Folgende Anfrage hat die Bundestagsabgeordnete Antje Tillmann (CDU/CSU) an die Bundesregierung gerichtet: Hat die Bundesregierung die Rechtsfrage geprüft, ob es sich bei von Servicekräften in der Gastronomie eingenommenen und in einen gemeinsamen Tronc eingezahlten Trinkgeldern, die dann durch den Arbeitgeber an alle übrigen Beschäftigten ausgezahlt werden, entgegen § 3 Nr. 51 EStG um lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn handelt, und wenn ja, mit welchem Ergebnis, und sieht sie diesbezüglich Änderungsbedarf des Einkommenssteuergesetzes?
Die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Katja Hessel lautet: Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 18.12.2008 zwar entschieden, dass aus dem Spielbanktronc finanzierte Zahlungen an die Arbeitnehmer der Spielbank keine steuerfreien Trinkgelder seien. Das Fehlen einer originären Berechtigung oder Teilhabe der Arbeitnehmer am Troncaufkommen in Spielbanken unterscheidet den Streitfall nach Auffassung des BFH allerdings von solchen Fällen, in denen eine "Poolung von Einnahmen" vorliegt und Trinkgeld in eine gemeinsame Kasse eingezahlt und anschließend aufgeteilt wird, zum Beispiel beim Friseurgewerbe oder Gaststättenbereich bei zentraler Kasse. Denn in diesen Fällen mag das Trinkgeld den Arbeitnehmern in ihrer Gesamtheit gegeben werden, so dass sie entweder originär Miteigentum am Inhalt der Trinkgeldkasse erwerben, jedenfalls aber gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Überlassung des Inhalts der Trinkgeldkasse haben. Das Urteil des BFH ist im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht und somit durch die Finanzverwaltung anzuwenden. Zweifelsfragen zur Thematik liegen der Bundesregierung nicht vor. Daher bedarf es auch keiner Änderung des Einkommensteuergesetzes (BT-Drucksache 20/7148 vom 9.6.2023, S. 28).
FAZIT: Trinkgelder bleiben grundsätzlich auch dann steuerfrei, wenn sie in eine Zentral- oder Gemeinschaftskasse eingelegt und später verteilt werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Verteilungsmaßstab von den Arbeitnehmern selbst oder vom Arbeitgeber festgelegt wird. Eine Ausnahme gilt in Spielbanken. Wichtig: Die Steuerfreiheit gilt nur für Trinkgelder an Arbeitnehmer und nicht an Selbstständige. Soweit der Betriebsinhaber von den Trinkgeldern profitiert, stellen sie steuerpflichtige Betriebseinnahmen dar.
STEUERRAT: Eine besondere Form des Trinkgeldes ist der so genannte Toilettengroschen, den man für die Benutzung von sanitären Anlagen zahlt. Üblicherweise darf das Personal dieses Trinkgeld nicht behalten, sondern muss es an den Inhaber oder Pächter der Sanitäranlage weiterleiten. Erst später erhält das Personal dann das Gehalt, welches das Trinkgeld beinhaltet. Und das Gehalt wiederum muss voll versteuert werden (sieht man einmal von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ab). Ob diese Auffassung allerdings noch lange Bestand hat, könnte fraglich sein, denn das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat entschieden, dass es sich bei den über die Sammelteller erwirtschafteten Geldbeträgen um Trinkgeld i.S. des § 107 Abs. 3 S. 2 GewO handelt (ArbG Gelsenkirchen vom 21.1.2014, 1 Ca 1603/13 und 1 Ca 2158/13; SteuerSparbrief Oktober 2022). Und nach dieser Vorschrift gilt: Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt. Demnach müsste hier eigentlich die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 51 EStG greifen. Wer also mutig ist, könnte eine eventuelle Einkommens- bzw. Lohnbesteuerung des Toilettengroschens anfechten.
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