Grundsätzlich gilt:
- Besteht das Ausbildungsdienstverhältnis während einer Erkrankung des Kindes fort, bleibt grundsätzlich auch der Anspruch der Eltern auf Kindergeld bestehen.
- Falls die Erkrankung länger als sechs Monate dauert, muss im Einzelfall entschieden werden, ob mit einer Fortsetzung der Ausbildung noch zu rechnen ist oder nicht. Im zweiten Fall wird das Kindergeld dann nicht mehr länger gewährt.
- Wird das Ausbildungsverhältnis wegen einer Erkrankung des Kindes nicht nur unterbrochen, sondern beendet, zum Beispiel durch Abmeldung von der Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses, entfällt der Anspruch auf Kindergeld. In einem solchen Fall kommt allenfalls eine Berücksichtigung als "Ausbildungsplatz suchendes Kind" in Betracht. Das setzt allerdings voraus, dass es sich um eine vorübergehende Krankheit handelt. Auch hier kommt wieder die Sechs-Monats-Frist zum Zuge. Das heißt, dass die Krankheit voraussichtlich nicht länger als sechs Monate andauern darf. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass das Kind trotz vorübergehender Ausbildungsunfähigkeit weiterhin ausbildungswillig ist (BFH-Urteil vom 21.8.2021, III R 41/19; vgl. SteuerSparbrief März 2022).
- Bei voraussichtlich länger als sechs Monate andauernder Erkrankung ist gegebenenfalls eine Berücksichtigung als "behindertes Kind" möglich. Ist die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten, kommt die Gewährung des Kindergeldes unter bestimmten Voraussetzungen auch über das 25. Lebensjahr hinaus in Betracht.
AKTUELL hat der Bundesfinanzhof erneut zum Thema "Kindergeld für ein langfristig erkranktes Kind" Stellung genommen - leider wieder einmal zu Ungunsten der Eltern. Er hat entschieden, dass eine Kindergeldgewährung wegen Berufsausbildung selbst dann nicht möglich ist, wenn das Ausbildungsverhältnis zwar fortbesteht, Ausbildungsmaßnahmen wegen einer langfristigen Erkrankung des Kindes aber unterbleiben (BFH-Urteil vom 15.12.2021, III R 43/20).
- Der Fall: Ein junger Erwachsener erlitt während seiner Ausbildung einen schweren Unfall mit Schädelbasisbruch und Schädel-Hirn-Trauma. Nach dem Krankenhausaufenthalt durchlief er verschiedene Reha-Maßnahmen, von denen die letzte 17 Monate nach dem Unfall begann. Das Finanzgericht sprach zwar Kindergeld für die ersten acht Monate nach dem Unfall zu, weil das Ausbildungsverhältnis fortbestanden habe und der Wille, die Ausbildung baldmöglichst fortzusetzen, in mehrfacher Hinsicht belegt sei. Der BFH ist dem jedoch entgegengetreten.
- Ein Kind befinde sich nur dann in einer Berufsausbildung im steuerlichen Sinne, wenn es sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Eine Unterbrechung der Ausbildung, zum Beispiel wegen einer Erkrankung, ist unschädlich, wenn diese vorübergehend ist. Wird die Erkrankung aber mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern, kann das Kind nicht mehr wegen seiner Ausbildung berücksichtigt werden.
- Die Vorinstanz muss nun klären, ob die sechs Monate übersteigende Erkrankungsdauer bereits in den ersten Monaten nach dem Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet wurde. Falls zunächst eine schnellere Genesung möglich erschien, könnte der Kindergeldanspruch für diesen Zeitraum noch wegen des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses begründet sein.
- Für die Monate, in denen eine Berücksichtigung wegen Ausbildung aufgrund des dann mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten und eingetretenen langwierigen Heilungsprozesses nicht in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob das Kind behinderungsbedingt außerstande war, sich selbst zu unterhalten und deshalb zu berücksichtigen ist.
STEUERRAT: Wenn Ihr Kind längerfristig erkrankt ist, sollten Sie rechtzeitig Kontakt mit der Familienkasse aufnehmen. Gehen Sie davon aus, dass Ihr Kind seine Ausbildung fortsetzen kann, sollten Sie dies der Familienkasse glaubhaft darlegen und zudem das voraussichtliche Ende der Erkrankung durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachweisen. Die Bescheinigung ist jeweils nach Ablauf von sechs Monaten zu erneuern und der Familienkasse vorzulegen. Falls nach den ärztlichen Feststellungen das voraussichtliche Ende der Erkrankung nicht absehbar ist, ist zu prüfen, ob das Kind wegen einer Behinderung berücksichtigt werden kann (Dienstanweisung DA 2021, A 15.11). Der BFH hat übrigens am 7.10.2021 ein teilweises inhaltsgleiches Urteil gefällt (III R 8/20). Es kann daher von einer gefestigten Rechtsprechung ausgegangen werden.
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