Wenn verdiente Arbeitnehmer in den Ruhestand verabschiedet werden, richten die Arbeitgeber mitunter ein mehr oder weniger großes Fest aus. Etwas größer und mit Gästen außerhalb des Unternehmens wird zumeist gefeiert, wenn ein Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied in den Ruhestand tritt. Die Finanzverwaltung sieht in solchen Festen oftmals eine Bereicherung des Arbeitnehmers, die zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen soll. Zumindest soll dies gelten, wenn ein Betrag von 110 EUR (einschl. Umsatzsteuer) je teilnehmender Person überschritten wird. Dabei sind Geschenke bis zu einem Gesamtwert von 60 EUR in die 110-Euro-Grenze einzubeziehen (R 19 Abs. 2 Nr. 3 LStR). Bei dem Betrag von 110 EUR soll es sich um einen Freigrenze und nicht um einen Freibetrag handeln. Wird der Betrag also auch nur um einen Cent überschritten, soll der gesamte Aufwand für die Feier zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen. AKTUELL hat das Niedersächsische Finanzgericht entschieden, dass sich ein Empfang anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitsnehmers als eine Veranstaltung des Arbeitgebers darstellen kann, die nicht zu Arbeitslohn führt. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber als Einladender die Gästeliste bestimmt und den Empfang in den eigenen Geschäftsräumen durchführt. Auf eine 110-Euro-Grenze kommt es nicht an (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.5.2024, 8 K 66/22).
  • Der Fall: Bei einem Geldinstitut trat der damalige Vorstandsvorsitzende in den Ruhestand. In diesem Zusammenhang veranstaltete die Bank einen Empfang in ihrer Unternehmenszentrale. Für die Organisation und die Umsetzung der Veranstaltung war der eigene Personalbereich zuständig. Unter den ca. 300 geladenen Gästen befanden sich frühere und jetzige Vorstandsmitglieder der Bank, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Weiter waren Vertreter von Banken und Sparkassen, Vertreter von Verbänden, Kammern und kulturellen Einrichtungen sowie Pressevertreter anwesend. Zudem waren acht Familienangehörige des ausscheidenden Arbeitnehmers als Gäste geladen. Im Rahmen des Empfangs stellte die Bank auch ihren neuen Vorstandsvorsitzenden vor.
  • Das Finanzamt kam zu der Auffassung, dass es sich bei dem Empfang nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, da nicht alle Arbeitnehmer der Bank eingeladen gewesen seien. Daher seien die Aufwendungen, für den Empfang, auch weil sie die Freigrenze von 110 EUR überschritten, entsprechend der in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR niedergelegten Verwaltungsauffassung dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden als Arbeitslohn zuzurechnen und eine Nachversteuerung durchzuführen. Doch die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
  • Begründung: Der Bundesfinanzhof hat für den Fall eines besonderen runden Geburtstags eines Arbeitnehmers entscheidend darauf abgestellt, dass zwar der Geburtstag des Arbeitnehmers als Anlass des Festes dafür spreche, dass es sich um ein Fest des Arbeitnehmers handele. Aus den übrigen Umständen könne sich jedoch ergeben, dass es sich gleichwohl um ein Fest des Arbeitgebers handele (BFH-Urteil vom 28.1.2003 VI R 48/99, BStBl II 2003, 724). Trete der Arbeitgeber als Gastgeber auf, der die Gästeliste bestimme, spreche dies dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Ferner sei von Bedeutung, ob es sich bei den Gästen um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie der Presse, Verbandsfunktionäre sowie Mitarbeiter des Arbeitgebers handele oder um private Freunde und Bekannte des Arbeitnehmers. Finde der Empfang in den Räumen des Arbeitgebers statt, spreche dies ebenfalls dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele. Schließlich sei zu berücksichtigen, ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweise oder ob das nicht der Fall sei. Stelle sich der Empfang danach als Fest des Arbeitgebers dar, sei eine private Mitveranlassung unschädlich.
  • Nach diesen Grundsätzen scheidet im vorliegenden Verfahren die Annahme von Arbeitslohn aus. Allein die Bank ist als Gastgeberin des Empfangs aufgetreten. Sie hat die Einladungskarten entworfen und auf der Grundlage eigener, unabhängig von dem konkreten Empfang zuvor festgelegter Einladungslisten bestimmt, welche Personen eingeladen werden sollten. Die Gästeliste war insgesamt nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten erstellt worden. Der Arbeitnehmer hatte lediglich die Möglichkeit erhalten, eine kleine Anzahl enger Familienangehöriger zu benennen, die ebenfalls zu der Veranstaltung eingeladen werden sollten. Hiervon hat er in geringem Umfang Gebrauch gemacht. Der Empfang fand in den Geschäftsräumen des Geldinstituts statt und nicht im Haus des Arbeitnehmers oder in von ihm angemieteten Räumlichkeiten. Im Übrigen wurde neben der Verabschiedung des bisherigen Vorstandsvorsitzenden den geladenen Gästen zugleich der neue Vorstandsvorsitzende vorgestellt. Entgegen R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR kann auch bei Überschreiten der Freigrenze von 110 EUR eine betriebliche Veranstaltung vorliegen. Lediglich der Kostenanteil, der auf die persönliche Gäste entfällt, ist zu versteuern. Dies kann über den Arbeitgeber nach § 37b Abs. 2 EStG pauschal mit 30 Prozent der aufgewendeten Kosten erfolgen.

STEUERRAT: Seitens der Finanzämter kommt bei Feierlichkeiten anlässlich von Jubiläen oder der Verabschiedung von Arbeitnehmern gerne der Hinweis, der Mitarbeiter habe eigene Aufwendungen erspart, weil ein gesellschaftlicher Zwang bestehe, solche Feierlichkeiten in einem größeren Rahmen zu begehen. Doch ein solches Argument geht ins Leere, wenn es sich nach den oben genannten Kriterien um ein Fest des Arbeitgebers handelte (so auch BFH-Urteil vom 28.1.2002, VI R 48/99).

STEUERRAT: Gegen das Besprechungsurteil wurde die Revision eingelegt (Az. VI R 18/24). Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.

Weitere Informationen: 

Beachten Sie auch unsere weiteren Steuertipps in der Rubrik 

 

Steuertipp der Woche vom 16.9.2024