI R 8/12 u.a.).

AKTUELL hat das Bundesverfassungsgericht - nach über 5 Jahren(!) - endlich die heiß umstrittene Frage mit weitreichender Bedeutung für Millionen von (ehemaligen) Studierenden und zahlreichen Piloten geklärt - leider zur großen Enttäuschung aller Betroffenen und zur Freude des Fiskus: Die derzeitige gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß. Dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium als Erstausbildung nicht als Werbungskosten abgesetzt werden können, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Die Verfassungshüter widersprechen damit den höchsten Finanzrichtern! (BVerfG-Beschluss vom 19.11.2019, 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 27/14, veröffentlicht am 10.1.2020).

  • Die Verfassungshüter bestätigen wohl, dass es eine steuerliche Ungleichbehandlung gibt von Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium als Erstausbildung (Sonderausgaben) mit Aufwendungen für zweite oder weitere Ausbildungen sowie Aufwendungen für eine erste Berufsausbildung oder ein Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses (Werbungskosten). Doch für die Zuordnung der Erstausbildung zu den Sonderausgaben gebe es sachlich einleuchtende Gründe. Zum einen seien diese Aufwendungen wesentlich privat (mit-)veranlasst, weil die erste Berufsausbildung typischerweise zu den Grundvoraussetzungen für die Lebensführung gehöre. Die Erstausbildung unmittelbar nach dem Schulabschluss vermittele nicht nur Berufswissen, sondern präge die Person in einem umfassenderen Sinne. Zum anderen sei die Erstausbildung noch von der Unterhaltspflicht der Eltern umfasst. Diese schulden dem Kind eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht.
  • Die Verfassungshüter halten die Ungleichbehandlung zwischen Erstausbildung und Zweitausbildung für verfassungskonform. Für die Zuordnung der Zweitausbildung zu den Werbungskosten sei entscheidend, ob im Einzelfall eine berufliche Veranlassung gegeben ist. Hier können die Motive sehr unterschiedlich sein. Dazu zählen Fort- und Weiterbildungen für den bereits ausgeübten Beruf oder für eine Spezialisierung in der bisherigen Berufstätigkeit ebenso wie Umschulungen oder eine völlige berufliche Neuorientierung. Da Zweitausbildungen nicht mehr in den Grenzbereich zwischen allgemeinbildender Schule und erstmaliger Erwerbstätigkeit fallen, fehlt hier - anders als bei Erstausbildungen - die Grundvoraussetzung für die persönliche Entwicklung und die Erlangung und Festigung einer gesellschaftlichen Stellung.
  • Die Verfassungshüter halten auch die Ungleichbehandlung zwischen Erstausbildung und Erststudium innerhalb und außerhalb eines Dienstverhältnisses für verfassungskonform. Weil im Rahmen des Dienstverhältnisses die Vergütung steuerpflichtig ist, können anfallende Ausbildungskosten als Werbungskosten abgezogen werden, z.B. bei Lehre oder dualem Studium.

Wir haben unseren Leserinnen und Lesern seit vielen Jahren dazu geraten, ihre Studien- und Ausbildungskosten als Werbungskosten geltend zu machen, bei Ablehnung Einspruch gegen die Steuerbescheide einzulegen und unter Hinweis auf die Verfassungsbeschwerden das Ruhenlassen zu beantragen. Seit März 2015 versehen die Finanzämter bezüglich der "Ausbildungskosten" von Amts wegen alle Steuerbescheide mit einem Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO (BMF-Schreiben vom 20.2.2015). Das bedeutet, dass die Steuerbescheide in diesem Punkt offen blieben. Da aber nun die letzte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts leider nicht positiv ist, wird die Finanzverwaltung bald alle Steuerbescheide mittels Allgemeinverfügung für bestandskräftig erklären, ohne dass Sie eine Einspruchsentscheidung bekommen. Damit ist das Thema "Studien- und Ausbildungskosten" erledigt.

Weitere Informationen: Erststudium: Studienkosten nur begrenzt als Sonderausgaben absetzbar

 

2. Pilotenausbildung:
Weiterhin Zweiklassengesellschaft bei der Steuer

Die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer und der Erwerb der Berufspilotenlizenz (ATPL) ist so ziemlich die teuerste Berufsausbildung überhaupt. Wer seinen vermeintlichen Traumjob verwirklichen möchte, muss mit Kosten von 70.000 EUR bis 80.000 EUR für die Flugschule und weiteren Ausgaben für Fahrten, Auslandsaufenthalt usw. rechnen. Alle Kosten sind selbst zu stemmen, denn die Möglichkeit eines Ausbildungsdienstverhältnisses mit einer Fluggesellschaft sucht man vergebens. Also gibt es noch nicht einmal eine Vergütung während der Ausbildungszeit von rund 18 Monaten. Die hohen Kosten der Ausbildung sind steuerlich absetzbar. Zu unterscheiden ist allerdings, ob die Pilotenausbildung die erste Berufsausbildung ist oder ob man vorher bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Gerade bei diesem "Pilotenfall" zeigt sich nun die grobe Ungerechtigkeit unseres Steuerrechts.

(1) Pilotenausbildung als Zweitausbildung

Wer bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, kann die Kosten der Pilotenausbildung in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend machen. Die Ausbildungskosten werden zunächst mit anderen Einkünften verrechnet (sog. Verlustausgleich). Ein verbleibender Verlust wird auf kommende Jahre vorgetragen (sog. Verlustabzug) - so lange, bis erstmals Einkünfte erzielt werden. So können die Ausbildungskosten im ersten und ggf. noch im zweiten Jahr der späteren Pilotentätigkeit zu einer außerordentlich erfreulichen Steuererstattung führen, mit der wenigstens ein Teil der hohen Ausgaben zurückfließt (§ 9 Abs. 6 EStG; BFH-Urteil vom 27.5.2003, VI R 85/02; BFH-Urteil vom 30.9.2008, VI R 4/07).

(2) Pilotenausbildung als Erstausbildung

Wer die Pilotenausbildung als erste Berufsausbildung, etwa im Anschluss an das Abitur, absolviert, kann die Ausbildungskosten nur begrenzt bis 6.000 EUR als Sonderausgaben absetzen (bis 2011: 4.000 EUR). Der Sonderausgabenabzug wirkt sich nur dann steuermindernd aus, wenn andere Einkünfte - auch des Ehegatten - vorliegen, von denen die Ausgaben abgezogen werden können. Ist dies nicht der Fall, verpufft die vermeintliche Steuervergünstigung wirkungslos. Was von den Ausbildungskosten im Jahr der Zahlung nicht mit Einkünften verrechnet werden kann, ist steuerlich verloren (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Der Abzug als Sonderausgaben hat gegenüber dem Werbungskostenabzug zwei wesentliche Nachteile:

  • Zum einen bedeutet der Höchstbetrag von 6.000 EUR eine rigide Begrenzung, denn die Pilotenausbildung ist um ein Vielfaches höher. Beim Werbungskostenabzug hingegen würden die Kosten in vollem Umfang berücksichtigt.
  • Zum anderen läuft der Abzug als Sonderausgaben ins Leere, wenn während der Ausbildung keine oder nur geringe Einkünfte vorliegen. Denn anders als bei Werbungskosten wird ein "Verlust" nicht festgestellt und nicht in Folgejahre vorgetragen. Und so können sich die verausgabten Ausbildungskosten nicht im ersten und ggf. zweiten Berufsjahr steuermindernd auswirken und zu einer hübschen Steuererstattung führen.

Im Juli 2011 hatte der Bundesfinanzhof in mehreren Urteilen schon einmal entschieden, dass die Kosten für eine Pilotenausbildung auch dann in voller Höhe als vorab entstandene Werbungskosten absetzbar sind, wenn es sich um die erste Berufsausbildung handelt (BFH-Urteile vom 28.7.2011, VI R 5/10, VI R 8/09, VI R 38/10, VI R 59/09, VI R 22/09).

Daraufhin hat der Gesetzgeber den ausschließenden Gesetzeswortlaut präziser formuliert und die vorteilhaften BFH-Urteile in den Orkus verbannt. Die Ausbildungskosten sollten weiterhin nur begrenzt als Sonderausgaben abziehbar sein. Die Neuregelung trat am 14.12.2011 in Kraft, galt aber rückwirkend ab 2004. Ein umstrittenes Verfahren! ("Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz" vom 7.12.2011).

Im Jahre 2014 hat der Bundesfinanzhof (6. Senat) erneut ausführlich und fundiert dargelegt, dass trotz neuer Gesetzesregelung auch Aufwendungen für die Erstausbildung zu einem Beruf - also Pilotenausbildung nach dem Abitur - in vollem Umfang als Werbungskosten berücksichtigt werden müssten. Die BFH-Richter baten das Bundesverfassungsgericht um Klärung, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium als Erstausbildung nicht als Werbungskosten anerkannt werden (BFH-Beschlüsse vom 17.7.2014, VI R 61/11, VI R 2/12, VI R 8/12 u.a.).

AKTUELL hat das Bundesverfassungsgericht - nach über 5 Jahren(!) - endlich die heiß umstrittene Frage zur steuerlichen Behandlung von Ausbildungskosten entschieden - leider zum Nachteil der betroffenen Piloten, die ihre Ausbildung als Erstausbildung nach dem Abitur absolviert haben: Die derzeitige gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß. Dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung nicht als Werbungskosten abgesetzt werden können, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Die Verfassungshüter widersprechen damit den höchsten Finanzrichtern! (BVerfG-Beschluss vom 19.11.2019, 2 BvL 23/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 27/14, veröffentlicht am 10.1.2020).

Vier der sechs Verfassungsbeschwerden betrafen Piloten, denen die steuerliche Berücksichtigung ihrer fünfstelligen hohen Ausbildungskosten als Werbungskosten verweigert worden war. Umso enttäuschender ist es, dass die Verfassungshüter sie als kleine unbedeutende Randgruppe abtun, die keine Beachtung finden muss. Während unser Steuerrecht nicht zuletzt wegen der Einzelfallgerechtigkeit derart kompliziert ist, wirkt der Verzicht darauf in diesem Fall wie Hohn für die Betroffenen:

  • "Der Zusammenhang von Ausbildungskosten mit der späteren Erwerbstätigkeit ist zwar gerade bei der Ausbildung zum Berufspiloten sehr konkret. Schon die vertragliche Ausgestaltung der Pilotenausbildung zielt in vielen Fällen darauf oder legt es zumindest nahe, dass sich an die Ausbildung unmittelbar ein Beschäftigungsverhältnis bei einer bestimmten Fluggesellschaft anschließt" (Rz. 130). Aha! Dies spricht doch klar für den Werbungskostenabzug!
  • "Doch hierbei handelt es sich um eine zahlenmäßig unbedeutende Sonderkonstellation." Im Jahr 2014 seien lediglich 1.008 Neuanmeldungen zur Ausbildung fliegerischen Personals erfolgt, was einem Anteil von 0,1 % aller Teilnehmer von vollqualifizierenden Berufsausbildungen entspreche. Darunter seien auch Personen, die bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen hätten oder - insbesondere beim Militär - in einem Ausbildungsdienstverhältnis stünden (Rz. 130, 84). Oho, einer kleinen Gruppe wird das Recht verweigert!
  • "Die geringe Zahl spricht dafür, dass der Gesetzgeber diese Fälle in Ausübung seiner Typisierungskompetenz vernachlässigen durfte, weil er sich grundsätzlich am Regelfall orientieren darf und nicht gehalten ist, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen" (Rz. 130). Tja, eben Pech gehabt!
  • Geradezu hanebüchen ist die Begründung, dass die Pilotenausbildung auch privat mitveranlasst und wegen fehlender Aufteilungsmöglichkeit vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen sei: Die Piloten würden Inhalte erlernen, "die auch außerhalb der Fliegerei genutzt werden könnten, wie Risikoeinschätzung, Umgang mit Gefahrensituationen, medizinische und psychologische Kenntnisse. Zudem könne die Ausbildung auch einen Nutzen für die Privatfliegerei mit sich bringen" (Rz. 85, 132). Wie bitte!? Als ob der Vorteil der Privatnützigkeit nicht für alle Fortbildungen gilt!
  • Als weitere Rechtfertigung des Werbungskostenausschlusses nennen die Verfassungshüter, dass die Piloten mehr Möglichkeiten hätten, später ins Ausland zu ziehen und so einer Besteuerung in Deutschland zu entgehen (Rz. 85). Als ob diese Möglichkeit nicht für alle Bürger besteht!
  • Die Erstausbildung sei auch deswegen der Lebensführung zuzurechnen, weil diese noch von der Unterhaltspflicht der Eltern umfasst sei. "Die Eltern schulden eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht." Der Staat berücksichtige die Unterhaltsverpflichtung durch Kindergeld und Kinderfreibetrag bei der Steuer sowie durch BAföG (Rz. 125). Als ob Eltern tatsächlich verpflichtet wären, neben dem Lebensunterhalt mal eben 70.000 EUR für die Schulung der Tochter oder des Sohnes aufzubringen!
  • Weshalb der Gesetzgeber sich so beharrlich weigert, die Kosten für eine Erstausbildung als Werbungskosten zu akzeptieren, und dafür mehrere Gesetzesänderungen initiiert, hat ganz einfach einen fiskalischen Grund: Er will damit Steuerausfälle von jährlich über 1 Milliarde EUR vermeiden (Rz. 10; BT-Drucksache 15/3339 vom 16.6.2004, S. 2; ebenso BT-Drucksache 17/7524 vom 26.10.2011, S. 5). Wie Hohn klingt die gebetsmühlenartige Parole der Politik, es müsse mehr in Bildung investiert werden! Doch der Fiskus sieht keinen Zusammenhang zwischen Pilotenausbildung und späterem Einkommen!

