Arbeitgeber und Arbeitnehmer können nämlich vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, galt bislang eine Arbeitszeit von 10 Stunden als vereinbart. Zudem hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen. ABER: Seit dem 1. Januar 2019 gelten nicht mehr 10, sondern 20 Stunden als vereinbart (§ 12 Abs. 1 TzBfG).
Das heißt: Existieren keine schriftlichen Vereinbarungen zur Arbeitszeit, werden nun 20 Wochenstunden als vereinbart angesehen. Bei einem Mindestlohn von 9,19 EUR pro Stunde wären das 183,90 EUR Wochenlohn und - je nach Länge des Monats - rund 740 EUR Monatslohn. Damit ist die Minijobgrenze von 450 EUR locker überschritten. Das wird Arbeitgebern und zum Teil auch den Arbeitnehmern nicht gefallen. Hinzuweisen ist diesbezüglich auch auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.9.2014 (5 AZR 1024/12), in dem es heißt: " Haben die Arbeitsvertragsparteien eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ….. gelten die zum Schutz des Arbeitnehmers gesetzlich fingierten Arbeitszeiten." Es wird insoweit auf § 12 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 TzBfG verwiesen, wonach bislang 10 und nun 20 Wochenstunden als vereinbart gelten.
STEUERRAT: Das Gesetz betrifft zwar in erster Linie das Arbeitsrecht. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich die Träger der Sozialversicherung darauf berufen werden und im Rahmen ihrer Prüfungen die Minijobs zu sozialversicherungspflichtigen Jobs "umwandeln" werden. Hohe Beitragsnachforderungen wären vorprogrammiert. Ob sie damit durchkommen werden, steht auf einem anderen Blatt, vor allem, wenn die tatsächliche Übung in der Vergangenheit eine andere war. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, auch bei geringfügig Beschäftigten die wöchentlich zu erbringende Arbeitszeit schriftlich zu fixieren. Das reine Ausfüllen des Personalfragebogens reicht nicht aus.
AKTUELL: Weitere Verschärfungen für Arbeitgeber
Die EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie verfolgt das Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, vor allem, indem die Regelungen eines Arbeitsverhältnisses transparenter werden. Ein Arbeitnehmer soll wissen, worauf er sich einlässt, wenn er eine neue Arbeitsstelle antritt und darf nicht erst hinterher auf vermeintliche Nebenabreden hingewiesen werden. Zur Erreichung dieses Ziels sieht die Richtlinie erweiterte Pflichten des Arbeitgebers zur Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses vor.
Der deutsche Gesetzgeber hat die EU-Richtlinie nun in ein nationales Gesetz gegossen, das Arbeitgeber und Arbeitnehmer seit dem 1. August 2022 beachten müssen. Betroffen sind durch die Umsetzung der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie zahlreiche Gesetze. In der Praxis von besonderer Bedeutung sind die Änderungen des Nachweisgesetzes und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts).
Änderungen des Nachweisgesetzes
Im Nachweisgesetz ist unter anderem geregelt, dass dem Arbeitnehmer alle wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses mitzuteilen sind. Mit den Änderungen zum Nachweisgesetz gibt es insoweit Verschärfungen für Arbeitgeber und mehr Rechte für Arbeitnehmer.
- Die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses sind dem Arbeitnehmer wie bisher in Schriftform zur Verfügung zu stellen. Eine elektronische Form ist nicht ausreichend; sie ist sogar ausdrücklich ausgeschlossen.
- Bei befristeten Arbeitsverträgen ist die Angabe des Enddatums oder der vorhersehbaren Dauer des Arbeitsverhältnisses erforderlich. Dies kann in Form einer konkreten Zeitbestimmung bzw. eines konkreten Enddatums oder - falls es sich um einen zweckbefristeten Arbeitsvertrag handelt - durch Angabe des Zwecks erfolgen.
- In der Niederschrift über die wesentlichen Vertragsbedingungen ist der Arbeitsort aufzunehmen oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann. Sofern der Arbeitnehmer seinen Arbeitsort frei wählen kann, ist er auch hierüber zu informieren.
- Sofern eine Probezeit vereinbart wurde, ist der Arbeitnehmer hierüber zu unterrichten.
- Die Bestandteile des Arbeitsentgelts einschließlich der eventuellen Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sind getrennt auszuweisen. Die Art der Auszahlung (beispielsweise Barauszahlung/Überweisung) ist anzugeben.
- Es besteht eine Verpflichtung des Arbeitgebers, im Rahmen der Unterrichtung über die vereinbarte Arbeitszeit auch über vereinbarte Ruhepausen und vereinbarte tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit zudem über das Schichtsystem (zum Beispiel Drei-Schicht-System), den Schichtrhythmus (zum Beispiel wöchentlicher Wechsel von Früh-, Spät- und Nachtschicht) und gegebenenfalls die Voraussetzungen von Schichtänderungen zu informieren.
- Die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen, sofern diese vereinbart wurden, sind dem Arbeitnehmer mitzuteilen.
