1. Zum Hintergrund:
In der steuerlichen Behandlung von Personenhandelsgesellschaften gibt es national und international zuweilen enorme Unterschiede, die zu immer größeren Problemen führen, etwa wenn ein Gesellschafter seinen Sitz im Ausland hat oder wenn ein Unternehmen im Ausland erworben wird, das in die Unternehmensstruktur eingegliedert werden soll. Auch Sonder- und Ergänzungsbilanzen, die im deutschen Recht eine große Rolle spielen, sind im Ausland eher unbekannt. Daher ist insbesondere aus der Industrie die Forderung laut geworden, die Besteuerung von Personenhandelsgesellschaften grundlegend zu reformieren.
Doch auch rein national betrachtet gab es verstärkt Kritik am bisherigen Besteuerungssystem, denn bekanntermaßen unterliegen Gewinne von Kapitalgesellschaften nur einem Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent, während Gewinne von Personengesellschaften bei ihren Gesellschaftern mit dem persönlichen Steuersatz zu erfassen sind. Erst bei einer Ausschüttung kommt es in etwa zu einer "gleichwertigen" Besteuerung der unterschiedlichen Rechtsformen. Zwar gibt es auch für Personenunternehmen die Möglichkeit einer Begünstigung von nicht entnommenen Gewinnen, doch ist diese recht kompliziert ausgestaltet und wird von vielen Unternehmern daher ungerne gewählt.
2. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts
Der Gesetzgeber hat die Kritik nunmehr aufgegriffen und das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts verabschiedet. Mit dem neuen § 1a KStG haben Personenhandelsgesellschaften und auch Partnerschaftsgesellschaften in Zukunft die Möglichkeit, für steuerliche Zwecke wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. Sie können "zur Körperschaftsteuer optieren". Dazu ist ein unwiderruflicher Antrag vor Beginn des Wirtschaftsjahrs zu stellen, ab dem die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gelten soll. Das bedeutet:
- Infolge der Ausübung der Option wird die Gesellschaft für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen und der Gewerbesteuer materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich wie eine Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft behandelt. Damit finden prinzipiell alle Regelungen des Körperschaftsteuergesetzes, des Einkommensteuergesetzes, des Umwandlungssteuergesetzes, des Investmentsteuergesetzes, des Außensteuergesetzes oder des Zerlegungsgesetzes Anwendung, die auf Kapitalgesellschaften oder auf Körperschaften Bezug nehmen. Die Ausübung der Option ändert nichts daran, dass die Gesellschaft, die für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen "wie eine Kapitalgesellschaft" zu behandeln ist, zivilrechtlich nach wie vor eine Personengesellschaft ist.
- Der für die Ausübung der Option erforderliche Antrag ist spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahres zu stellen, ab dem die Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz erfolgen soll. Für das Wirtschaftsjahr 1.1. - 31.12.2022 ist der Antrag also spätestens bis zum 30.11.2021 zu stellen. Eine rückwirkende Ausübung der Option ist nicht vorgesehen, da sie Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen würde. Allerdings kann die Gesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt wieder "zurück zur Personengesellschaft optieren".
- Wird die Option ausgeübt, wird nicht nur die Gesellschaft selbst wie eine Kapitalgesellschaft behandelt. Auch die Gesellschafter der optierenden Gesellschaft werden materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft behandelt. Folglich erzielen der oder die Geschäftsführer nach Option grundsätzlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, für die Lohnsteuer abzuführen ist. Die Gesellschaft gilt als Arbeitgeber und die Geschäftsführer als Arbeitnehmer. Die von der Gesellschaft ausgeschütteten Gewinnanteile unterliegen im Übrigen der Kapitalertragsteuer. Allerdings müssen die Ausschüttungen (in aller Regel) in die jeweilige Steuerveranlagung einbezogen werden und unterliegen dem persönlichen Steuersatz des oder der Gesellschafter. Der Abgeltungsteuersatz von nur 25 Prozent findet mithin keine Anwendung.
- Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) und Einzelunternehmen haben keine Möglichkeit zur Option. Im Übrigen gilt die Option nur für die Ertragsteuern und nicht etwa für die Schenkung- oder Erbschaftsteuer.
STEUERRAT: Die Neuregelung gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 2022. Sie ist sehr komplex und wohl auch nicht für alle Gesellschaften geeignet, denn um als Personengesellschaft - steuerneutral - zur Körperschaftsteuer "übergehen" zu können, darf kein funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten werden. Anders ausgedrückt: Wer derzeit Alleineigentümer einer Immobilie ist, die er "seiner" Personengesellschaft zur Nutzung überlässt und die daher zum Sonderbetriebsvermögen gehört, müsste das Grundstück bei einer Option zur Körperschaftsteuer wohl zuvor ins Gesamthandsvermögen einbringen, damit die Option nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven führt. Eine Ausnahme gilt wohl in den Fällen der so genannten Betriebsaufspaltung. Allerdings entstehen dann weitere Fragen und Probleme. Im Übrigen gehen mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts viele weitere Änderungen einher, zum Beispiel in Bezug auf die "Globalisierung des Umwandlungssteuergesetzes".