Wir haben unseren Leserinnen und Lesern seit vielen Jahren dazu geraten, ihre Studien- und Ausbildungskosten als Werbungskosten geltend zu machen, bei Ablehnung Einspruch gegen die Steuerbescheide einzulegen und unter Hinweis auf die Verfassungsbeschwerden das Ruhenlassen zu beantragen. Seit März 2015 versehen die Finanzämter bezüglich der "Ausbildungskosten" von Amts wegen alle Steuerbescheide mit einem Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO (BMF-Schreiben vom 20.2.2015). Das bedeutet, dass die Steuerbescheide in diesem Punkt offen blieben. Da aber nun die letzte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts leider nicht positiv ist, wird die Finanzverwaltung bald alle Steuerbescheide mittels Allgemeinverfügung für bestandskräftig erklären, ohne dass Sie eine Einspruchsentscheidung bekommen. Damit ist das Thema "Studien- und Ausbildungskosten" erledigt.

Weitere Informationen: Aus- und Fortbildung: Pilotenausbildung und Kosten der Fluglizenz

 

3. Auswärtstätigkeit:
Bei Dienst an verschiedenen Stellen keine erste Tätigkeitsstätte

Zentraler Punkt zur Abgrenzung zwischen normaler Arbeitsstätte und Auswärtstätigkeit mit unterschiedlichen Steuerregeln ist seit 2014 der neue Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte". Dies ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder - das ist neu - eines Fremdunternehmens, der der Arbeitnehmer "dauerhaft" zugeordnet ist (§ 9 Abs. 4 EStG).

Die Bestimmung der "ersten Tätigkeitsstätte" erfolgt vorrangig anhand der arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen durch den Arbeitgeber. Sind solche nicht vorhanden oder sind die getroffenen Festlegungen nicht eindeutig, sind hilfsweise quantitative Kriterien zum Umfang der Arbeitszeit maßgebend. So ist eine dauerhafte Zuordnung anzunehmen, wenn die Tätigkeit an der Arbeitsstätte unbefristet ("bis auf Weiteres"), für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses (befristet oder unbefristet) oder über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten erfolgt.

AKTUELL hat das Finanzgericht Rheinland entschieden, dass ein Feuerwehrmann, der nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, seinen Dienst an verschiedenen Einsatzstellen zu leisten, keine "erste Tätigkeitsstätte" hat. Folglich kann er für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht nur die Entfernungspauschale, sondern die tatsächlichen Fahrtkosten als Werbungskosten geltend machen (Urteil vom 28.11.2019, 6 K 1475/18).

  • Der Fall: Der Kläger ist bei einer Landesbehörde als Feuerwehrmann angestellt und hat seinen Dienst - jeweils 24-Stunden-Schichten - nach besonderer Einzelweisung alternativ an vier verschiedenen Einsatzstellen zu verrichten. Im Jahre 2016 war er ausschließlich in einer 15 km von seinem Wohnort entfernten Feuerwache eingesetzt. In der Einkommensteuererklärung machte der Feuerwehrmann die Fahrten von seiner Wohnung zu dieser Feuerwache hin und zurück als Dienstreisen geltend (112 Tage x 15 km x 2 x 0,30 EUR = 1.008 EUR). Das Finanzamt hingegen vertrat die Auffassung, dass nur die Entfernungspauschale (112 Tage x 15 km x 0,30 EUR = 504 EUR) zu berücksichtigen sei, weil es sich nicht um Dienstreisen bzw. Auswärtstätigkeit, sondern um Fahrten zur "ersten Tätigkeitsstätte" gehandelt habe.
  • Nach Auffassung der Richter ist die an 112 Tagen aufgesuchte Feuerwache nicht als "erste Tätigkeitsstätte" anzusehen. Dies setze nämlich voraus, dass der Arbeitnehmer entweder einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet sei oder dort dauerhaft mindestens je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden solle. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt, weil der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet sei, jeweils nach Einzelanweisung seinen Dienst an vier verschiedenen Einsatzstellen zu leisten, und der Arbeitgeber ihn von einem Tag auf den anderen an eine der anderen Einsatzstellen beordern könne. Dass der Feuerwehrmann rückblickend tatsächlich nur in einer Feuerwache eingesetzt gewesen sei, sei irrelevant.

Weitere Informationen: Das neue Reisekostenrecht ab 2014: Wann liegt eine Auswärtstätigkeit vor?

 

4. Sachbezüge:
Steuervorteil für Mitarbeiterwohnungen des Arbeitgebers

Die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seinen Wohnraum gehören grundsätzlich zu den steuerlich nicht abzugsfähigen Kosten der privaten Lebensführung (§ 12 EStG). Deshalb sind Vorteile, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Grund des Arbeitsverhältnisses in Form einer unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Wohnraum gewährt, als Sachbezug zu versteuern (§ 19 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG).

Die Mietvorteile aus der verbilligten oder kostenlosen Arbeitgeberwohnung sind mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort (ortsüblicher Mietwert) zu bewerten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG). Als "ortsüblicher Mietwert" ist die Kaltmiete zuzüglich der umlagefähigen Kosten anzusetzen, die für eine nach Baujahr, Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage vergleichbare Wohnung üblich ist (Vergleichsmiete). "Ortsüblicher Mietwert" ist auch der niedrigste Mietwert der Mietpreisspanne des Mietspiegels für vergleichbare Wohnungen zuzüglich der umlagefähigen Kosten, die konkret auf die überlassene Wohnung entfallen.

AKTUELL gilt seit dem 1.1.2020 bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Sachbezugs für eine Mietwohnung, die der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter überlässt, ein neuer Bewertungsabschlag. Der Bewertungsabschlag beträgt ein Drittel vom ortsüblichen Mietwert und wirkt wie ein Freibetrag. Der Sachbezugsansatz soll danach unterbleiben, soweit das gezahlte Entgelt mindestens zwei Drittel des ortsüblichen Mietwerts beträgt und dieser nicht mehr als 25 EUR je Quadratmeter Kaltmiete beträgt (§ 8 Abs. 2 Satz 12 EStG, eingefügt durch das "Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" vom 12.12.2019).

Die nach Anwendung des Bewertungsabschlags ermittelte Vergleichsmiete ist Bemessungsgrundlage für die Bewertung der Mietvorteile. Das vom Arbeitnehmer tatsächlich gezahlte Entgelt (tatsächlich erhobene Miete und tatsächlich abgerechnete Nebenkosten) für die Wohnung ist auf die Vergleichsmiete anzurechnen (BFH-Urteil vom 11.5.2011, BStBl. 2011 II S. 946).

  • Die feste Mietobergrenze von 25 EUR/qm bezieht sich auf den ortsüblichen Mietwert ohne die nach der BetrKV umlagefähigen Kosten und dient der Gewährleistung sozialer Ausgewogenheit und Vermeidung der steuerbegünstigten Vermietung von Luxuswohnungen. Beträgt die ortsübliche Kaltmiete mehr als 25 EUR/qm, ist der Bewertungsabschlag nicht anzuwenden.
  • Begünstigt ist nur die Überlassung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken des Arbeitnehmers.
  • Für die Bewertung einer Unterkunft, die keine Wohnung ist, ist wie bisher der amtliche Sachbezugswert nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung maßgebend.
  • Auf die Eigentümereigenschaft des Arbeitgebers als Bauherr oder als Käufer kommt es nicht an. Auch vom Arbeitgeber angemietete Wohnungen, die er dem Arbeitnehmer überlässt, sind durch die Neuregelung begünstigt.

 

5. Fortbildung:
Sky-Abonnement bei einem Bundesligatrainer als Werbungskosten?

Viele Fußball-Interessierte haben ein Abonnement des Pay-TV-Senders Sky, z.B. für die Programmpakete Fußball Bundesliga und Sport (UEFA Champions League, DFB-Pokal u.a.). Damit kann das Sportvergnügen gesteigert werden, weshalb die Abo-Gebühren zu den nichtabzugsfähigen Kosten der privaten Lebensführung zählen. Die Frage ist, ob die Abonnementgebühren bei einem Profi-Fußballspieler oder -Trainer beruflich veranlasst sein können und deshalb als Werbungskosten absetzbar sind.

  • In der Vergangenheit haben drei Finanzgerichte die Kosten für ein Sky-Abonnement mit Sportpaket bzw. Bundesliga-Paket als Werbungskosten abgelehnt. Und zwar bei einem Profi-Fußballspieler, bei einem Lizenzfußballspieler der 2. Bundesliga und bei einem Torwarttrainer im Bereich des Lizenzfußballs. Die Betroffenen hatten ihr Begehren damit begründet, das Abonnement diene ihnen zur Spielvorbereitung und damit als Arbeitsmittel. Die Richter verweigerten die Anerkennung, weil das Abonnement eher mit dem Bezug von allgemeinbildenden Tageszeitungen und Zeitschriften vergleichbar sei, deren steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen ist (FG Rheinland-Pfalz vom 18.7.2014, 1 K 1490/12; FG Münster vom 24.3.2015, 2 K 3027/12 E; FG Düsseldorf vom 14.9.2016, 15 K 1712/15 E).
  • ABER der Bundesfinanzhof hat das Urteil des FG Düsseldorf aufgehoben und zugunsten des Fußballtrainers entschieden: Die Aufwendungen eines hauptamtlichen Torwarttrainers im Bereich des Lizenzfußballs für ein Sky-Bundesliga-Abo können Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit sein. Voraussetzung dafür ist, dass das Sky-Abonnement unmittelbar der Erledigung beruflicher Aufgaben dient und ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend beruflich genutzt wird. Dabei ist eine geringfügige private Mitbenutzung unschädlich (BFH-Urteil vom 16.1.2019, VI R 24/16).

AKTUELL hat das Finanzgericht Düsseldorf im zweiten Rechtsgang bei dem Torwarttrainer die Kosten für das Sky-Bundesliga-Abo als Werbungskosten anerkannt - ausnahmsweise (FG Düsseldorf 5.11.2019, 15 K 1338/19 E).

Nach Auffassung des Finanzgerichts ist der Werbekostenabzug nach einer umfassenden Anhörung des Klägers und der Vernehmung von Zeugen in diesem Fall ausnahmsweise zulässig. Der Kläger habe das Sky-Bundesliga-Abo nahezu ausschließlich beruflich genutzt. Er habe für seine Trainertätigkeit Spielszenen ausgewertet, sich über Spieler sowie Vereine umfassend informiert und sich zugleich für eigene Pressestatements rhetorisch geschult. Den Inhalt des Fußball-Pakets habe der Kläger allenfalls in einem unbedeutenden Umfang privat angeschaut. Der steuerliche Abzug der Aufwendungen für ein Sky-Abonnement bleibe aber die Ausnahme. Ein Abzug von Werbungskosten setze immer voraus, dass die Aufwendungen durch die berufliche Tätigkeit veranlasst seien. Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen.

Weitere Informationen: Dienstsport - Betriebssport

 

6. Betriebliche Altersvorsorge:
Höherer Steuerfreibetrag bei Umlagefinanzierung

Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung sind Beiträge des Arbeitgebers an kapitalgedeckte Pensionsfonds, Pensionskassen und zu Direktversicherungen ab 2018bis zu 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung steuerfrei - vorher waren es 4 Prozent (§ 3 Nr. 63 EStG).

  • Im Zeitraum 2008 bis 2013 blieben Arbeitgeberbeiträge an umlagefinanzierte Pensionskassen steuerfrei bis zum Höchstbetrag von 1 % der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung West. In den Jahren 2014 bis 2019 betrug der Höchstbetrag 2 % der Beitragsbemessungsgrenze (§ 3 Nr. 56 EStG).
  • Im Jahre 2019 bleiben Arbeitgeberbeiträge im Umlageverfahren bis zu 1.608 EUR (2 % von 80 400 EUR) steuer- und sozialversicherungsfrei. Der monatliche Betrag beträgt 134 EUR.

AKTUELL beträgt der Umlagesatz in den Jahren 2020 bis 2024 - statt bisher 2 Prozent - künftig 3 Prozent. Folglich bleiben im Jahre 2020 Arbeitgeberbeiträge im Umlageverfahren - statt bis zu 1.608 EUR - bis zu 2.484 EUR steuerfrei (3 % von 82.800 EUR). Der monatliche Betrag steigt von 134 EUR auf 207 EUR.

Voraussetzung für die Steuerfreistellung der Beitragsleistungen des Arbeitgebers ist, dass die Pensionskasse die Auszahlung der zugesagten Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans vorsieht.

Als Hinterbliebene zählen zwar bei Riester-Verträgen nur der Ehegatte und die Kinder, für die ein Anspruch auf Kindergeld oder die steuerlichen Freibeträge besteht. Doch bei der betrieblichen Altersversorgung gelten darüber hinaus auch der frühere Ehegatte und der/die Lebensgefährte/in als Hinterbliebene.

Mit der Steuerfreistellung wurde die nachgelagerte Besteuerung der umlagefinanzierten Versorgungssysteme - vergleichbar der Besteuerung der kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung - eingeführt. Von 2014 bis 2025 steigt der Steuerfreibetrag stufenweise auf 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung. Die Beitragsleistungen in der Ansparphase sind teilweise steuerfrei und die daraus resultierenden Versorgungsleistungen in der Auszahlungsphase in voller Höhe steuerpflichtig. Falls für einen Mitarbeiter auch Beiträge in eine kapitalgedeckte Versorgung eingezahlt werden, sind diese auf den Steuerfreibetrag bei der Umlagefinanzierung anzurechnen. Soweit Versorgungsleistungen auf pauschal oder individuell versteuerten Beiträgen basieren, sind sie - wie bisher - lediglich mit dem Ertragsanteil zu versteuern.

Weitere Informationen: Betriebliche Altersvorsorge im Umlageverfahren

 

7. Mindestlohn:
Attraktive Mindestvergütung für Auszubildende

Das Mindestlohngesetz gilt nicht für Auszubildende, da sie keine Arbeitsverträge, sondern Ausbildungsverträge abschließen (§ 22 Abs. 3 Mindestlohngesetz). Damit gilt der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn seit 2015 nicht für die Höhe der Ausbildungsvergütung. Doch nun dürfen sich auch Azubis über eine bessere Bezahlung freuen.