- Bei Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer darüber zu informieren, wie ihre Arbeitszeiten festgelegt werden. Dabei hat er mindestens mitzuteilen, dass die Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen ist, das Zeitfenster, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, das für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist und außerhalb dessen der Arbeitgeber keine Arbeitsleistung verlangen darf, sowie die Mindestankündigungsfrist für die Arbeitsleistung. Außerdem hat der Arbeitgeber im Rahmen von § 12 TzBfG über die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden zu informieren.
- Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen externen Versorgungsträger zugesagt hat, sind Name und Anschrift dieses Versorgungsträgers in der Niederschrift aufzunehmen. Eine Nachweispflicht besteht nicht, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist.
- Zu informieren ist auch über den Umfang des Anspruchs auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen, sofern ein solcher Anspruch besteht sowie über den Kündigungsschutz. Dazu gehören Form und Fristen der Kündigung, aber zusätzlich eine Information über die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Sofern eine Probezeit vereinbart wurde, umfasst die Nachweispflicht auch die verkürzte Kündigungsfrist.
- Die Arbeitsbedingungenrichtlinie sieht keine Ausnahmeregelung für kurzzeitige Arbeitsverhältnisse vor. Die bisherige Ausnahmeregelung des § 1 Satz 1 für vorübergehende Aushilfen von höchstens einem Monat wurde gestrichen. Daher ist das Nachweisgesetz auch bei Aushilfen zu beachten, die nur für wenige Wochen eingestellt werden.
STEUERRAT: Bei Arbeitsverhältnissen, die bereits vor dem 1. August 2022 bestanden haben, wird eine Informationspflicht des Arbeitgebers erst auf Verlangen des Nachweises des Arbeitnehmers ausgelöst. Laufende Arbeitsverträge müssen nicht angepasst werden. Arbeitnehmer mit laufenden Verträgen können den Arbeitgeber aber auffordern, die wesentlichen Arbeitsbedingungen mitzuteilen. Dem muss der Arbeitgeber dann grundsätzlich innerhalb einer Frist von sieben Tagen, für bestimmte Angaben spätestens einen Monat nach Zugang der Aufforderung Folge leisten.
STEUERRAT: Wenn dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, entfällt die Verpflichtung zur Information über die oben genannten Punkte. Vorausgesetzt natürlich, der Vertrag enthält die geforderten Angaben (§ 2 Abs. 5 Nachweisgesetz). Insofern ist es wohl ratsam, grundsätzlich einen schriftlichen Arbeitsvertrag auszufertigen. Bereits bestehende Musterarbeitsverträge, die derzeit verwendet werden, sollten daraufhin überprüft werden, ob sie die neuen Pflichten berücksichtigen.
STEUERRAT: Bei einem Verstoß gegen die Pflichten, die sich aus dem Nachweisgesetz ergeben, droht ein Bußgeld gegen den Arbeitgeber von bis zu 2.000 EUR pro Verstoß.
Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
Neuerungen sind auch im Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehen, wobei zum Teil wieder auf das Nachweisgesetz verwiesen wird. So ist ein Arbeitgeber nun verpflichtet, Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, und die ihrem Arbeitgeber in Textform ihren Wunsch nach einer Vollzeit- anstelle einer Teilzeitarbeit angezeigt haben, eine begründete Antwort in Textform innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige zu übermitteln (§ 7 TzBfG).
Ähnliches gilt bei befristeten Arbeitsverträgen: Der Arbeitgeber hat einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden und der ihm in Textform den Wunsch nach einem unbefristeten Arbeitsvertrag angezeigt hat, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen. Dies gilt nicht, sofern der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber diesen Wunsch in den letzten zwölf Monaten vor Zugang der Anzeige bereits einmal angezeigt hat (§ 18 TzBfG).
Bei Arbeit auf Abruf nach § 12 TzBfG wird der Arbeitgeber verpflichtet, Referenzstunden und Referenztage für das Arbeitsverhältnis festzulegen, in denen auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Es wird für den Arbeitnehmer dadurch vorhersehbarer, wann er gegebenenfalls zur Arbeit herangezogen wird. Auch die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden ist anzugeben (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 Nachweisgesetz). Es wird klargestellt, dass die Festlegung eines Zeitrahmens eine materielle Voraussetzung für den vertraglichen Anspruch auf Arbeitsleistung ist genauso wie die Einhaltung der Ankündigungsfrist. Wird kein Zeitrahmen festgelegt, kann der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung verweigern. Ebenso kann er die Arbeitsleistung verweigern, wenn der Arbeitgeber zu einer Arbeitsleistung außerhalb des festgelegten Zeitrahmens auffordert. Über die weiteren - neuen -Pflichten bezüglich der Arbeit auf Abruf ist bereits oben hingewiesen worden.
STEUERRAT: Weitere Änderungen betreffen zum Beispiel das Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und die Gewerbeordnung. So wird der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer die Firma und die Anschrift des entleihenden Unternehmers vor jeder Überlassung mitzuteilen. Und es wird klargestellt, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nicht die Kosten für Pflichtfortbildungen aufbürden darf.
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