Wenn Aktiengesellschaften fusionieren oder sich spalten, müssen die beteiligten Aktionäre häufig die Aktien ihres alten Unternehmens hergeben und bekommen dafür Aktien des neuen Unternehmens. Beim Aktientausch treten die erhaltenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile. Dadurch bleiben die steuerlichen Reserven dauerhaft verstrickt und werden erst bei einer zukünftigen Veräußerung realisiert und erst dann versteuert - so der Grundsatz. Allerdings gibt es eine fiese Steuerfalle: Wird bei einem Aktientausch zusätzlich ein Barausgleich gezahlt, ist dieser ebenso wie eine Bardividende nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig und unterliegt sofort der Abgeltungsteuer (§ 20 Abs. 4a Satz 2 EStG). Soeben hat das Bundesfinanzministerium aber eine erfreuliche Vereinfachungsregelung erlassen, die Anleger unbedingt kennen sollten. 

Hintergrund

Wird bei einem Aktientausch zusätzlich ein Barausgleich gezahlt, ist dieser ebenso wie eine Bardividende nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig und unterliegt sofort der Abgeltungsteuer (§ 20 Abs. 4a Satz 2 EStG). Im Jahre 2022 hat der Bundesfinanzhof aber einschränkend entschieden, dass § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG nur greift, wenn es um Verschmelzungen, Ab- bzw. Aufspaltungen und qualifizierte Anteilstauschvorgänge geht, die dem Anwendungsbereich des deutschen Umwandlungssteuergesetzes unterliegen oder die zumindest mit einer inländischen Umwandlung vergleichbar sind. Eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme stellt aber nicht immer eine "echte" Verschmelzung oder Spaltung dar, sondern kann auch lediglich ein reiner Verkauf der alten Anteile gegen Übernahme neuer Anteile, gegebenenfalls verbunden mit einem zusätzlichen Entgelt (Tausch gegen Gewährung eines Mischentgelts), sein. Insbesondere bei Fällen mit Auslandsbezug kann die Steuerfalle des § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG also ins Leere laufen (BFH-Urteil vom 14.2.2022, VIII R 44/18, BStBl 2022 II S. 636).

  • Im zugrundeliegenden Fall hielt der Kläger in seinem Depot Aktien einer US-Gesellschaft, die er in 2013 und 2014 für insgesamt rund 78.000 EUR angeschafft hatte. Mitte 2015 buchte seine Bank sämtliche Aktien der Gesellschaft aus seinem Depot aus und buchte dafür Aktien eines anderen US-Unternehmens ein. Zusätzlich kam es zu einem Barausgleich von letztlich fast 90.000 EUR. Die Bank erläuterte hierzu, dass die Aktien per 12.6.2015 umgetauscht würden im Verhältnis von 1 zu 0,2909 zzgl. 50,50 USD in bar wegen einer Fusion. Die Bank berechnete auf den Barausausgleich von umgerechnet rund 90.000 EUR die volle Abgeltungsteuer von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag. Finanzamt und Finanzgericht sahen das als korrekt an. Der bei einem Aktientausch gezahlte Barausgleich unterliege gemäß § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG in vollem Umfang als Kapitalertrag der Besteuerung. Auch ein Abzug anteiliger Anschaffungskosten sei gesetzlich nicht vorgesehen und verfassungsrechtlich nicht geboten. Der BFH ist dem jedoch entgegengetreten.
  • Bei der Besteuerung eines im Inland steuerpflichtigen Aktieninhabers einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft findet § 20 Abs. 4a EStG bei einem aufgrund einer Verschmelzung erfolgten Tausch der Aktien mit Spitzen- und Barausgleich keine Anwendung, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung die Verschmelzung aufgrund der hohen Barzahlungen nicht einmal hypothetisch in den Anwendungsbereich des deutschen Umwandlungssteuergesetzes fallen könnte. Der gesamte Vorgang ist danach als Tausch gegen Gewährung eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG zu besteuern. Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns richtet sich dann im Wesentlichen nach dem Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung und den Anschaffungskosten. Letztlich belief sich der Gewinn aus der Veräußerung der Aktien aufgrund der Verschmelzung insgesamt auf "nur" noch 47.613,43 EUR.

Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung

AKTUELL hat das BMF die Anwendung des BFH-Urteils verfügt und zusätzlich eine erfreuliche Vereinfachungsregelung erlassen: Werden bei einem Anteilstausch Barzahlungen geleistet, die zehn Prozent des Börsenkurses der gewährten Anteile der übernehmenden Gesellschaft übersteigen, so findet § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG keine Anwendung. Der gesamte Vorgang ist danach als Tausch gegen Gewährung eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG zu besteuern (BFH-Urteil vom 14.2.2022, s.o). Ist ein Börsenkurs für die gewährten Anteile nicht zeitnah ermittelbar, wird nicht beanstandet, wenn stattdessen auf den Börsenkurs der hingegebenen Anteile abgestellt wird. Zudem wird es nicht beanstandet, wenn die sich durch das o.g. BFH-Urteil ergebenden Änderungen für das Kapitalertragsteuer-Abzugsverfahren erst ab dem 1.1.2024 angewendet werden (BMF-Schreiben vom 11.7.2023, IV C 1 - S 2252/19/10003 :013, Rz. 100a).

STEUERRAT: Zugegebenermaßen sind gesellschaftsrechtliche Maßnahmen von Kapitalgesellschaften, noch dazu mit Auslandsbezug, steuerlich schwierig zu würden. Als Anleger kann man da verzweifeln. Doch angesichts der Steuerzahlungen, um die es gehen kann, kann es sich lohnen, das entsprechende Urteil des BFH und den Kapitalertragsteuerabzug genauer unter die Lupe zu nehmen. Wer der Meinung ist, dass Kapitalertragsteuer zu Unrecht oder zu hoch einbehalten wurde, sollte sich üblicherweise aber lieber mit dem Finanzamt als mit seiner Bank streiten. Denn die Banken sind nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG verpflichtet, die Auffassung der Finanzverwaltung beim Kapitalertragsteuerabzug anzuwenden, auch wenn sich diese im Nachhinein als falsch entpuppt (siehe z.B. auch OLG Hamm, Urteil vom 23.10.2018, Az. 34 U 10/18, SteuerSparbrief April 2019).

STEUERRAT: Der BFH hat übrigens gegen den Fiskus auch entschieden, dass beim Aktientausch die Steuerpflicht nicht gilt, wenn die Aktien vor 2009 erworben wurden. Erhält ein Aktionär einen Barausgleich anlässlich eines Aktientausches für vor dem 1.1.2009 erworbene Aktien, die wegen Ablaufs der einjährigen Veräußerungsfrist bereits steuerfrei waren, ist die Zahlung nicht in eine einkommensteuerpflichtige Dividende umzuqualifizieren (BFH-Urteile vom 20.10.2016, VIII R 10/13 und VIII R 42/13). Das Bundesfinanzministerium wendet die Urteile zwischenzeitlich an (BMF-Schreiben vom 19.5.2022, BStBl 2022 I S. 742, Rz. 100a).

STEUERRAT: Nicht nur der Barausgleich, sondern auch eventuelle Sachausschüttungen im Zusammenhang mit Kapitalmaßnahmen von (ausländischen) Kapitalgesellschaften oder auch Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln können zu ungeahnten steuerlichen Folgen führen. Und auch hier ist die steuerliche Beurteilung mitunter extrem schwierig. Im Jahre 2021 hat der Bundesfinanzhof beispielsweise entschieden, dass die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen Spin-Off an private Kleinanleger nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag führt (BFH-Urteile vom 1.7.2021, VIII R 9/19, VIII R 28/19, VIII R 6/20, VIII R 19/20, VIII R 27/20; VIII R 15/20 zu Hewlett Packard und PayPal/eBay, SteuerSparbrief November 2021). Andererseits hat der BFH mit Urteil vom 4.5.2021 (VIII R 14/20) zu Verizon/Vodafone entschieden, dass die seinerzeitige Kapitalmaßnahme eine Besteuerung auslösen konnte (vgl. SteuerSparbrief November 2021). Zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln von ausländischen Gesellschaften wiederum sei auf das BMF-Schreiben vom 11.6.2020 (BStBl 2020 I S. 572), hier speziell zur Air Liquide S.A., verwiesen (vgl. SteuerSparbrief Juli-August 2020).

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