AKTUELL wird ab dem 1.1.2020 eine Mindestvergütung für Auszubildende unmittelbar im Berufsbildungsgesetz festgeschrieben. Die Höhe der Mindestvergütung im ersten Ausbildungsjahr steigt vom 1. Januar 2020 bis zum 1. Januar 2023 schrittweise an und wird ab dem 1. Januar 2024 auf der Grundlage der durchschnittlichen Entwicklung der vertraglich vereinbarten Ausbildungsvergütungen angepasst werden. Mit fortschreitender Berufsausbildung wird die Mindestvergütung durch einen Aufschlag ergänzt, der dem Beitrag des Auszubildenden zur betrieblichen Wertschöpfung angemessen Rechnung trägt. So steigen die Bezüge im zweiten Ausbildungsjahr um 18 Prozent, im dritten Ausbildungsjahr um 35 Prozent und im vierten Ausbildungsjahr um 40 Prozent gegenüber dem jeweiligen Betrag des ersten Lehrjahres. Natürlich haben tarifvertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütungen Vorrang vor der Mindestvergütung (§ 17 BBiG, eingefügt mit dem "Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung" vom 12.12.2019).

So hoch ist die Mindest-Ausbildungsvergütung

 

 

bei Beginn der Berufsausbildung

ab 1.1.2020

ab 1.1.2021

ab 1.1.2022

ab 1.1.2023

im 1. Jahr

im 2. Jahr (+ 18 %)

im 3. Jahr (+ 35 %)

im 4. Jahr (+ 40 %)

515 EUR

608 EUR

695 EUR

721 EUR

550 EUR

649 EUR

743 EUR

770 EUR

585 EUR

690 EUR

790 EUR

819 EUR

620 EUR

732 EUR

837 EUR

868 EUR

Bei der Mindestvergütung handelt es sich um Bruttobeträge. Hiervon gehen jeweils - auf Seiten der Azubis - noch knapp 20 Prozent Sozialabgaben ab. Lohnsteuer müssen Azubis meist nicht zahlen. Sie fällt für einen Azubi mit Steuerklasse I oder IV erst ab einem monatlichen Bruttoentgelt von knapp 1.100 Euro an.

Die Mindestvergütung gilt für alle Berufsausbildungen, die ab dem 1.1.2020 begonnen werden. Pech haben diejenigen, die sich heute schon in einer Ausbildung befinden, denn sie profitieren leider nicht von der Neuregelung. Außerdem sind Ausnahmen von der Mindestvergütung möglich, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften für einzelne Branchen eigene Vereinbarungen treffen. Tarifgebundene Ausbildungsbetriebe können ihren Auszubildenden die für sie geltenden tariflichen Ausbildungsvergütungen zahlen, selbst wenn diese noch unter den o.g. Sätzen liegen. Oberhalb der MAV darf die vereinbarte Ausbildungsvergütung die in den einschlägigen Tarifverträgen festgelegte Vergütung um nicht mehr als 20 % unterschreiten.

  • Die Mindestausbildungsvergütung gilt auch für außerbetriebliche Ausbildungen. Derzeit erhalten Auszubildende lediglich 391 EUR im Monat. Die Agentur für Arbeit erstattet bei außerbetrieblicher Ausbildung dem Maßnahmeträger künftig den an den Auszubildenden gezahlten Betrag bis zur Höhe der MAV. Zudem wird die Einführung der MAV auch für die Ausbildungsförderung von Menschen mit Behinderungen unter Berücksichtigung des bisherigen Leistungssystems und der Möglichkeit der Aufstockung der Bedarfssätze des Ausbildungsgeldes auf die Höhe der Netto-MAV (nach Abzug der Steuern und einer Sozialversicherungspauschale) nachvollzogen.
  • Falls tarifvertraglich eine niedrigere Ausbildungsvergütung festgelegt ist, hat diese Vorrang. Soweit die Vergütung per Tarifvertrag geregelt ist, fällt sie nach übereinstimmenden Angaben von Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Regel mindestens so hoch aus, wie es der Gesetzgeber nun vorgibt.

 

8. Gehaltsumwandlung:
Gesetzgeber will positive Rechtsprechung aushebeln

Arbeitgeber haben die Möglichkeit, ihren Mitarbeitern verschiedene Leistungen steuerfrei oder steuerbegünstigt zu gewähren, z.B. Fahrtkostenzuschüsse, Zuschüsse zur Internetnutzung oder Kindergartenzuschüsse. Bei manchen Leistungen ist die Steuerfreiheit oder eine Pauschalversteuerung aber nur dann zulässig, wenn diese "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" gewährt werden. Doch wann treten Leistungen wirklich zum "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" hinzu? Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte jüngst in einer Urteilsserie seine bisherige Auffassung aufgegeben und für die Praxis enorme Erleichterungen zugelassen. Doch nun will der Gesetzgeber wieder zur alten Rechtslage zurückkehren.

Die frühere Auffassung: Die Voraussetzung der "Zusätzlichkeit" ist erfüllt, wenn die zweckbestimmte Leistung zu dem Arbeitslohn hinzukommt, den der Arbeitgeber arbeitsrechtlich schuldet. Es ist nicht zulässig, Gehalt in einen solchen Zuschuss umzuwandeln (sog. Gehaltsumwandlung). Wird eine zweckbestimmte Leistung des Arbeitgebers unter Anrechnung auf den arbeitsrechtlich geschuldeten Arbeitslohn oder durch Umwandlung des arbeitsrechtlich geschuldeten Arbeitslohns gewährt, liegt keine zusätzliche Leistung vor (R 3.33 Abs. 5 LStR 2011).

Doch dann die große Wende des BFH: Er hat jüngst entschieden, dass "ohnehin geschuldeter Arbeitslohn" (nur) derjenige Lohn ist, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringt. Wird Arbeitslohn hingegen verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet, wie es bei Fahrtkosten-, Kindergarten- oder Internetzuschüssen der Fall ist, liegt insoweit "zusätzlicher Arbeitslohn" vor. Damit kommt eine - steuergünstige - Lohnsteuerpauschalierung oder eine Steuerfreiheit selbst dann in Betracht, wenn Arbeitnehmer auf Teile ihres bisherigen Arbeitslohns zugunsten von zweckgebundenen Zuschüssen verzichten (BFH-Urteile vom 1.8.2019, VI R 32/18, VI R 21/17, VI R 40/17). Der BFH stellt dies unter das Motto "Unschädlicher Wechsel der Lohnform" (vgl. SteuerSparbrief November 2019).

AKTUELL will der Gesetzgeber die positive Rechtsprechung des BFH wieder aushebeln. Sehr versteckt im Entwurf des Grundrentengesetzes findet sich die Regelung, die den alten Zustand wieder herstellen soll (§ 8 Abs. 4 EStG - Entwurf). Danach soll gelten: Leistungen des Arbeitgebers (Sachbezüge oder Zuschüsse) werden nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn

  • 1. der Wert der Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • 2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt oder
  • 3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird.

Zum Verständnis der - geplanten - neuen Regelung folgendes Beispiel:

Eine Arbeitnehmerin hat arbeitsrechtlich einen Anspruch auf einen Arbeitslohn von 2.000 EUR monatlich. Im Februar 2021 vereinbart sie mit ihrem Arbeitgeber, dass ab 1.3.2021 der Arbeitslohn ab 1.900 EUR herabgesetzt und dafür ein Kindergartenzuschuss von 100 EUR gezahlt wird. Der ab März 2021 gezahlte Kindergartenzuschuss ist nicht steuerfrei (gemäß § 3 Nr. 33 EStG), da er durch Umwandlung des arbeitsrechtlich geschuldeten Arbeitslohns und damit nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt wird. Es liegt eine "schädliche" Gehaltsumwandlung vor. Es ist steuerlich nicht zulässig, regulär besteuerten Arbeitslohn in steuerbegünstigte Zusatzleistungen umzuwandeln.

STEUERRAT: Natürlich bleibt abzuwarten, ob die neue Regelung tatsächlich verabschiedet wird, zumal die ersten Verbände bereits jetzt Kritik üben. Auch wird spannend sein, ab wann das Gesetz anzuwenden sein wird. Dennoch sollten alle, die derzeit Gehaltsumwandlungen planen, sehr vorsichtig sein und nicht auf den dauerhaften Bestand der BFH-Rechtsprechung vertrauen. Das gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber, denn bei einem Wechsel der Lohnform wird nicht nur ins Steuer- und Sozialversicherungsrecht, sondern insbesondere ins Arbeitsrecht eingegriffen. Das heißt, einmal gewählte Gestaltungen können - arbeitsrechtlich - für die Beteiligten möglicherweise zu nachteiligen Folgen führen, ohne dass diesen Vorteile bei der Lohnsteuer und der Sozialversicherung gegenüberstehen. Arbeitgeber machen sich eventuell sogar schadensersatzpflichtig.

Weitere Informationen:

 

II. Privater Bereich

1. Geschiedene:
Prozesskosten um Unterhalt als Werbungskosten absetzbar

"Ehe kaputt und Kasse leer". Sowohl Trennungsunterhalt an den getrennt lebenden Ehegatten als auch nachehelicher Unterhalt an den geschiedenen Ehegatten schmälern ganz erheblich das verfügbare Einkommen. Der Unterhaltsverpflichtete kann seine Unterhaltsleistungen immerhin als Sonderausgaben bis zu 13.805 EUR absetzen (Realsplitting gemäß § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG). Hierzu aber muss der Ex-Gatte oder die Ex-Gattin die Zustimmung geben und die empfangenen Beträge seinerseits/ihrerseits als sonstige Einkünfte versteuern (§ 22 Nr. 1a EStG). Alternativ kann der Zahler seine Unterhaltsleistungen auch als außergewöhnliche Belastung bis zum Unterhaltshöchstbetrag abziehen, wobei hierzu der Empfänger weder seine Zustimmung geben noch die erhaltenen Beträge versteuern muss. Allerdings spielt die Höhe seines/ihres Einkommens eine Rolle (§ 33a Abs. 1 EStG).

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts als Werbungskosten absetzbar sind, wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1a EStG versteuert (FG Münster vom 3.12.2019, 1 K 494/18 E).

  • Der Fall: Die Klägerin und ihr mittlerweile geschiedener Ehemann trennten sich im Jahr 2012. Vor dem Amtsgericht führten beide ein familienrechtliches Streitverfahren, das die Scheidung, den Versorgungsausgleich sowie den nachehelichen Unterhalt umfasste. Im Jahr 2014 wurde die Ehe durch Beschluss des Amtsgerichts geschieden und der frühere Ehemann der Klägerin zu monatlichen Unterhaltszahlungen verpflichtet. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts klagte die Frau auf höhere monatliche Zahlungen. Im Jahr 2015 kam ein gerichtlicher Vergleich über die Unterhaltshöhe zustande. In ihrer Einkommensteuererklärung 2015 erklärte die Klägerin sonstige Einkünfte in Höhe der erhaltenen Unterhaltszahlungen und machte die Prozesskosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten) steuermindernd geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab.
  • Nach Auffassung der Richter sind bei der Unterhaltsempfängerin die Prozesskosten als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil sie die Unterhaltszahlungen von ihrem Ex-Gatten nach § 22 Nr. 1a EStG versteuert. Die Frau habe die Prozesskosten aufgewendet, um zukünftig (höhere) Einkünfte in Form von Unterhaltsleistungen zu erhalten. Die Unterhaltszahlungen seien gemäß § 22 Nr. 1a EStG als steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln, weil der Ex-Gatte als Zahlungsverpflichteter die Möglichkeit gehabt habe, seine Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1a EStG abzuziehen, sog. Realsplitting. Die Unterhaltszahlungen würden den übrigen Einkünften insoweit vollständig gleichgestellt. Daraus folge, dass auch ein Werbungskostenabzug vollumfänglich möglich sein müsse.

Weitere Informationen: Geschiedene: Unterhalt an den Ex-Ehegatten

 

2. Altersvorsorge:
Erhöhung des Sonderausgaben-Abzugsbetrages im Jahre 2020

Zu den Aufwendungen für die Altersvorsorge zählen die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, berufsständischen Versorgungseinrichtung, landwirtschaftlichen Alterskasse, Rürup-Rentenversicherung sowie seit 2014 zu einer Basis-Berufsunfähigkeitsversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG). Die Beiträge sind als Sonderausgaben absetzbar bis zu einem bestimmten Höchstbetrag, sie wirken sich allerdings bis zum Jahre 2025 tatsächlich nur mit einem bestimmten Prozentsatz steuermindernd aus. Dieser Prozentsatz verändert sich jährlich, begann im Jahre 2005 mit 60 % und steigt bis zum Jahre 2025 auf 100 % (§ 10 Abs. 3 EStG).

  • In den Jahren 2005 bis 2014 betrug der Höchstbetrag 20.000 EUR bzw. 40.000 EUR (Alleinstehende / Verheiratete). Steuermindernd wirkten sich die Beiträge in 2014 mit 78 % aus, höchstens 15.600 EUR / 31.200 EUR (das sind 78 % von 20.000 EUR / 40.000 EUR).
  • Seit 2015 ist der Höchstbetrag gekoppelt an den Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung, aufgerundet auf einen vollen Euro-Betrag. Für Verheiratete, die zusammen veranlagt werden, verdoppelt sich der Betrag. Zuletzt sind im Jahre 2019 die Altersvorsorgebeiträge insgesamt absetzbar bis zu 24.305 EUR bei Ledigen und 48.610 EUR bei Verheirateten. Diese Beiträge wirken sich mit 88 % steuermindernd aus, also mit höchstens 21.388 EUR bzw. 42.776 EUR.

