Wer gegen einen Steuerbescheid Einspruch einlegt, muss die festgesetzte Steuer zunächst entrichten. Allerdings kann mit dem Einspruch auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden (§ 361 AO). Das Finanzamt sollte Ihrem Antrag zustimmen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für Sie eine erhebliche Härte bedeuten würde. Für Sie bedeutet das einerseits, dass Sie die Steuer zunächst nicht zahlen müssen. Andererseits droht Ihnen eine Belastung mit Zinsen, wenn der Einspruch endgültig ohne Erfolg bleibt und Sie die Steuer nachträglich zahlen müssen. Dann nämlich verlangt das Finanzamt auf den ausgesetzten Steuerbetrag zusätzlich so genannte Aussetzungszinsen in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat bzw. 6 Prozent pro Jahr (§ 237 i.V.m. 238 Abs. 1 AO). Doch die Höhe der Aussetzungszinsen ist streitig. Im Einzelnen:
  • Der Zinssatz von 0,5 Prozent galt bis 2018 auch für Steuernachzahlungs- und -erstattungszinsen (gemäß § 233a AO). Doch das Bundesverfassungsgericht hatte hier die Höhe seit 2014 für verfassungswidrig beurteilt, wobei der Zinssatz erst ab 2019 korrigiert werden musste (BVerfG-Urteile vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17). Tatsächlich beträgt der Zinssatz jetzt nur noch 0,15 Prozent pro Monat bzw. 1,8 Prozent pro Jahr (§ 238 Abs. 1a AO).
  • Strittig ist nun die Frage, ob der Zinssatz von 0,5 Prozent für Aussetzungszinsen noch verfassungsgemäß ist, oder ob der Zinssatz wie bei den Nachzahlungs- und Erstattungszinsen herabgesetzt werden muss.

AKTUELL hält der Bundesfinanzhof den gesetzlichen Zinssatz von 6 Prozent p.a. für Aussetzungszinsen für verfassungswidrig. Nach Auffassung des BFH ist ein Zinssatz für die Aussetzungszinsen in Höhe von 6 Prozent p.a. im Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021 viel zu hoch. Zumindest während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase sei der gesetzliche Zinssatz der Höhe nach evident nicht (mehr) erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung typischerweise erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen. Der BFH hat daher das Bundesverfassungsgericht angerufen (BFH-Beschluss vom 8.5.2024, VIII R 9/23).

  • Der Fall: Der Steuerpflichtige hatte Einspruch und später Klage gegen den Steuerbescheid 2012 eingelegt. Den Rechtsstreit verlor er jedoch. Das Finanzamt hatte seinerzeit die Aussetzung der Vollziehung erlaubt und hat nunmehr Aussetzungszinsen von 0,5 Prozent für 78 Monate festgesetzt, unter anderem für den Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021. Der Kläger wandte sich gegen die Zinsfestsetzung.
  • Nach Auffassung des BFH werden Steuerpflichtige, die Zinsen schulden, weil sie die Steuer nach der Aussetzung der Vollziehung nicht bezahlt haben, und Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen entrichten müssen, weil ihre Steuerfestsetzung zu einem Unterschiedsbetrag (§ 233a Abs. 3 AO) geführt hat und sie die materiell-rechtlich von Anfang an geschuldete Steuer deshalb erst später zahlen müssen, ungleich behandelt. Denn Nachzahlungszinsen werden seit dem 1.1.2019 lediglich mit einem Zinssatz von 0,15 Prozent für jeden Monat, also 1,8 Prozent p.a. berechnet. Auch diese Zinssatzspreizung ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

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Steuertipp der Woche vom 9.12.2024