SteuerSparbrief - Archiv

Der Online-SteuerSparbrief erscheint monatlich im Umfang von rund 16 Seiten und ist Teil des Abonnements von Steuerrat24. Die aktuelle Ausgabe steht jeweils ab Monatsbeginn zum Abruf in der Rubrik "SteuerSparbrief" bereit.

Falls Sie eine frühere Ausgabe versäumt haben, können Sie hier die letzten Ausgaben des SteuerSparbriefs aufrufen.

 

Diese Ausgabe bietet unter anderem folgende interessante Themen:

  • Doppelte Haushaltsführung: Lebensmittelpunkt bei beiderseits berufstätigen Ehegatten
  • Studienkosten: Abzugsbeschränkung mittels Zuwendungsnießbrauch umgehen
  • Grundsteuer: Umfassende Neuregelung
  • Kanalanschluss: Sanierungsarbeiten sind sofort abzugsfähig
  • Altersrente: Kann eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vorliegen?
  • Investitionsabzugsbetrag: Aufstockung im Folgejahr zulässig

Hier geht es zum gesamten Inhaltsverzeichnis und zu Ihrem SteuerSparbrief (Hinweis: Die PDF-Datei zum Ausdruck finden Sie unterhalb des Inhaltsverzeichnisses):

Hier finden Sie auch die PDF-Datei zum Ausdruck: SteuerSparbrief April 2020

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Corona-Krise hat Deutschland und die Welt fest im Griff. Natürlich geht es in erster Linie darum, die Verbreitung des Virus aufzuhalten, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und bereits erkrankten Personen eine bestmögliche medizinische Versorgung zukommen zu lassen - koste es, was es wolle. Aber es geht auch um die wirtschaftlichen Folgen, die fast jeden Bürger treffen werden.

Viele spüren die Folgen unmittelbar: Selbstständige durch ausfallende Umsätze oder den kompletten Zusammenbruch ihres Geschäfts; Arbeitnehmer durch Kurzarbeit und Einkommenseinbußen oder sogar den Verlust des Arbeitsplatzes; Minijobber durch den vollständigen Entfall ihres Zusatzverdienstes ohne teilweisen Ausgleich durch die Sozialkassen.

Die staatlichen Institutionen handeln derzeit zwar erstaunlich schnell, etwa durch die unkomplizierte Herabsetzung von Steuervorauszahlungen, die Gewährung von zinsfreien Krediten oder die Zahlung von Kurzarbeitergeld. Doch die große Frage bleibt, ob und inwieweit Einnahmeausfälle ausgeglichen werden können. Gastronomen, Hoteliers, Veranstalter, Reisebüroinhaber und, und, und - sie alle werden über Wochen keine Umsätze erwirtschaften; Arbeitnehmer von extrem betroffenen Unternehmen werden nicht nur temporäre Einbußen erleiden, weil sie in Kurzarbeit geschickt werden. Es steht vielmehr zu befürchten, dass viele von ihnen arbeitslos werden, weil "ihr" Betrieb Insolvenz anmelden musste. Einige werden gar in "ihrer" gesamten Branche lange nicht mehr Fuß fassen können.

Es würde den Staat überfordern, wenn er Einnahmeausfälle tatsächlich - langfristig - kompensiert. Dennoch ist es in der derzeitigen Situation richtig, dass er - im Rahmen seiner Möglichkeiten - versucht, den Betroffenen schnell zu helfen, und zwar mit Zuschüssen und nicht nur mit Krediten, denn auch diese müssen irgendwann zurückgezahlt werden.

Ich plädiere dafür, zusätzlich den Solidaritätszuschlag - anders als geplant - beizubehalten und die Steuereinnahmen zweckgerichtet als Hilfe, etwa als "Steuerzuschuss" oder "negative Steuer", besonders geschädigten Unternehmern und Arbeitnehmern zu gewähren. Die Auszahlung könnte mit dem nächsten Steuerbescheid oder gar als "negative Vorauszahlung" erfolgen. Prüfbehörde wäre die Finanzverwaltung, die ohnehin über die wirtschaftlichen Daten der Steuerzahler verfügt, so dass diese nicht ein zweites Mal erklärt werden müssten.

