Der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Bundesagentur für Arbeit haben am 21.3.2019 beschlossen, die neue Regelung "anzuwenden“. Was bleibt ihnen auch anderes übrig?
In ihrem Besprechungsergebnis heißt es unmissverständlich: Der auf Basis dieser fiktiven Wochenarbeitszeit bestehende Entgeltanspruch des Arbeitnehmers ist unabhängig davon zu berücksichtigen, ob in diesem Umfang tatsächlich Arbeit geleistet oder vergütet wurde. Angesichts der Erhöhung der Wochenstundengrenze werden - selbst unter Zugrundelegung lediglich des Mindestlohns - die Grenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der Regel überschritten. Somit können Arbeitnehmer mit entsprechenden Abrufarbeitsverhältnissen ohne Festlegung der Arbeitszeit nicht (mehr) geringfügig entlohnt beschäftigt sein (Niederschrift über die Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 21.03.2019, Punkt 4.).
Leider lässt der Beschluss nicht erkennen, wann denn nun konkret von einer "Arbeit auf Abruf“ auszugehen ist. Daher muss wohl befürchtet werden, dass die Prüfer der Sozialversicherung in allen Fällen die 20 Wochenstunden unterstellen werden, in denen in denen keine schriftlichen Vereinbarungen zur Arbeitszeit bestehen und die Stundenzahl oder das Gehalt schwanken - man spricht insoweit auch von einem "Phantomlohn."
Auch bei geringfügig Beschäftigten empfiehlt es sich also, die wöchentlich zu erbringende Arbeitszeit schriftlich zu fixieren, da sonst immer 20 Wochenstunden als vereinbart gelten und die dafür fälligen Sozialbeiträge zu entrichten wären. Selbstverständlich muss abgewogen werden, ob die damit gegebenenfalls für den Arbeitgeber einhergehenden weiteren Verpflichtungen hingenommen werden sollen.
Helfen eventuell die Vereinbarung einer Mindest- oder Höchstarbeitszeit weiter?
Antwort: nur bedingt. Hier ist nämlich Absatz 2 des § 12 TzBfG zu beachten. Danach gilt:
- Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen.
- Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.
STEUERRAT: Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.2.2012 (10 AZR 111/11) entschieden, dass die Arbeitsvertragsparteien nicht "gezwungen" sind, ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Stattdessen können sie eine Rahmenvereinbarung und anschließend jeweils - befristete- Einzelarbeitsverträge abschließen. Auch der Arbeitnehmer könne ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren. Diese Konstruktion könnte also zumindest in bestimmten Fällen weiterhelfen, sollte aber mit einem arbeitsrechtlich versierten Juristen besprochen werden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Einrichtung eines (Jahres-)Arbeitszeitkontos. Dieses ist auch für geringfügig Beschäftigte zulässig und ermöglicht, dass ein Minijobber - bei gleichbleibendem monatlichen Arbeitsentgelt - je nach Bedarf unterschiedlich viele Stunden pro Monat arbeitet. Zu Einzelheiten siehe: Arbeitszeitkonten für Minijobs (Information der Knappschaft Bahn See).
MEINUNG: Der Grund der Gesetzesänderung ist durchaus verständlich, da Arbeitnehmer mehr Sicherheit bezüglich ihrer Arbeitszeit und damit auch ihres Lohns erlangen sollen. Für Arbeitgeber ist sie aber nur schwer umsetzbar. Ein schwacher Trost ist lediglich die Regelung zu kurzfristigen Beschäftigungen, wonach keine Sozialabgaben anfallen, wenn die Beschäftigung von vornherein auf längstens 3 Monate oder 70 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres begrenzt ist. Sie darf zudem nicht berufsmäßig ausgeübt werden, falls das Entgelt über 450 EUR im Monat liegt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV).
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