AKTUELL steigt im Jahre 2020 der abzugsfähige Vorsorgehöchstbetrag weiter: Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, berufsständischen Versorgungseinrichtung, landwirtschaftlichen Alterskasse, Rürup-Rente sowie zu einer bestimmten Berufsunfähigkeitsversicherung sind insgesamt absetzbar bis zu 25.046 EUR bei Ledigen und 50.092 EUR bei Verheirateten. Aber diese Beiträge wirken sich nur mit 90 % steuermindernd aus, also mit höchstens 22.541 EUR bzw. 45.082 EUR.

  • Da bei Angestellten der Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung zunächst als Beitrag mit erfasst, davon ein Anteil von 90 % angesetzt und dann wieder in voller Höhe abgezogen wird, ist der Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 2020 tatsächlich nur mit 80 % absetzbar.
  • Bei Beamten und anderen rentenversicherungsfreien Personen wird der Höchstbetrag von 25.046 EUR bzw. 50.092 EUR zunächst um einen fiktiven Gesamtbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt und erst dann mit 90 % angesetzt. Der Kürzungsbetrag beträgt 18,6 % des Gehalts, maximal 77.400 EUR (Beitragsbemessungsgrenze Ost).

HINWEIS: Der Höchstbeitrag in der knappschaftlichen Rentenversicherung ergibt sich anhand des Beitragssatzes (2020: 24,7 %) und der Beitragsbemessungsgrenze (2020: 8.450 EUR). Das sind im Jahre 2020: 8.450 EUR x 12 = 101.400 EUR x 24,7 % = 25.045,80 EUR, aufgerundet 25.046 EUR. Dieser Wert gilt in West und Ost.

Weitere Informationen: Vorsorge: Beiträge zur Altersvorsorge

 

3. Vorsorge:
Ende der Günstigerprüfung für Selbstständige und Rentner

Vorsorgeaufwendungen werden seit 2005 nach neuen Regeln steuerlich berücksichtigt. Seit 2010 gibt es für Vorsorgeaufwendungen drei verschiedene Abzugsbeträge: für Beiträge zur Altersvorsorge, zur Basiskranken- und Pflegepflichtversicherung sowie zu anderen Versicherungen. Demgegenüber gab es bis zum Jahr 2004 für sämtliche Versicherungsbeiträge nur einen einheitlichen Vorsorgehöchstbetrag. Um Verschlechterungen zu vermeiden, führte das Finanzamt in den folgenden 15 Jahren von Amts wegen eine sog. Günstigerprüfung durch (§ 10 Abs. 4a EStG).

In den Jahren 2005 bis 2019 prüft das Finanzamt von Amts wegen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung, ob für Sie die neue Regelung oder die alte Regelung des Jahres 2004 günstiger ist. Dabei wird die Summe der drei neuen Höchstbeträge mit dem Vorsorgehöchstbetrag des Jahres 2004 verglichen. Berücksichtigt wird der für Sie günstigere Betrag.

Im Gegensatz zu Arbeitnehmern waren alleinverdienende Selbstständige sowie Rentner und Pensionäre besser gestellt: Sie konnten aufgrund der Günstigerprüfung im Allgemeinen Versicherungsbeiträge (Beiträge zu Renten-, Kranken-, Pflegeversicherung und anderen Versicherungen) in höherem Umfang wie Arbeitnehmer absetzen. Warum? Nun, weil bei ihnen - anders als bei Arbeitnehmern - der Vorwegabzug nicht um 16 % des Arbeitslohns gekürzt wurde.

  • Seit 2011 wird der abzugsfähige Höchstbetrag nach altem Recht 2004 vermindert: Der Vorwegabzug von 3.068 EUR / 6.136 EUR wird im Jahre 2011 auf 2.700 EUR / 5.400 EUR abgesenkt und fortan jährlich um jeweils 300 EUR / 600 EUR verringert (§ 10 Abs. 4a EStG).
  • Das bedeutet: Im Jahre 2019 werden Versicherungsbeiträge bis zu 1.634 EUR / 3.268 EUR in voller Höhe und darüber hinaus bis zu weiteren 1.334 EUR / 2.668 EUR zur Hälfte anerkannt, insgesamt also bis zu 2.301 EUR / 4.602 EUR, sofern Beiträge von mindestens 2.968 EUR / 5.936 EUR nachgewiesen werden

AKTUELL weisen wir darauf hin, dass im Jahre 2020 die bisherige Günstigerprüfung ausläuft. Das Finanzamt prüft also zu den Vorsorgeaufwendungen nicht mehr im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung, ob für Sie die neue Rechtslage oder die alte Regelung des Jahres 2004 günstiger ist.

Vordruck: Berechnung der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen 2020 (PDF).

Weitere Informationen: Vorsorge: Günstigerprüfung mit der Regelung des Jahres 2004

 

III. Kinder

1. Trennungskinder:
Mehr Unterhalt aufgrund neuer Düsseldorfer Tabelle

Geschiedene und getrennt lebende Väter sowie Väter nichtehelicher Kinder müssen für ihre Kinder, die beim anderen Elternteil leben, Barunterhalt leisten. Der Kindesunterhalt - genauer: der Mindestunterhalt - orientiert sich seit 2016 nicht mehr am steuerlichen Kinderfreibetrag, sondern am "steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum" des Kindes. Doch anders als im Steuerrecht, wo die Höhe des Existenzminimums von Kindern für alle Altersstufen gilt, wird im Unterhaltsrecht nach drei Altersstufen differenziert (§ 1612a BGB). Diese Mindestunterhaltsbeträge werden vom Bundesjustizministerium festgelegt und sind die Grundlage für die sog. "Düsseldorfer Tabelle".

AKTUELL hat das Oberlandesgericht Düsseldorf für das Jahr 2020 eine neue Düsseldorfer Tabelle mit höheren Unterhaltsbeträgen veröffentlicht: Der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder beträgt bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres (1. Altersstufe) 369 statt bisher 354 EUR, für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres (2. Altersstufe) 424 statt bisher 406 EUR und für die Zeit vom 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit (3. Altersstufe) 479 statt bisher 476 EUR monatlich. Diese Erhöhung des Mindestunterhalts führt zugleich zu einer Änderung der Bedarfssätze der zweiten bis zehnten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle.

So hoch ist der monatliche Unterhaltsbedarf im Jahre 2020 (in Euro)

 

Einkom-
mens-
gruppe

Nettoeinkommen
des Barunterhalts-
pflichtigen

Alter des Kindes

Prozent-

satz

Bedarfs-

kontroll-

betrag

0- 5

6-11

12-17

ab 18

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

bis 1.900

1.901 - 2.300

2.301 - 2.700

2.701 - 3.100

3.101 - 3.500

3.501 - 3.900

3.901 - 4.300

4.301 - 4.700

4.701 - 5.100

5.101 - 5.500

369

388

408

425

443

473

502

532

561

591

424

446

467

488

509

543

577

611

645

679

497

522

547

572

597

637

676

716

756

796

530

557

583

610

636

679

721

764

808

848

100

105

110

115

120

128

136

144

152

160

960/1160

1.400

1.500

1.600

1.700

1.800

1.900

2.000

2.100

2.200

 

ab 5.501

nach den Umständen des Falles

   

Bei der Berechnung des Kindesunterhalts spielt das Kindergeld eine wichtige Rolle: Das Kindergeld für ein minderjähriges Kind steht den Eltern zu, und zwar beiden Elternteilen je zur Hälfte. Da es in voller Höhe an den betreuenden Elternteil ausbezahlt wird, darf der barunterhaltspflichtige Elternteil die Hälfte des Kindergelds vom Unterhaltsbedarf nach Düsseldorfer Tabelle abziehen. Bei volljährigen Kindern wird das Kindergeld in voller Höhe vom Unterhaltsbedarf des Kindes abgezogen. Derzeit beträgt das Kindergeld für das erste und zweite Kind 204 EUR, für ein drittes Kind 210 EUR und für das vierte und jedes weitere Kind 235 EUR. Erst nach Abzug des hälftigen Kindergeldes bei Minderjährigen bzw. des vollen Kindergeldes bei Volljährigen ergeben sich die maßgeblichen monatlichen Zahlbeträge für den Barunterhaltspflichtigen.

ACHTUNG: Der Bedarfssatz von Studenten, die nicht bei den Eltern wohnen, steigt im Jahre 2020 deutlich von bisher 735 EUR auf 860 EUR (einschließlich 375 EUR an Warmmiete).

 

IV. Nebentätigkeit

1. Pflege-Pauschbetrag:
Rechtlicher Betreuer hat grundsätzlich keinen Anspruch

Betreuen Sie eine pflegebedürftige Person, zu der Sie eine enge persönliche Beziehung haben, in Ihrer Wohnung oder in deren Wohnung, entstehen Ihnen neben dem aufopferungsvollen Dienst vielerlei Belastungen, die oftmals schwer oder gar nicht zu belegen sind. Für die steuerliche Entlastung können Sie den Pflege-Pauschbetrag in Höhe von 924 EUR in Anspruch nehmen. Der Pflege-Pauschbetrag wird nicht um eine zumutbare Belastung gekürzt und auch nicht gemindert, wenn die Pflege nicht während des ganzen Jahres erfolgt. Voraussetzung ist allerdings, dass Sie für die Pflege keine Einnahmen erhalten (§ 33b Abs. 6 EStG). Zu den schädlichen Einnahmen zählt u.a. das Pflegegeld von der gesetzlichen Pflegeversicherung, wenn es als Vergütung für die Betreuung oder als Ersatz für eigene Aufwendungen der Pflegeperson zu werten ist (BFH-Urteil vom 21.3.2002, III R 42/00).

Ist die pflegebedürftige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln, bestellt das Amtsgericht einen rechtlichen Betreuer (gemäß § 1896 BGB), der die Tätigkeit oftmals ehrenamtlich ausübt. Dafür erhält er eine jährliche Aufwandspauschale. Sofern der Betreuer trotz Heimunterbringung bestimmte persönliche Dienst- und Hilfsleistungen erbringt, wie Fahrten mit dem Pflegebedürftigen, Arztbesuche, Bewegungsübungen am Bett und im Rollstuhl, Vorlesen, Ankleiden bei Ausgängen usw., ist die Frage, ob auch er den Pflege-Pauschbetrag beanspruchen kann.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein amtlich bestellter Betreuer gemäß § 1896 BGB den Pflege-Pauschbetrag nicht beanspruchen kann, da ihm aus dem Betreuungsverhältnis die Pflege des Betreuten nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 EStG erwächst. Etwas anders könne allenfalls bei einer engen persönlichen Beziehung zum Betreuten gelten (BFH-Urteil vom 4.9.2019, VI R 52/17).

  • Der Fall: Der Kläger ist seit 2013 zum Betreuer des H bestellt worden. H hat einen Grad der Behinderung von 100 und ist hilflos. Er wohnt in einem Pflegeheim. Der Kläger erklärte geringe steuerfreie Aufwandentschädigungen bzw. Einnahmen als ehrenamtlicher Betreuer und machte den Pflege-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG in Höhe von 924 EUR geltend. Das Finanzamt lehnte den Ansatz des Pauschbetrages ab. Klage und Revision blieben erfolglos - allerdings aus unterschiedlichen Gründen.
  • Das Finanzgericht stellte darauf ab, dass die Aufwandsentschädigung (nach § 1835a BGB) eine schädliche Einnahme gemäß § 33b Abs. 6 EStG darstelle. Dass diese nur 399 EUR betrug, spiele keine Rolle. Darüber hinaus könne der Pflege-Pauschbetrag nicht gewährt werden, weil die Tätigkeit des Betreuers nicht eine Mindestpflegedauer erreicht habe. Im Allgemeinen sei eine Pflege in nicht nur untergeordnetem Umfang, d.h. mit mindestens 10 Prozent des gesamten pflegerischen Zeitaufwandes, erforderlich. Der Betreuer bezifferte seine Pflege auf 2,5 Stunden wöchentlich. Das war im Streitfall - bezogen auf einen Gesamtaufwand von 24,73 Stunden zzgl. 2,5 Stunden - ein Anteil von nur 9,18 Prozent (statt der notwendigen 10 Prozent).
  • Der BFH hat diese Ansicht des Finanzgerichts abgelehnt. Der Kläger habe die pauschale Aufwandsentschädigung nicht als Einnahme für die Pflege des H bezogen. Einnahmen i.S. des § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG seien (nur) solche Einnahmen, die der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Pflege zufließen, sei es als Pflegevergütung, sei es als Ersatz für eigene Aufwendungen der Pflegeperson. Um solche Einnahmen handele es sich bei der Aufwandsentschädigung gemäß § 1835a BGB in Höhe von 399 EUR entgegen der Ansicht des FG jedoch nicht. Vielmehr unterscheide sich die Betreuung gemäß §§ 1896 ff. BGB grundlegend von der Pflege i.S. des § 33b Abs. 6 EStG. Der Kläger habe daher keine Einnahmen für die Pflege erhalten, durch die die Geltendmachung des Pflege-Pauschbetrags ausgeschlossen wäre.
  • ABER: Die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags setzt eine Zwangsläufigkeit voraus. Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen ist gegeben, wenn diese Gründe von außen so auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann. Der Kläger war zunächst weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen verpflichtet, die pflegerischen Maßnahmen gegenüber H zu erbringen. Insbesondere ergäbe sich eine rechtliche Verpflichtung des Klägers nicht aus seiner Stellung als Betreuer des H. Der Kläger war aber auch aus sittlichen Gründen nicht zur Erbringung der Pflegeleistungen verpflichtet. Für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags aufgrund einer sittlichen Verpflichtung müsse eine enge persönliche Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und der gepflegten Person bestehen. Dazu sei aber seitens des Klägers nichts vorgetragen worden.

STEUERRAT: Der letzte Hinweis des BFH kann als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden. Rechtliche Betreuer müssen glaubhaft machen, dass eine enge persönliche Beziehung zu dem Betreuten besteht und sie daher zur Pflege aus sittlichen Gründen verpflichtet sind.

