AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Aufwendungen für die krankheits-, pflege- und behinderungsbedingte Unterbringung in einer Wohngemeinschaft, die dem jeweiligen Landesrecht unterliegt, als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG absetzbar. Allerdings sind die Aufwendungen um eine Haushaltsersparnis sowie um eine zumutbare Belastung zu kürzen (BFH-Urteil vom 10.8.2023, VI R 40/20).
- Der Fall: Ein Mann ist seit Januar 2007 schwerbehindert. Sein Schwerbehindertenausweis weist als Grad der Behinderung 100 und die Merkzeichen G (erheblich gehbehindert), B (Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nötig) und H (hilflos) aus. Zum 1.1.2017 wurde er von der Pflegekasse in Pflegegrad 4 (schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit) übergeleitet. Seit November 2015 wohnt er gemeinsam mit anderen pflegebedürftigen Menschen in einer selbstverantworteten Wohngemeinschaft mit Betreuungsleistungen im Sinne von § 24 Abs. 2 WTG NW, in der er rund um die Uhr von einem ambulanten Pflegedienst und Ergänzungskräften betreut, gepflegt und hauswirtschaftlich versorgt wird.
- Für sein teilmöbliertes Zimmer entrichtet der Kläger eine monatliche Miete in Höhe von 250 EUR. Darüber hinaus zahlt er im Jahr einen (Fest-)Betrag in Höhe von 13.920 EUR (6 x 1.150 EUR + 6 x 1.170 EUR) an die Vermieter für Kost und andere Lebenshaltungskosten sowie hauswirtschaftliche Hilfs- und Betreuungsleistungen. Seit Dezember 2015 bezieht der Kläger einen (Wohngruppen-)Zuschlag nach § 38a SGB XI, der von der Pflegekasse unmittelbar an den ambulanten Pflegedienst geleistet wird.
- In der Einkommensteuererklärung macht der Mann die Aufwendungen für die Unterbringung in der Wohngemeinschaft gemäß § 33 EStG sowie den erhöhten Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG geltend. Das Finanzamt gewährt zwar den Behinderten-Pauschbetrag, erkennt jedoch die Aufwendungen für die Unterbringung in der Wohngruppe nicht als außergewöhnliche Belastung an. Das Finanzgericht berücksichtigt die geltend gemachten Unterbringungskosten in Höhe von 16.920 EUR (12 x 250 EUR + 6 x 1.150 EUR + 6 x 1.170 EUR), kürzt diese jedoch um die Haushaltsersparnis. Den Behinderten-Pauschbetrag berücksichtigt es nicht.
- Der Bundesfinanzhof weist darauf hin, dass Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind, wenn sie mit einer Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen. Entsprechendes gelte, wenn der Steuerpflichtige behinderungsbedingt in einer dafür vorgesehenen Einrichtung untergebracht ist.
- Für den Abzug der Unterbringungskosten in einer Wohngemeinschaft mit (ambulanten) Betreuungsleistungen macht es keinen Unterschied, ob es sich hierbei um eine anbieterverantwortete Wohngemeinschaft oder um eine selbstverantwortete Wohngemeinschaft handelt. Denn beide Wohngemeinschaften dienen nicht anders als ein "Heim" oder eine Einrichtung mit umfassendem Leistungsangebot zuvörderst dem Zweck, ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung aufzunehmen und ihnen Wohnraum zu überlassen, in dem die notwendigen Betreuungs-, Pflege- und Versorgungsleistungen erbracht werden. Die Unterbringungskosten sind jedoch nur insoweit nach § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die Haushaltsersparnis übersteigen. Neben den Aufwendungen für die behinderungsbedingte Unterbringung ist der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG nicht zu berücksichtigen.
Weitere Informationen:
- Heimunterbringung: Wohnen im Pflegeheim, Behindertenheim, Altenheim
- Krankheitskosten: Wann und wie Sie welche Kosten absetzen können
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