Neben den bereits beschlossenen Zuschüssen sollten Landkreise und Kommunen umgehend mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden, damit nicht nur Bund und Länder helfen können, sondern eben die regionale Wirtschaftsförderung punktgenau und vor allem schnell. Ohne eine solche Ausstattung sind die ohnehin klammen Gemeinden nicht in der Lage, Hilfe zu leisten. Die Förderkriterien müssen besser heute als morgen erarbeitet werden. Um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, sollte eine spätere Prüfung vorbehalten bleiben.

Machen wir uns nichts vor: Die Gefahr einer Rezession ist hoch und es wird Jahre dauern, bis die wirtschaftlichen Folgen wieder aufgefangen werden. Doch meine große Hoffnung ist, dass der Zusammenhalt in der Bevölkerung größer wird, alte Geschäftsfelder zu neuer Blüte aufsteigen, gleichzeitig neue Geschäftsfelder entstehen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert wird, die Digitalisierung echten Nutzen für die Gesellschaft bringt, nicht jedes produzierte Teil vor seinem Verkauf mehrere tausend Kilometer zurücklegen muss, wieder mehr in Deutschland produziert wird und der Klimaschutz dadurch gleichfalls weiter an Stellenwert gewinnt; kurzum: dass wir gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Christian Herold

Redaktion Steuerrat24

 

PS: Einen umfassenden Überblick über die Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise finden Sie hier: Corona-Krise: Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen

 

I. Beruflicher Bereich

1. Doppelter Haushalt:
Lebensmittelpunkt bei beiderseits berufstätigen Eheleuten

Es kommt vor, dass Eheleute an demselben auswärtigen Beschäftigungsort berufstätig sind und dort die Woche über in einer Zweitwohnung zusammenleben. Sie behalten am Heimatort ihre Wohnung bei und kehren immer wieder dorthin zurück. Die Finanzämter unterstellen dann gerne, dass der Lebensmittelpunkt am Beschäftigungsort sei und verweigern die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung.

Entscheidend ist, ob die Hauptwohnung noch als Lebensmittelpunkt anzusehen ist oder ob infolge des Zusammenlebens die Zweitwohnung zum Lebensmittelpunkt geworden ist. Das Zusammenleben in der Zweitwohnung ist für die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung so lange unschädlich, wie die Zweitwohnung nicht zum neuen Lebensmittelpunkt wird.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass für beiderseits berufstätige Ehegatten, die mit ihren Kindern am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung leben, der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls anhand bestimmter Kriterien zu bestimmen ist. Zwar gelte die Vermutung, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Regel an den Beschäftigungsort verlagert, doch der Steuerpflichtige kann diese Vermutung widerlegen (BFH-Urteil vom 1.10.2019, VIII R 29/16).

  • Für kinderlose Ehegatten, die gemeinsam am Beschäftigungsort eine familiengerechte Wohnung unterhalten, ist "in der Regel" anzunehmen, dass sich der Lebensmittelpunkt am Beschäftigungsort befindet (Regelvermutung). Dies gilt erst recht, wenn die Eheleute mit ihren Kindern am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung leben, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird. Doch auch in diesem Fall ist die "Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls" zu beachten.
  • Bei der "Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls" ist zu berücksichtigen, wie oft und wie lange sich der Steuerpflichtige in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthaltes am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen, z.B. Art und Intensität der sozialen Kontakte, Vereinszugehörigkeiten und andere Aktivitäten, bestehen.

FAZIT: Es kann nicht einfach unterstellt werden, dass Ehegatten, die beide gemeinsam mit ihren schulpflichtigen Kindern am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung leben, "zwangsläufig" einen Lebensmittelpunkt am Beschäftigungsort haben. Vielmehr ist immer eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich. Für die Gesamtwürdigung gibt es zwar eine Regelvermutung, nach der der Lebensmittelpunkt am Beschäftigungsort liegt, doch der Steuerpflichtige kann Umstände des Einzelfalls darlegen, die für einen Lebensmittelpunkt der beiderseits berufstätigen Ehegatten am Heimatort sprechen.
STEUERRAT: Wenn beide Ehegatten/Lebenspartner/Lebensgefährten am auswärtigen Beschäftigungsort berufstätig sind und in der Zweitwohnung zusammenleben, liegt bei jedem eine steuerliche doppelte Haushaltsführung vor. Die Unterkunftskosten kann jeder zur Hälfte absetzen - und zwar jeder bis zum Höchstbetrag von 1.000 EUR pro Monat. Und jeder kann ebenfalls in den ersten drei Monaten die vollen Verpflegungspauschbeträge geltend machen (R 9.11 Abs. 2 LStR; BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412, Tz. 100).