Weitere Informationen: Pflegebedürftigkeit: Pflege eines Angehörigen zu Hause

 

2. Städte- und Gemeindebund:
Aufwandsentschädigungen sind steuerpflichtig

Aufwandsentschädigungen, die aus öffentlichen Kassen gezahlt werden, sind prinzipiell steuerfrei, wenn der Empfänger seinerseits für den öffentlichen Bereich tätig ist (§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG).

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster allerdings entschieden, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG für Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder eines Präsidiumsmitglieds eines privatrechtlich organisierten kommunalen Spitzenverbands nicht greift (Urteil vom 24.9.2019, 3 K 2458/18 E).

  • Der Fall: Der Kläger ist Bürgermeister einer Gemeinde und Mitglied des Präsidiums des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Kommunen des Landes in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, wobei die Mitgliedschaft freiwillig ist. Aufgabe und Zweck dieses Vereins ist u.a. der Schutz der gemeindlichen Selbstverwaltung der Mitglieder und die Beratung und Unterstützung dieser bei der Durchführung der gemeindlichen Aufgaben. Eine Körperschaftsteuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit liegt nicht vor. Die für seine Tätigkeit im Streitjahr 2016 bezogenen Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder in Höhe von insgesamt 5.120 EUR erklärte der Kläger als nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreie Einkünfte. Dem Städte- und Gemeindebund seien als kommunalem Spitzenverband öffentlich-rechtlich Aufgaben zugewiesen und die Zahlungen stammten aus öffentlich-rechtlichen Kassen. Dies sah das Finanzamt anders und unterwarf die Zahlungen der Einkommensteuer. Die hiergegen erhobene Klage ist erfolglos geblieben. Das FG hielt keine Befreiungsvorschrift für einschlägig.
  • Begründung: § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG scheitere bereits daran, dass die Zahlungen nicht aus einer öffentlich-rechtlichen Kasse geleistet worden seien, da es aufgrund der privatrechtlichen Organisation des Städte- und Gemeindebundes an einer Dienstaufsicht und an der Prüfung des Finanzgebarens durch die öffentliche Hand fehle. Dabei sei unerheblich, dass das Beitragsaufkommen aus öffentlichen Kassen stamme. Darüber hinaus leiste der Städte- und Gemeindebund keine öffentlichen Dienste, da der Zusammenschluss auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhe und im Wesentlichen eine Interessenvertretung gegenüber Gesetzgebung und Politik zum Ziel habe.
  • Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG scheide wegen der fehlenden Freistellung des Vereins von der Körperschaftsteuer aus. Daher könne nicht festgestellt werden, ob er tatsächlich gemeinnützige Zwecke verfolge.

STEUERRAT: Die Finanzrichter haben die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Bis auf Weiteres sollten Betroffene die Flinte also noch nicht ins Korn werfen, sondern auf das Revisionsverfahren hoffen. Ein Aktenzeichen ist allerdings noch nicht bekannt.

 

V. Eigenheim und Vermietung

1. Baukindergeld:
Keine Förderung für Grenzgänger mit Wohnsitz im Ausland

Seit Anfang 2018 erhalten Eltern für den Neubau oder den Erwerb von Wohneigentum das Baukindergeld, wenn sie bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten. Kürzlich hat die Europäische Kommission die Regelungen des Baukindergeldes kritisiert. Die bestehende Regelung, nach der der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz in Deutschland haben muss und das Baukindergeld nur für in Deutschland erworbenes Wohneigentum gewährt wird, könnte aus Sicht der Europäischen Kommission eine "indirekte Diskriminierung" für Grenzgänger darstellen, genauer gesagt für Personen, die in Deutschland arbeiten, aber ihren Familienwohnsitz im benachbarten Ausland haben.

Die Bundesregierung musste nun im Rahmen einer so genannten "Kleinen Anfrage" ihre Sicht der Dinge erläutern. Sie sieht die derzeitige Ausgestaltung aber als mit europäischem Recht vereinbar an. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15.10.2009 (Rechtssache C-35/08, Busley und Cibrian Fernandez) führe zu keiner anderen Bewertung. Sie zieht es daher auch nicht in Erwägung, das Baukindergeld für den Erwerb von Wohneigentum im Europäischen Wirtschaftsraum zu gewähren (BT-Drucks. 19/15016 vom 27.11.2019).

HINWEIS: Es bleibt abzuwarten, ob die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitet. Immerhin hatte sie Deutschland bereits aufgefordert, die Diskriminierung von Grenzgängern bei der Wohnungsbauprämie zu beseitigen. Steuerpflichtige, die in Deutschland arbeiten und der deutschen Einkommensteuer unterliegen, ihren Wohnsitz aber in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem EWR-Staat haben, wurden hinsichtlich dieser Prämie im Vergleich zu gebietsansässigen Steuerpflichtigen zumindest bis Ende 2018 benachteiligt. Erst kürzlich wurde die Prämienberechtigung EU-konform ausgestaltet (vgl. Beitrag "Steueränderungen 2020: Überblick über die geplanten Neuerungen" - Teil 2). Aber zugegeben: Wer gerade die Finanzierung seines Familienheims plant, wird wohl kaum den möglicherweise positiven Ausgang eines eventuellen Vertragsverletzungsverfahren in Sachen "Baukindergeld" einkalkulieren können.

Weitere Informationen:

 

2. Fotovoltaikanlage:
Eigenverbrauch trotz Auszugs nach Trennung zu versteuern

Wer eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach seines Eigenheims installieren lässt, zieht üblicherweise die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in voller Höhe als Vorsteuer ab. Dazu ist umsatzsteuerlich eine 100-prozentige Zuordnung der Fotovoltaikanlage zum so genannten Unternehmensvermögen erforderlich. Im Gegenzug muss der Eigentümer allerdings den selbst verbrauchten Strom als unentgeltliche Wertabgabe ("Eigenverbrauch") versteuern. Mit einem interessanten Sachverhalt musste sich nun das Finanzgericht Münster befassen:

  • Der Ehemann ist aus dem ihm gehörenden Eigenheim ausgezogen, seine Ehefrau und Tochter blieben dort wohnen. Offenbar waren die Partner so zerstritten, dass dem Ehemann sogar der Zutritt zu seinem Haus verwehrt wurde. Dennoch wurde bei ihm ein Eigenverbrauch für die private Verwendung des Stroms versteuert, der durch die Fotovoltaikanlage produziert wurde. Der Ehemann argumentierte hingegen, dass der Ansatz eines Eigenverbrauchs nicht gerechtfertigt sei, da der Verbrauch nicht durch ihn, sondern durch Dritte erfolgt sei. Der Verbrauch sei im Übrigen gegen seinen Willen erfolgt, er sei weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage gewesen, den Verbrauch zu verhindern. Seine Klage blieb jedoch erfolglos (FG Münster, Urteil vom 4.11.2019, 2190/19 U).
  • Begründung: Soweit der Kläger vorträgt, dass die Nutzung des Stroms gegen seinen Willen erfolgt sei, so sei dieser Vortrag nicht nachvollziehbar. Er hätte insbesondere die Anlage vom Eigenverbrauch auf eine vollständige Einspeisung des gewonnenen Stroms in das Netz umstellen lassen können. Dies hätte er notfalls mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen können und müssen. Bereits die Duldung der unentgeltlichen Nutzung eines dem Unternehmensvermögen zuzurechnenden Gegenstandes durch Dritte zu unternehmensfremden Zwecken reiche jedoch aus, um von einer willensgesteuerten Handlung auszugehen. Der Kläger habe zwar dargelegt, dass ihm diese Möglichkeit zur vollständigen Einspeisung des Stroms in das Netz nicht bekannt gewesen sei. Dies sei jedoch unerheblich.

STEUERRAT: Der Ehemann hätte die Anlage also auf eine vollständige Einspeisung des gewonnenen Stroms in das Netz umstellen lassen können. Oder aber er hätte der Ehefrau die Kosten für den privat genutzten Strom in Rechnung stellen müssen. Gegebenenfalls hätte er im letzteren Fall gegenüber dem Finanzamt argumentieren können, dass die Forderung nicht durchsetzbar war und die - zunächst in Rechnung gestellte - Umsatzsteuer wegen "Uneinbringlichkeit der Forderung" anschließend wieder korrigieren dürfen.

Weitere Informationen: Fotovoltaik: Was Sie bei der Umsatzsteuer beachten müssen

 

3. Rückabwicklung von Baukrediten:
Vergleichsbeträge nur teilweise steuerpflichtig

Gerade in jüngster Zeit kommt es aufgrund einer für Verbraucher günstigen BGH-Rechtsprechung häufig vor, dass Darlehensverträge widerrufen und rückabgewickelt werden. Beim Widerruf erlischt das Darlehensverhältnis rückwirkend zum Tag des Vertragsabschlusses und wandelt sich von da an in ein sog. Rückgewährschuldverhältnis um. Das bedeutet, dass der Darlehensnehmer die Darlehenssumme zurückzahlen muss und die Bank gleichzeitig die gesamten vom Darlehensnehmer geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen herausgeben muss. Gleichzeitig sind die wechselseitig gezogenen Nutzungen herauszugeben. Dies wiederum führt dazu, dass sowohl die Darlehenssumme als auch die Zins- und Tilgungsleistungen des Darlehensnehmers jeweils von der Zahlung an zu verzinsen sind (BGH-Urteil vom 25.4.2017, XI ZR 108/16 und XI ZR 573/15). Vielfach kommt es auch erst im Rahmen eines Gerichtsprozesses zu einem Vergleich. Die Frage ist, wie die Vergleichsbeträge, die die Bank dem Darlehensnehmer erstattet, steuerlich behandelt werden.

AKTUELL hat das Finanzgericht Köln entschieden, dass die aufgrund eines Vergleichs durch eine Bank zurückgezahlten Zinsen keine einkommensteuerpflichtigen Kapitalerträge darstellen. Anders verhält es sich aber mit den Zahlungen wegen Nutzungsersatz (Urteil vom 14.8.2019, 14 K 719/19).

  • Der Fall: Die Kläger hatten wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung den Baukredit für ihr Eigenheim widerrufen. Aufgrund eines Vergleichs zahlte die Bank den Klägern für alle aus dem Widerruf entstehenden gegenseitigen Ansprüche einen Betrag in Höhe von 4.225 EUR. Zusätzlich behandelte die Bank den Betrag als steuerpflichtigen Kapitalertrag, führte die Kapitalertragsteuer ab und stellte hierfür eine Steuerbescheinigung aus. Gegenüber dem Finanzamt vertraten die Kläger die Auffassung, dass die Bank den Vergleichsbetrag zu Unrecht als Kapitalertrag behandelt und Kapitalertragsteuer abgeführt habe. Der Betrag sei nicht einkommensteuerpflichtig, weil es sich um eine steuerfreie Entschädigungszahlung handele. Demgegenüber besteuerte das Finanzamt den gesamten Betrag mit der Begründung, dass es zum einen an die Steuerbescheinigung gebunden sei und zum anderen die Kläger durch den geschlossenen Vergleich auf eine Rückabwicklung verzichtet hätten, so dass die Rückzahlung zu hoher Zinsen ausscheide. Die hiergegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg.
  • Das FG Köln kam zu dem Ergebnis, dass der von der Bank gezahlte Vergleichsbetrag aufgeteilt werden müsse. Entgegen der Ansicht der Kläger sei die hierin enthaltene Zahlung wegen Nutzungsersatz steuerpflichtig. Hingegen sei ein Betrag in Höhe von 1.690 EUR, soweit er auf die Rückzahlung der zu hohen Zinsen entfalle, nicht steuerbar. Auch die insoweit von der Bank falsch ausgestellte Steuerbescheinigung entfalte keine Bindungswirkung für die Einkommensteuer der Kläger.

STEUERRAT: Die Kläger haben die zugelassene Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, die unter dem Aktenzeichen VIII R 30/19 geführt wird. Betroffene sollten sich hierauf berufen und ein Ruhen ihres eigenen Verfahrens beantragen. Nach unserer Auffassung fließen dem Darlehensnehmer bei der Rückabwicklung auch hinsichtlich des Nutzungsersatzes keine Kapitalerträge zu, da lediglich die wechselseitigen Nutzungsherausgabeansprüche berücksichtigt werden. Die Rückgewähr der Darlehenssumme und der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen führen nicht zu einer Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Darlehensnehmers. "Unterm Strich" erwirtschaften die Darlehensnehmer oftmals überhaupt keine Einkünfte mit dem Kapital. Das BMF hat übrigens Anfang des Jahres zumindest in einem kleinen Punkt eingelenkt: Es liegen keine Kapitaleinkünfte nach § 20 Absatz 1 Nr. 7 EStG vor, soweit durch ein Kreditinstitut Darlehenszinsen auf eine in die Finanzierung eingeschlossene Kreditbearbeitungsgebühr erstattet werden (BMF-Schreiben vom 17.1.2019, BStBl 2019 I S. 51) - immerhin (siehe hierzu auch SteuerSparbrief Februar 2019).

 

4. Erwerb einer Immobilie:
Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf dem Prüfstand

Wer ein Gebäude oder eine Eigentumswohnung kauft, erwirbt gleichzeitig auch den dazu gehörigen Grund und Boden mit, wenn es sich nicht um ein Erbpacht-Grundstück handelt. Dieser Bodenanteil aber kann bei vermieteten Objekten steuerlich nicht abgeschrieben werden. Ein einheitlicher Gesamtkaufpreis muss daher auf das Gebäude und auf den Grund und Boden aufgeteilt werden.

