Bei geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten ist das Geld oft knapp. Umso mehr gilt dies, wenn einer der beiden Ex-Partner noch Schulden hat, beispielsweise beim Finanzamt aus einer Zeit, als er selbstständig war und Umsatzsteuer an den Fiskus abführen musste. In einer solchen Situation kann es schon einmal sein, dass die Ex-Partner auf folgende - fatale - Idee kommen:
  • Der Ehemann hat nun einen Job als Angestellter. Er bittet seinen Chef, das Nettogehalt unmittelbar auf das Konto seiner ehemaligen Frau zu überweisen, damit er seiner Unterhaltsverpflichtung "ohne Umwege" nachkommen kann.
  • Sowohl der Chef als auch die Ex-Frau sind damit einverstanden, denn dem Chef kann es im Prinzip egal sein, auf welches Konto er das Gehalt überweist. Und der Ehefrau ist nur daran gelegen, dass sie ihren Unterhalt bekommt.
  • Wem die Sache aber ganz und gar nicht egal ist, sind die Gläubiger des Ehemannes, hier dem Finanzamt. Sie wittern bei dem Vorgehen nämlich eine unerlaubte Gläubigerbenachteiligung. Und den Gläubigern stehen die Regelungen des Anfechtungsgesetzes (AnfG) zur Verfügung, um sich ihr Geld zurückzuholen.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 1 des AnfG vorliegt, wenn der Arbeitgeber den Lohn eines verschuldeten Arbeitnehmers auf ein Konto von dessen Ehefrau überweist - und zwar selbst dann, wenn der überwiesene Lohn des Schuldners unterhalb der Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO liegt . Folge: Die Ehefrau muss den gesamten an sie überwiesenen Betrag an den Gläubiger, hier an das Finanzamt, wieder herausrücken (BFH-Urteil vom 21.11.2023, VII R 11/20).

  • Der Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde lag, entsprach in etwa dem oben geschilderten Fall, das heißt, der Arbeitgeber überwies das Gehalt auf ein Konto der Ehefrau seines Arbeitnehmers. Der Ehemann hatte noch Umsatzschulden beim Finanzamt, die dieses bei ihm aber nicht unmittelbar beitreiben konnte. Als das Finanzamt von der Zahlung des Gehalts auf das Konto der Ehefrau erfuhr, erließ es gegenüber dieser einen so genannten Duldungsbescheid und pfändete die Guthaben auf deren Konto, soweit sie die Überweisungen ihres Ehemanns bzw. dessen Steuerschulden betrafen (§ 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 AnfG) . Das Finanzamt führte im Wesentlichen aus, dass die Überweisungen des Ehemannes vorsätzlich mit dem Ziel der unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen worden seien. Die Ehefrau sei daher als Kontoinhaberin nach § 11 Abs. 1 AnfG verpflichtet, die Vollstreckung so zu dulden, als gehörten die gutgeschriebenen Beträge noch zum Vermögen des Ehemannes. Die Tatsache, dass das Gehalt beim Ehemann ohnehin nicht pfändbar gewesen wäre, weil keine pfändbaren Einkommensanteile vorgelegen hatten, sei egal. Die Richter des BFH gaben dem Finanzamt Recht.
  • Begründung: Der Ehemann hat seine Gläubiger benachteiligt. Eine solche objektive Gläubigerbenachteiligung stellt auch die von ihm - über den Arbeitgeber - veranlasste Einzahlung auf das Konto der Ehefrau dar. Der Umstand, dass die streitgegenständlichen Lohnbeträge theoretisch dem Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen nach § 850c ZPO hätten unterfallen können, führt zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage. Denn hätte der Arbeitgeber des Ehemannes die streitgegenständlichen Beträge, also die dem Pfändungsschutz unterliegende Höhe seines Lohnanspruchs, auf ein eigenes Konto des Ehemannes überwiesen, hätten dessen Gläubiger - trotz der Vorschrift des § 850c ZPO - auf sie zugreifen können.
  • Zwar hatte der Ehemann die Möglichkeit, ein Pfändungsschutzkonto im Sinne des § 850k ZPO einzurichten, wodurch die auf dieses Konto überwiesenen Beträge vor dem Zugriff der Gläubiger grundsätzlich geschützt gewesen wären. Aber dies stellt lediglich einen hypothetischen Geschehensablauf dar. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Pfändungsschutzkontos klargestellt, dass Pfändungsschutz nur noch auf eigenen Konten des Schuldners gewährt werden kann und ein Pfändungsschutz für Gutschriften auf Konten Dritter nicht gegeben ist.
  • Auch die Behauptung, der Ehemann habe kein anderweitiges Einkommen oder Vermögen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn auch insoweit greift die Überlegung ein, dass sich der Ehemann seines Schutzes selbst entzogen hat.
  • Im vorliegenden Fall war dem Ehemann bewusst, dass er Steuerschulden hatte, die er nicht begleichen konnte, und sein Lohn auf sein Geheiß hin jeden Monat auf ein fremdes Konto überwiesen wurde. Er nutzte das Konto der Ehefrau, weil er über andere Konten nicht verfügte. Damit hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass die auf das Konto eingezahlten Beträge dem Zugriff des Finanzamts entzogen wurden. Des Weiteren hatte die Ehefrau Kenntnis im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Ehemannes. Sie hat ihrem Ehemann damit ihr Konto "geliehen".

STEUERRAT: Die Ehemann hätte gut daran getan, ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) einzurichten. Auf diesem Konto erhält ein Schuldner für sein Guthaben einen automatischen Basispfändungsschutz in Höhe seines Pfändungsfreibetrages gemäß § 850c ZPO. Jeder Kunde kann von seiner Bank oder Sparkasse verlangen, dass sein Girokonto als P-Konto geführt wird. Weitere Informationen hierzu: Fragen und Antworten zum Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Im Urteilsfall hingegen konnte das Finanzamt als Gläubiger auf das Konto der Ehefrau komplett zugreifen und auch die Beträge unterhalb der Pfändungsfreigrenze einziehen. Beachten Sie zum Thema "Kontoleihe" übrigens auch den Beitrag im SteuerSparbrief Juli-August 2023.

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