Die Aufteilung des Kaufpreises ist eine Wissenschaft für sich und letztlich kann der Wert des Grund und Bodens doch nur geschätzt werden. In der Praxis haben sich daher zwei Methoden entwickelt, um größere Streitigkeiten zu vermeiden:

  • Die Finanzbehörden von Bund und Ländern stellen eine Arbeitshilfe als Excel-Datei zur Verfügung, die es ermöglicht, in einem typisierten Verfahren eine Kaufpreisaufteilung vorzunehmen. Sofern es sich nicht um ungewöhnliche Objekte handelt, teilen die Finanzämter einen Gesamtkaufpreis regelmäßig entsprechend der Excel-Arbeitshilfe auf.
  • Bereits im notariellen Kaufvertrag wird der Preis auf Grundstück und Gebäude aufgeteilt. Das Finanzamt muss und wird diese Werte im Allgemeinen übernehmen, "solange dagegen keine nennenswerten Zweifel bestehen" (BFH-Urteil vom 10.10.2000, BStBl 2001 II S. 183; BFH-Urteil vom 29.5.2008, BFH/NV 2008 S. 1668).

AKTUELL hält das Finanzgericht Berlin-Brandenburg die Excel-Arbeitshilfe der Finanzverwaltung zwar generell für geeignet, um einen Gesamtkaufpreis auf den Gebäude- und den Grund und Boden-Anteil aufzuteilen (Urteil vom 14.8.19, 3 K 3137/19). ABER: Es liegt zwischenzeitlich die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Az. IX R 26/19 vor. Dieser muss also entscheiden, ob die genannte Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung) grundsätzlich für die Wertaufteilung geeignet ist.

STEUERRAT: Wer der Auffassung ist, dass die Kaufpreisaufteilung des Finanzamts in seinen Fall zu einem unzutreffenden Ergebnis geführt hat, sollte gegen seinen aktuellen Steuerbescheid und auch gegen die Folgebescheide Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen, bis der BFH in der o.g. Sache entschieden hat. Ungeachtet dessen sollte in aktuellen Fällen die Kaufpreisaufteilung - wie erwähnt - bereits im Kaufvertrag vorgenommen werden. Dabei kann es sich übrigens auch anbieten, den Preis einer miterworbenen Einbauküche oder eine Markise gesondert auszuweisen (vgl. Steuertipp der Woche Nr. 42: So sparen Sie Grunderwerbsteuer).

Weitere Informationen:

 

5. Wohnungseigentümergemeinschaft:
Was gilt bei Anstellung eines Minijobbers?

Für einen Minijobber im Haushaltsbereich sind lediglich 12 Prozent Abgaben fällig, während es im gewerblichen Bereich 30 Prozent sind. Zudem kann im ersten Fall das einfache Haushaltsscheck-Verfahren genutzt werden. Doch im Einzelfall kann die Frage, wann das Haushaltsscheck-Verfahren zulässig ist, umstritten sein und zu rechtlichen Streitigkeiten führen. Unterem anderem fragen offenbar immer wieder Wohnungseigentümergemeinschaften bei der Minijob-Zentrale nach, ob sie für einen Minijobber, der zum Beispiel die Außenanlagen pflegt, das Haushaltsscheck-Verfahren nutzen dürfen. Anders ausgedrückt: Gilt ein solcher Minijobber als "im Privathaushalt" beschäftigt?

AKTUELL hat die Minijob-Zentrale die Frage in ihrem "Internet-Blog" wie folgt beantwortet: "Bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft handelt es sich nicht um einen Privathaushalt. Die Anmeldung eines Minijobbers über das Haushaltsscheck-Verfahren durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ist daher nicht möglich. Der Minijobber muss stattdessen über das gewerbliche Melde- und Beitragsverfahren angemeldet werden. Zu einem Privathaushalt zählt immer nur der eigene, unmittelbare Lebensraum, also die selbst bewohnte, abgeschlossene Wohnung mit den darin lebenden Personen sowie der eigene Garten. Eine Putzhilfe, die ausschließlich die eigene Wohnung reinigt, kann demnach über das Haushaltsscheck-Verfahren gemeldet werden."

Damit sind für den geringfügig Beschäftigten einer Gemeinschaft also doch 30 Prozent Abgaben fällig. Allerdings weist die Minijob-Zentrale darauf hin, dass Tätigkeiten, die ein Miteigentümer für die Gemeinschaft kostenlos übernimmt, sozialversicherungsrechtlich unbedeutend sind. Sie müssen nicht bei der Minijob-Zentrale gemeldet werden. Überträgt die Wohnungseigentümergemeinschaft dem Miteigentümer - gegebenenfalls per Beschluss - lediglich Einzelaufgaben wie etwa Gartenpflege, Rasen mähen oder Reinigungsarbeiten, liege in der Regel kein Beschäftigungsverhältnis vor. Die übertragenen Arbeiten seien vielmehr Teil der Verpflichtungen als Miteigentümer, für die sich der betreffende Wohnungseigentümer regelmäßig auch keine Weisungen erteilen lassen wird.

STEUERRAT: In Zweifelsfällen sollte die Clearingstelle der DRV Bund um eine versicherungsrechtliche Beurteilung gebeten werden. Deren Entscheidung ist dann für alle beteiligten Sozialversicherungsträger sowie für die Agentur für Arbeit rechtlich bindend sind.
STEUERRAT: Von der Wohnungseigentümergemeinschaft zu unterscheiden sind Wohngruppen, zum Beispiel eine Alten-WG. Sie dürfen die Abgaben für ihren Minijobber mittels Haushaltsscheck-Verfahren abführen und somit Beiträge sparen (Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2018, S 4 KN 349/16; vgl. SteuerSparbrief April 2019).

Weitere Informationen:

 

6. Verteilung von Erhaltungsaufwand:
Was gilt beim Tod des Hauseigentümers?

Aufwendungen für die laufende Instandhaltung und Instandsetzung sowie Modernisierung einer vermieteten Wohnung sind im Allgemeinen Erhaltungsaufwendungen. Solche Aufwendungen können im Jahr der Bezahlung in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung abgesetzt werden. Doch es gibt hier eine vorteilhafte Regelung: Größere Erhaltungsaufwendungen dürfen gleichmäßig auf 2 bis 5 Jahre verteilt werden (§ 82b EStDV). Wenn nun während des Verteilungszeitraumes das Gebäude durch Tod oder Verkauf auf einen neuen Eigentümer übergeht, ist die Frage, wie der noch nicht verbrauchte Betrag steuerlich behandelt wird. Kann der neue Eigentümer den verbleibenden Restbetrag geltend machen? Derzeit gelten folgende Regelungen:

  • Verkauf: Wird das Gebäude während des Verteilungszeitraumes veräußert, kann der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwands im Jahr des Verkaufs in einem Betrag als Werbungskosten abgesetzt werden. Das Gleiche gilt, wenn das Gebäude in ein Betriebsvermögen eingebracht oder nicht mehr zur Einkunftserzielung, d.h. zu eigenen Wohnzwecken, genutzt wird. Abzug also beim Verkäufer (§ 82b Abs. 2 EStDV).
  • Erbschaft oder Schenkung: Im Fall der unentgeltlichen Übertragung des Gebäudes kann der Rechtsnachfolger den beim Rechtsvorgänger noch nicht berücksichtigten Teil der Erhaltungsaufwendungen im verbleibenden Verteilungszeitraum geltend machen. Im Jahr des Eigentumswechsels ist die Jahresrate auf Übertragenden und Übernehmenden entsprechend der Besitzdauer aufzuteilen (R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR).
  • Nießbrauch: Hat der Vermieter das Gebäude auf seine Kinder übertragen und sich den Nießbrauch an den Vermietungserträgen vorbehalten (sog. Vorbehaltsnießbrauch) und hat er größere Erhaltungsaufwendungen auf fünf Jahre verteilt, so können die Kinder (Eigentümer) nach dem Tod des Vorbehaltsnießbrauchers innerhalb des Verteilungszeitraumes den verbliebenen Teil des Erhaltungsaufwands nicht als ihre Werbungskosten geltend machen. Denn sie haben die Aufwendungen nicht selbst getragen und sind daher nicht zum Abzug berechtigt. Vielmehr ist der noch nicht verbrauchte Restbetrag des Erhaltungsaufwands beim Erblasser als Werbungskosten anzusetzen (BFH-Urteil vom 13.3.2018, IX R 22/17).

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster für den Fall der Erbschaft entschieden, dass nicht der Erbe die Verteilung fortführt oder fortführen muss, sondern vielmehr der noch nicht verbrauchte Teil im Todesjahr des Erblassers in einer Summe abzuziehen ist (FG-Urteil vom 11.10.2019, 10 K 3350/18 E).

  • Der Fall: Der verstorbene Ehemann der Klägerin war Eigentümer eines vermieteten Zweifamilienhauses. Das Objekt ging mit dem Erbfall auf eine Erbengemeinschaft über. In den Vorjahren hatte der Eigentümer Erhaltungsaufwendungen für die Immobilie getätigt, für die er nach § 82b EStDV eine Verteilung auf mehrere Jahre beantragt hatte. In der Einkommensteuererklärung für das Todesjahr ihres Ehemannes beantragte die Witwe, die nicht verbrauchten Beträge der Erhaltungsaufwendungen in einer Summe abzuziehen. Dies lehnte das Finanzamt ab. Vielmehr seien die Restbeträge bei der Erbengemeinschaft zu berücksichtigen, also letztlich dort weiterzuführen. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.
  • Die noch nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV gehen nicht auf den oder die Erben über, sondern sind in voller Höhe beim Erblasser in dem Veranlagungszeitraum abziehbar, in dem er verstorben ist. Die anderslautende Bestimmung in den Einkommensteuerrichtlinien (R 21.1 Abs. 6 EStR) halten die Richter demgegenüber nicht für zutreffend. Sie verweisen auf das BFH-Urteil vom 13.3.2018 (siehe oben), das zwar für den Fall des Nießbrauchs ergangen, aber auch hier sinngemäß anzuwenden sei.

STEUERRAT: Gegen das Urteil liegt zwischenzeitlich die Revision beim Bundesfinanzhof vor (Az. IX R 31/19). Betroffene sollten sich auf dieses Verfahren berufen, wenn sie den Abzug in einer Summe erreichen möchten. Sie sollten zudem ein Ruhen ihres eigenen Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH beantragen. Allerdings kann in zahlreichen Fällen die Weiterführung der Verteilung anstelle des Einmalabzugs steuergünstiger sein, denn nach dem Wegfall des "Witwensplittings" kommt es zu einer Einzelveranlagung mit einem möglicherweise höheren Steuersatz als zuvor. Dann könnten die - noch vorhandenen - Erhaltungsaufwendungen steuerlich gut genutzt werden. Es ist also genaues Rechnen angesagt.

Weitere Informationen: Vermietung: Renovierungs- und Modernisierungskosten

 

VI. Renten und Pensionen

1. Berufsunfähigkeitsversicherung:
Abfindung und Vergleich sind steuerfrei

Renten aus privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen sind steuerpflichtig, und zwar mit dem besonderen Ertragsanteil nach § 55 EStDV. Die Höhe des Ertragsanteils hängt nicht vom Alter bei Rentenbeginn ab, sondern richtet sich nach der Dauer der Rentenzahlung. Es gilt: Je kürzer die Laufzeit der Rente ist, desto niedriger ist der Ertragsanteil. So beträgt dieser bei einer Laufzeit von 10 Jahren 12 Prozent. Doch ob ein Versicherungsnehmer nach einem Schadensfall überhaupt Ansprüche gegenüber seiner Versicherungsgesellschaft durchsetzen kann, steht auf einem anderen Blatt. Viele Gesellschaften weigern sich zunächst, lassen es auf einen Rechtsstreit ankommen und bieten irgendwann "großzügig" eine Abfindung an. Oder es kommt sogar zu einem Prozess mit einem gerichtlichen Vergleich. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die einmaligen Abfindungs- oder Vergleichszahlungen zu versteuern sind.

AKTUELL hat das Finanzministerium Schleswig-Holstein zugunsten der Rentner entschieden, dass die Vergleichs- bzw. Abstandszahlung aus dem bestehenden Vertrag einer Berufsunfähigkeitsversicherung keine steuerbare Leistung im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG darstellt. Im Klartext: Auch Einmalzahlungen, die sich auf eine fünf- oder sechsstellige Summe belaufen und mit denen sämtliche Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abgegolten werden, sind steuerfrei (Fin Min Schleswig-Holstein, Einkommensteuer-Kurzinformation 2019/23 vom 26.11.2019).

STEUERRAT: Dem Vernehmen nach ist die Anweisung bundeseinheitlich abgestimmt worden, so dass Betroffenen zu empfehlen ist, sich umgehend gegen Steuerbescheide zur Wehr zu setzen, in denen eine Steuerpflicht angenommen wird.

Weitere Informationen: Rentenbesteuerung: Wie die verschiedenen Alterseinkünfte besteuert werden

 

2. Beschäftigte Rentner:
Zuviel Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gezahlt?

Viele Rentner gehen in ihrem Ruhestand noch einer Beschäftigung nach, entweder aus Muße oder des Zuverdienstes wegen. Verdienen Sie bei der Beschäftigung mehr als 450 Euro im Monat, sind davon Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen. Diese Beiträge tragen Sie und der Arbeitgeber jeweils zur Hälfte. Sie sollten wissen, dass Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung grundsätzlich nur für Einnahmen bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zu zahlen sind. Diese betrug im vergangenen Jahr 2019 in West und Ost einheitlich 4.537,50 EUR im Monat bzw. 54.450 EUR im Jahr.

Bei beschäftigten Rentnern werden nun Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in zweifacher Hinsicht jeweils bis zur Beitragsbemessungsgrenze erhoben, und zwar in folgender Rangfolge:

  • zum einen für den Arbeitsverdienst und ggf. für Versorgungsbezüge, d.h. der Arbeitgeber behält Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze ein.
  • zum anderen für die Rente, d.h. der Rentenversicherungsträger behält ebenfalls Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze ein.

Für beschäftigte Rentner gilt also während des Jahres eine "doppelte" Beitragsbemessungsgrenze. Falls die Summe der Einnahmen über der "einfachen" Beitragsbemessungsgrenze von 4.537,50 EUR (2019) monatlich liegt, zahlen Sie insgesamt zu hohe Beiträge. In diesem Fall können Sie am Jahresende von der Krankenkasse die Erstattung der zu viel gezahlten Beiträge für den Teil der Rente verlangen. Eine automatische Erstattung durch die Krankenkasse ist nicht möglich, weil dieser nicht alle Entgelte vorliegen.

STEUERRAT: Stellen Sie nach Ablauf des Jahres einen Erstattungsantrag an Ihre Krankenkasse, nicht an die Rentenversicherung. Der Erstattungsanspruch bezieht sich nur auf Ihre Beitragsanteile aus der gesetzlichen Rente, nicht auf die Beitragszuschüsse des Rentenversicherungsträgers zur Rente (§ 231 Abs. 2 SGB V). Wer es bisher versäumt hat, einen entsprechenden Erstattungsantrag zu stellen, kann dies auch rückwirkend für die letzten Jahre tun. Die Verjährungsfrist hierfür beträgt vier Jahre. Die Frist beginnt nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 27 Abs. 2 und 3 SGB IV). Daher können Sie beispielsweise noch bis zum 31.12.2020 einen Antrag auf Erstattung von Beiträgen stellen, die im Jahr 2016 zu viel gezahlt wurden.

Weitere Informationen: Keine Lust auf Ruhestand: Besonderheiten bei Beschäftigung im Rentenalter

 

VII. Selbstständige

1. Erzieher:
Zahlungen aus öffentlichen Mitteln für Jugendbetreuung steuerfrei?

Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung zu fördern, sind grundsätzlich nach § 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei. Doch sind auch Zahlungen eines Jugendwerks für die Betreuung von Jugendlichen steuerfreie Einnahmen, wenn die Betreuung "professionell" erfolgt?

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg die Frage verneint, aber die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, so dass Betroffene bis zu einer endgültigen Entscheidung zumindest ein Stück weit auf die Steuerfreiheit hoffen dürfen (FG-Urteil vom 26.3.2019, 11 K 3207/17; Revision unter VIII R 13/19).

  • Der Fall: Die Klägerin ist eine staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin. Sie betreut Jugendliche auf der Grundlage eines Kooperationsvertrags mit einem Jugendwerk. Sie erbringt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) VIII. Hinsichtlich der einzelnen zu betreuenden Jugendlichen schloss sie jeweils eine als "Leistungs- und Honorarvertrag über Betreuungsstelle" bezeichnete Vereinbarung mit einem Jugendwerk "zur Durchführung einer Hilfemaßnahme im Rahmen der Jugendhilfe". Die Höhe ihres Tageshonorars hing vom zuständigen Jugendamt ab. Zusätzlich hatte sie für jeden Jugendlichen Anspruch auf Ersatz der Sachkosten entsprechend dem Sozialhilfesatz. Die von der Klägerin betreuten Jugendlichen wohnten in den Streitjahren in einer Wohnung mit Einzelzimmern in einem Gebäude der Klägerin, in dem sich auch ihre Wohnung befand. Gekocht wurde im Wesentlichen gemeinsam in einer Gemeinschaftsküche. Es gab Gemeinschaftsräume. Die Klägerin beschäftigte mehrere Personen. Ihre jährlichen Gewinne lagen zwischen 70.000 und 93.000 EUR. Sie machte geltend, ihre Einnahmen seien nach § 3 Nr. 11 EStG als Beihilfen steuerfrei. Das Finanzamt hingegen ging von steuerpflichtigen Einkünften aus selbständiger Arbeit aus.
  • Auch nach Ansicht des FG Baden-Württemberg handelt es sich um steuerpflichtige "Vergütungen für eine unternehmerisch betriebene sozialpädagogische Einzelbetreuung, Verpflegung und Unterbringung einer intensiven Betreuung bedürftiger Jugendlicher". Die Tätigkeit sei auf Dauer zur Erzielung von Einnahmen angelegt. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen sowie Art und Höhe der Vergütung sprächen "für einen Grad an institutionalisierter Professionalität, der über eine Aufnahme familienfremder Jugendlicher in den eigenen Haushalt" weit hinausgehe. Es handle sich um eine erwerbsmäßig betriebene Betreuung von Jugendlichen auf Grundlage der §§ 34 und 35 SGB VIII. Die Klägerin habe die Jugendlichen nicht im Rahmen einer Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII als Pflegekinder in ihren eigenen Haushalt aufgenommen. Ihr Honorar übersteige die "Löhne für im Angestelltenverhältnis beschäftigte Erzieher um ein Vielfaches". Ihr hoher Kostenaufwand werde bei den Betriebsausgaben berücksichtigt. Ihr Gewinn sei jedenfalls höher als das Durchschnittsentgelt der Arbeitnehmer.

 

2. Dienstwagen:
Die Tücken der Fahrtenbuchführung

Unter Finanzbeamten wird gescherzt, es gäbe kein Fahrtenbuch, das einer ausführlichen Prüfung standhalte. Das ist sicherlich übertrieben, aber in der Tat gibt es bei der Fahrtenbuchführung so viele Fallstricke, dass es wirklich schwerfällt, ein solches "finanzamtsfest" zu führen.

AKTUELL zeigt ein Urteil des Finanzgerichts Münster, das bei der Führung eines Fahrtenbuchs tatsächlich detaillierte Eintragungen erforderlich sind und Nachlässigkeiten nicht verziehen werden. Dabei hilft es auch nicht, wenn die Fahrtenbücher in den Vorjahren nicht beanstandet wurden (Urteil vom 11.10.2019,13 K 172/17 E).

  • Der Fall: Der Kläger nutzte seinen Dienstwagen neben Geschäftsreisen auch zu privaten Zwecken und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für den Pkw führte der Kläger ein Fahrtenbuch. Bei den Aufzeichnungen fasste er regelmäßig Hin- und Rückfahrten in einer Zeile zusammen. Als Ziel der Fahrt nannte er lediglich Städte- bzw. Gemeindebezeichnungen. Die jeweils aufgesuchten Gesprächspartner wurden regelmäßig z.B. als "Kunde", "Produkt" oder "Veranstaltung" bezeichnet, im Übrigen lediglich mit den Nachnamen. Das jeweilige Datum von Privatfahrten wurde nicht eingetragen, auch Tankfahrten waren nicht erkennbar. Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb wurden nicht klar erkennbar vermerkt; es sind jedoch Fahrten vorhanden, die als "Büro? bezeichnet wurden.
  • Das Finanzamt sah das Fahrtenbuch nicht als ordnungsgemäß an und besteuerte die Privatnutzung des Pkw daher nach der so genannten Ein-Prozent-Regelung. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos. Auch die Finanzrichter waren der Auffassung, dass das Fahrtenbuch unzureichend geführt worden sei. Sie schlossen sich hinsichtlich der erforderlichen Aufzeichnungen den o.g. Punkten des Finanzamts an.
  • Weiter wird seitens des Finanzgerichts ausgeführt: Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Hierfür hat es neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner oder - wenn ein solcher nicht vorhanden ist - den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügen allenfalls dann, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Dementsprechend müssen die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Grundsätzlich ist dabei jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht allerdings eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Dann genügt die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Gesamtkilometerstands, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind. Wenn jedoch der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen wird, stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstands zu dokumentieren ist.
  • Und besonders relevant: Dass sich eine vorhergehende Betriebsprüfung an der Art und Weise der Fahrtenbuchführung nicht gestört habe, sei unerheblich. So heißt es in dem Urteil: "Selbst wenn Fahrtenbücher in den Vorjahren vom Beklagten anerkannt worden sein sollten, hat der Beklagte für die Streitjahre die Möglichkeit, aufgrund des einkommensteuerlichen Abschnittsprinzips eine neue Beurteilung vorzunehmen. Nach der BFH-Rechtsprechung hat die Finanzbehörde die Grundlagen der Besteuerung bei jeder Veranlagung ohne Rücksicht auf die Behandlung desselben Sachverhalts in Vorjahren selbstständig festzustellen und die Rechtslage neu zu beurteilen; sie ist an die Sach- oder Rechtsbehandlung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht gebunden."

Weitere Informationen: Firmenwagen und Betriebs-Pkw: Fahrtenbuch ordnungsgemäß führen

 

3. Umsatzsteuer:
Bindungsfrist für Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung

Gewerbetreibende und Freiberufler mit eher geringen Umsätzen können sich von den Unannehmlichkeiten der Umsatzsteuer befreien, wenn sie von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen (§ 19 Abs. 1 UStG). Die Kleinunternehmerregelung bei der Umsatzsteuer können sie wählen, wenn ihr Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer

  • im Vorjahr nicht höher als 22.000 EUR (früher: 17.500 EUR) war und
  • im laufenden Jahr voraussichtlich nicht höher als 50.000 EUR sein wird.

Bei der Kleinunternehmerregelung handelt es sich um ein Wahlrecht. Sie haben also auch die Möglichkeit, zur Umsatzsteuer zu optieren und dann die Vorteile des Vorsteuerabzugs zu nutzen. Falls Sie sich für die Regelbesteuerung entscheiden, hat dies für Sie folgende Auswirkungen:

  • Sie müssen für Ihre Ausgangsumsätze Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
  • Sie dürfen - sozusagen im Gegenzug - die in Ihren Eingangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend machen, d.h. mit der zu zahlenden Umsatzsteuer verrechnen.

Diese Option, d.h. der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung, ist allerdings für fünf Jahre bindend (§ 19 Abs. 2 UStG). Für die Verzichtserklärung ist keine besondere Form vorgeschrieben. Als Verzicht gilt bereits die Abgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung oder die Abgabe einer Umsatzsteuererklärung mit Berechnung der Umsatzsteuer nach allgemeinen Regeln.

Doch was geschieht, wenn die fünfjährige Bindungsfrist abgelaufen ist? Verlängert sich diese erneut um volle fünf Jahre, wenn im sechsten Jahr - möglicherweise irrtümlich - eine Umsatzsteuererklärung abgegeben wird?

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster zugunsten der Kleinunternehmer wie folgt entschieden: Allein die Abgabe einer Jahressteuererklärung, in der die Umsatzsteuer nach allgemeinen Regeln berechnet wird, löst keine erneute fünfjährige Bindungsfrist für den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung aus, wenn die Frist nach einer erstmaligen Option bereits abgelaufen war (Urteil vom 7.11.2019, 5 K 1768/19 U)

  • Der Fall: Der Kläger ist seit dem Jahr 2006 unternehmerisch tätig. Im Gründungsjahr 2006 optierte er zur Regelbesteuerung. Die Fünf-Jahres-Frist lief folglich 2010 ab. Dennoch gab der Kläger auch in den Folgejahren bis einschließlich 2016 Umsatzsteuer-Jahreserklärungen ab, in denen er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Regeln berechnete. Erst mit seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2017 beantragte er den Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft. Das Finanzamt war der Ansicht, dass der Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft im Streitjahr 2017 nicht möglich sei, da der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre von der Option Gebrauch gemacht habe und deshalb insoweit gebunden sei. Im Jahr 2016 habe er zwar nur laufende Umsätze in Höhe von 4.741 EUR erzielt, durch die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung mit Ausweis von Umsätzen und Vorsteuern habe er jedoch wirksam zur Regelbesteuerung optiert. Hieran sei er fünf Jahre gebunden, so dass er frühestens ab dem 1.1.2021 zur Kleinunternehmerschaft wechseln könne. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.
  • Die Begründung des FG: Ein Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer kann dem Finanzamt gegenüber zwar auch konkludent erklärt werden, etwa durch Abgabe einer Umsatzsteuererklärung. Aber: Allein die Abgabe einer Jahressteuererklärung (hier: für 2016), in der die Umsatzsteuer nach allgemeinen Regeln berechnet wird, löst keine erneute fünfjährige Bindungsfrist für den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung aus, wenn die Frist nach einer erstmaligen Option bereits abgelaufen war. Daraus folgt: Der Kläger hatte bereits erstmals im Gründungsjahr 2006 auf die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung verzichtet. Die hierdurch ausgelöste fünfjährige Bindungswirkung des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG war damit bereits zum Ende des Jahres 2010 ausgelaufen. Ab diesem Zeitpunkt bestand für den Kläger jährlich unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 3 UStG, d.h. bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des jeweiligen Kalenderjahrs, die Möglichkeit des Widerrufs des Verzichts auf die Steuerbefreiung. Einen Widerruf hat der Kläger jedoch erstmalig für das Streitjahr 2017 mit der Steuererklärung 2017 erklärt.

STEUERRAT: Wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts ist die Revision zugelassen worden, die zwischenzeitlich auch beim BFH vorliegt (Az. XI R 34/19). Betroffene sollten sich auf dieses Verfahren berufen und ein Ruhen ihres eigenen Falles beantragen.

Weitere Informationen: Die Kleinunternehmerregelung bei der Umsatzsteuer

 

VIII. Steuergrundlagen

1. Einkommensteuererklärung 2019:
Neues Hauptformular mit vier neuen Anlagen

Für die Einkommensteuererklärung 2019 werden Sie mit zwei wesentlichen Neuerungen konfrontiert: Zum einen geht es um das Formelle, zum anderen um Inhaltliches.

  • Das bisherige vierseitige Steuerhauptformular, früher auch als Mantelbogen bezeichnet, ist doch tatsächlich auf 2 Seiten geschrumpft! Na sowas! Doch gemach mit dem Jubel! Aus dem Hauptformular wurden die steuerlichen Themen herausgenommen und in separate Anlagen platziert. Und das bedeutet, dass es nun sage und schreibe vier (!) neue Anlagen - d.h. vier neue Formulare - gibt. Summa summarum haben wir also statt eines Hauptformulars mit 4 Seiten jetzt 5 Formulare mit insgesamt 6 Seiten.
  • Ab dem Kalenderjahr 2019 verzichtet die Finanzverwaltung auf die Angabe bestimmter Daten, die ihr bereits von verschiedenen Seiten elektronisch mitgeteilt wurden. Dazu gehören z.B. Bruttoarbeitslöhne und die zugehörigen Lohnsteuerabzugsbeträge, bestimmte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Beiträge zur Altersvorsorge, Lohnersatzleistungen, Renten (sog. eDaten). In den einzelnen Formularen (Anlagen N, R, Vorsorgeaufwand) sind diese Stellen mit einem "e" markiert und müssen nicht mehr ausgefüllt werden. Dadurch wird die Erstellung der Steuererklärung doch ein wenig erleichtert.
    ACHTUNG: Sie sollten aber unbedingt prüfen, ob die elektronisch übermittelten Daten auch zutreffend sind. Dazu erhalten Sie von den meldepflichtigen Stellen entsprechende Mitteilungen; gegebenenfalls sollten Sie diese anfordern.

Für die Einkommensteuererklärung 2019 gibt es also nun - zusätzlich zu den bisherigen Anlagen - folgende neue Formulare:

  • Hauptvordruck ESt 1 A
  • Anlage Sonderausgaben: Berücksichtigung von Kirchensteuer, Spenden und Mitgliedsbeiträgen, Berufsausbildungskosten (ohne Versicherungsaufwendungen und Altersvorsorgebeiträge).
  • Anlage Außergewöhnliche Belastungen: Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen, z.B. Krankheitskosten, Pauschbeträge.
  • Anlage Haushaltsnahe Aufwendungen: Haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, Dienstleistungen und Handwerkerleistungen.
  • Anlage Sonstiges, z.B. Antrag zur Aufteilung der Abzugsbeträge bei Einzelveranlagung von Ehegatten/ Lebenspartnern, Verlustabzüge, Spendenvorträge, verbleibende Freibeträge für bestandsgeschützte Alt-Anteile an Investmentfonds.

Weitere Informationen

 

IX. Kirchensteuer

1. Kirchensteuer:
Kind bleibt trotz Austritts der Eltern Kirchenmitglied

Wird ein Kind im Säuglingsalter getauft und treten die Eltern wenige Jahre nach der Taufe aus der Kirche aus, so bleibt das Kind weiterhin kirchensteuerpflichtig, wenn die Eltern nicht auch den Kirchenaustritt des Kindes bekunden oder das Kind seinerseits aus der Kirche austritt, sobald es eine entsprechende Willenserklärung abgeben kann. Auch mit Eintritt der Volljährigkeit bleibt die Kirchensteuerpflicht erhalten, solange der Kirchenaustritt nicht ausdrücklich erklärt wird.

AKTUELL hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden, dass eine Heranziehung zur Entrichtung der Kirchensteuer im Erwachsenenalter rechtens ist, wenn ein Steuerzahler als Säugling getauft wurde und seinen Kirchenaustritt nicht ausdrücklich erklärt hat (Urteil vom 12.12.2019, VG 27 K 292.15).

  • Der Fall: Die Klägerin wendet sich gegen zwei Bescheide, mit denen sie zur Entrichtung der Kirchensteuer verpflichtet wird. Nach einem Auszug aus dem Taufregister der Evangelischen Kirchengemeinde Bitterfeld wurde sie dort zwei Monate nach ihrer Geburt im Jahr 1953 im evangelischen Glauben getauft. Ihre Eltern traten 1956 und 1958 aus der Kirche aus. Die Klägerin gab in einem ihr von der Kirchensteuerstelle zugesandten Fragebogen an, nicht getauft zu sein. Als die Kirchensteuerstelle von der Kirchengemeinde auf Anfrage jedoch erfuhr, dass die Klägerin 1953 getauft worden sei, zog diese die Klägerin mit zwei Bescheiden für 2012 und 2013 zur Kirchensteuerentrichtung mit der Begründung heran, dass sie infolge ihrer Taufe und mangels Kirchenaustritts Kirchenmitglied und damit kirchensteuerpflichtig sei.
  • Hiergegen setzt sich die Klägerin gerichtlich zur Wehr. Sie macht unter anderem geltend, ihre Eltern hätten seinerzeit auch den Austritt der Klägerin miterklärt. Eine Kirchenmitgliedschaft sei ihr aufgrund ihrer atheistischen Erziehung auch nicht bewusst gewesen. Davon abgesehen sei die Anbindung der Kirchensteuerpflicht an die Kirchenmitgliedschaft und dieser wiederum an die Säuglingstaufe verfassungswidrig, weil das Freiwilligkeitsprinzip verletzt werde. Ferner rügt die Klägerin Verstöße der Kirchensteuerstelle gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen anlässlich deren Informationserhebung bei ihr und der genannten Kirchengemeinde. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.
  • Die Klägerin sei durch ihre Taufe im Juni 1953 Mitglied der Evangelischen Kirche geworden. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin vor dem Jahr 2014 aus dieser Kirche ausgetreten sei. Insbesondere ergebe sich ihr Kirchenaustritt nicht aus den Austrittserklärungen ihrer Eltern. Die Heranziehung der Klägerin zur Zahlung von Kirchensteuer verstoße auch nicht gegen Art. 29 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung von Berlin; vor allem sei das Freiwilligkeitsprinzip nicht verletzt. Die Klägerin hätte mit ihrer Kirchenmitgliedschaft rechnen müssen und daher austreten können, dies aber nicht getan. Die für die Erhebung der Kirchensteuer erlangten Informationen seien auch nicht, insbesondere nicht aus datenschutzrechtlichen Gründen, unverwertbar. Infolgedessen stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf Erstattung der als Kirchensteuer einbehaltenen Beträge zu. Die Richter haben die Revision zum Oberverwaltungsgericht zugelassen.

X. Soziales

1. Elterngeld:
Monatliche Umsatzbeteiligungen führen zu höherem Anspruch

Grundlage für das Elterngeld ist das persönliche Nettoeinkommen. Maßgebend ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in den zwölf Monaten vor dem Monat der Geburt des Kindes, das der betreuende Elternteil durchschnittlich pro Monat erzielt hat, der so genannte Bemessungszeitraum.

AKTUELL hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen die Rechte von Müttern gestärkt, die neben ihrem Angestelltengehalt monatliche Umsatzbeteiligungen erhalten, denn diese Zahlungen führen zu einem höheren Anspruch auf Elterngeld (Urteil vom 6.11.2019, L 2 EG 7/19).

  • Der Fall: Geklagt hatte eine angestellte Zahnärztin. Von ihrem Arbeitgeber erhielt sie eine Grundvergütung von 3.500 EUR pro Monat und Umsatzbeteiligungen, die zwischen rund 140 EUR und 2.300 EUR pro Monat schwankten. Nach der Geburt ihres Kindes beantragte sie Elterngeld bei der Stadtgemeinde Bremen.
  • Bei der Berechnung des Anspruchs ließ die Gemeinde die Umsatzbeteiligungen unberücksichtigt. Zur Begründung vertrat sie die Auffassung, dass dieser Teil des Einkommens steuerlich als "sonstige Bezüge" behandelt werde und das Elterngeld damit nicht erhöhe. Als laufende Bezüge könne es auch deshalb nicht angesehen werden, da es nur bei Überschreitung bestimmter Mindestbeträge gezahlt werde. Das LSG hingegen hat die Gemeinde zur Berücksichtigung der Umsatzbeteiligungen verurteilt.
  • Begründung: Es handele sich bei den Umsatzbeteiligungen um laufenden Arbeitslohn, da die Beteiligungen nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen jeweils bezogen auf einen Monat berechnet und gezahlt würden. Die Beteiligung sei damit einem Lohnzahlungszeitraum zugehörig und müsse dem Arbeitslohn zugerechnet werden wie etwa eine Überstundenvergütung. Entscheidend seien auch nicht die Einzelheiten der Berechnung, sondern allein der Zahlungszeitraum. Solange die erforderliche Konkordanz zwischen dem Monatszeitraum und dem variablen Lohnbestandteil gewahrt bleibe, wirke sich dies auch auf das Elterngeld aus. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der Senat die Revision zugelassen.

STEUERRAT: Das Bundessozialgericht hatte bereits zu Provisionszahlungen entschieden, dass diese bei der Berechnung des Elterngeldes mit erfasst werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Provisionen neben dem monatlichen Grundgehalt mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen regelmäßig gezahlt werden. Regelmäßige, mehrmals im Jahr zusätzlich zum Grundgehalt gezahlte Provisionen seien elterngeldrechtlich nicht anders zu behandeln als das Grundgehalt (BSG-Urteil vom 26.3.2014, B 10 EG 7/13 u.a.). Insofern liegt das aktuelle Urteil des LSG wohl auf einer Linie mit dem BSG. ABER: Jährlich einmal gezahltes Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sowie einmalige Boni und Tantiemen erhöhen das Elterngeld nicht. Diese Gelder bleiben bei der Bemessung des Elterngeldes als sonstige Bezüge außer Betracht (BSG-Urteil vom 29.6.2017, B 10 EG 5/16 R). Darauf hat nun auch das LSG ausdrücklich hingewiesen.

 

2. Pflege und Sozialhilfe:
Entlastung von Eltern und Kindern

Eine Leistungsgewährung nach dem Sozialhilfegesetz (SGB XII) setzt eine finanzielle Bedürftigkeit des Hilfesuchenden voraus. Sozialhilfe erhält somit nur, wer sich nicht durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann. Für den Fall, dass der notwendige Bedarf nicht aus dem Einkommen und dem Vermögen der nachfragenden Person gedeckt werden kann, geht das SGB XII vom Vorrang der Einstandspflichten innerhalb des Familienverbandes aus. Dem liegt die Anschauung der Familie als Not- und Haftungsgemeinschaft zugrunde. Eine Unterstützung aus steuerfinanzierten Mitteln der Sozialhilfe kommt bislang nur da in Betracht, wo die Selbsthilfekräfte einer Familie fehlen, nicht ausreichen oder wo der Gesetzgeber besondere Schutzvorschriften zugunsten Betroffener in atypischen Lebenssituationen erlassen hat.

Damit gilt nach bisheriger Rechtslage: Wenn Eltern pflegebedürftig werden und ihre Pflegekosten zum Beispiel für einen Heimplatz nicht allein tragen können, erhalten sie auf Antrag Leistungen der Sozialhilfe. Die Sozialhilfeträger können sich aber zumindest einen Teil des Geldes zurückzuholen, und zwar bei den Kindern oder Eltern der Pflegebedürftigen (sog. Unterhaltsrückgriff). Bislang dürfen Sozialhilfeträger auf das Einkommen unterhaltspflichtiger Kinder zurückgreifen, wenn diese ca. ab 22.000 EUR im Jahr verdienen. Damit ist die Sozialhilfe grundsätzlich nachrangig gegenüber einer möglichen Selbsthilfe des Betroffenen oder gegenüber Leistungen von anderen, insbesondere von unterhaltspflichtigen Angehörigen.

AKTUELL wird ab dem 1.1.2020 eine deutliche Verbesserung für die Angehörigen von pflegebedürftigen Personen eingeführt: Der Unterhaltsrückgriff auf Eltern und Kindern mit einem jeweiligen Jahresbruttoeinkommen bis 100.000 EUR wird in der Sozialhilfe ausgeschlossen. Das bedeutet, dass auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern, die die sog. Hilfe zur Pflege erhalten, erst ab einer Höhe von mehr als 100.000 EUR zurückgegriffen werden kann. Umgekehrt soll dies auch für Eltern mit volljährigen, pflegebedürftigen Kindern gelten (§ 94 Abs. 1a SGB XII; "Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe" vom 10.12.2019).

Damit wird - so die Bundesregierung - ein Signal gesetzt, dass die Gesellschaft die Belastungen von Angehörigen, zum Beispiel bei der Unterstützung von Pflegebedürftigen, anerkennt und eine solidarische Entlastung erfolgt. Der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe wird damit erheblich eingeschränkt.

  • Bisher hat der Anwendungsbereich der 100.000 EUR-Grenze einen Unterhaltsrückgriff nur für Leistungsberechtigte der "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" ausgeschlossen (bisher § 43 Abs. 5 SGB XII). Diese Regelung wird nun auf das gesamte SGB XII ausgeweitet. Dazu wird § 43 Abs. 5 im Vierten Kapitel des SGB XII aufgehoben und nahezu wortgleich in den für das gesamte SGB XII geltenden, neu eingeführten, § 94 Abs. 1a im elften Kapitel übernommen. Das bedeutet: Die Beschränkung des Unterhaltsrückgriffs wird auch auf die anderen Leistungen des SGB XII ausgedehnt, soweit keine minderjährigen Kinder betroffen sind.
  • Der begrenzte Unterhaltsrückgriff ist nicht nur auf das Verhältnis Kinder-Eltern beschränkt, sondern wird auch auf das Verhältnis Eltern gegenüber Kindern ausgedehnt. Bei Kindern, die Leistungen nach dem SGB XII erhalten, handelt es sich um Menschen mit Behinderungen, deren Familien durch diese Situation schon in besonderem Maß belastet sind. Gerade deshalb ist es damit sozialpolitisch angezeigt, auch die Eltern volljähriger behinderter oder pflegebedürftiger Kinder bis zur Einkommensgrenze von 100.000 EUR durch die neue Regelung einheitlich zu entlasten.
  • Die Begrenzung des Unterhaltsrückgriffs soll ferner auch in der Eingliederungshilfe, die ab 2020 aus dem SGB XII ins SGB IX überführt wird, durch einen Verzicht auf Elternbeiträge bei volljährigen Leistungsbeziehern gelten. So soll vermieden werden, dass die aus dem SBG XII herausgelöste neue Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gegenüber Leistungen der Sozialhilfe schlechter gestellt wird.

HINWEIS: Mit dieser Reform des Unterhaltsrückgriffs in der Sozialhilfe wird den betroffenen Menschen bzw. der ganzen Familie mehr finanzieller Freiraum ermöglicht, denn die Reform wird die betroffenen unterhaltsverpflichteten Eltern bzw. Kinder um circa 300 Millionen EUR entlasten. Die Solidargemeinschaft wird demgegenüber stärker in die Verantwortung genommen.

 

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