Weitere Informationen: Doppelter Haushalt: Wann eine doppelte Haushaltsführung anerkannt wird

 

2. Firmenfahrrad:
Keine Überwälzung der Leasingraten auf erkrankten Arbeitnehmer

Die Überlassung von Fahrrädern durch Arbeitgeber wird zunehmend beliebter. Doch nicht immer möchte der Arbeitgeber die Kosten für das Fahrrad übernehmen. Oftmals verzichten Mitarbeiter daher für die Überlassung eines Fahrrades auf einen Teil des Gehalts. Dieser Verzicht entspricht dann in der Regel der Leasingrate einschließlich Versicherung, die der Arbeitgeber seinerseits zu zahlen hat. Neben steuerlichen Fragen rund um die Gestellung von Dienstfahrrädern geht es zuweilen auch um arbeitsrechtliche Belange, z.B. wie zu verfahren ist, wenn ein Arbeitnehmer längere Zeit erkrankt ist und daher Krankengeld statt Arbeitslohn bezieht. Müssen dem Arbeitgeber dann trotzdem die Leasingraten "ersetzt" werden?

AKTUELL hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Klage eines Arbeitgebers abgewiesen, der auf Zahlung der Leasingraten durch seine erkrankte Arbeitnehmerin nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung pochte (Urteil vom 5.11.2019, 3 Ca 229/19, rechtskräftig).

  • Der Fall: Der Arbeitgeber vereinbarte mit seiner Arbeitnehmerin die Gestellung von zwei Diensträdern für einen Zeitraum von 36 Monaten. Die Arbeitnehmerin verzichtete für die Gestellung der Diensträder als Sachlohnbezug auf einen Teil ihrer arbeitsvertraglichen Vergütung in Höhe der Leasingraten. Der Dienstradgestellung lag ein dreiseitiger Vertrag zwischen dem Arbeitgeber, der Arbeitnehmerin und dem Leasinggeber zu Grunde. Diese Vertragsbedingungen waren von dem Leasinggeber als allgemeine Geschäftsbedingungen gestellt. Danach war der Arbeitgeber berechtigt, bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses (z.B. wegen Elternzeit) oder für den Zeitraum ohne Lohnbezug das Dienstrad schriftlich mit einer Frist von 14 Tagen zurückzufordern. Sofern der Arbeitgeber von seinem Recht auf Herausgabe des Dienstrades keinen Gebrauch machte, war der Arbeitnehmer verpflichtet, für die Dauer der Unterbrechung der Gehaltszahlung die Leasingraten an den Arbeitgeber zu zahlen. Das Arbeitsgericht hält die Vertragsklausel mit Verpflichtung zur Übernahme der Leasingkosten durch die Arbeitnehmerin für unwirksam. Sie fällt dadurch ersatzlos weg.
  • Begründung: Die Klausel ist entgegen den Anforderungen an allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305c BGB als intransparent zu beurteilen. Die Verpflichtung zur Übernahme der Leasingraten bei Wegfall der Vergütung ist in dem Vertrag nicht ausreichend deutlich gemacht und widersprüchlich formuliert. Aufgrund des vertraglichen Hinweises auf "erhöhte Kosten (z.B. Leasingkosten)" musste die Arbeitnehmerin nicht damit rechnen, dass diese für sie nicht nur bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Insolvenz des Arbeitnehmers anfallen, sondern auch in Zeiten ohne Gehaltszahlung.
  • Des Weiteren stellt die Vertragsklausel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 BGB dar. Es mag zwar mit den wesentlichen Grundgedanken des Entgeltfortzahlungsgesetzes vereinbar sein, dass bei entsprechender Vertragsgestaltung der Arbeitgeber das Dienstrad bei Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraumes von dem erkrankten Arbeitnehmer zurückfordert. Das Dienstrad ist Teil des (Sach-) Bezuges. Der verständige Arbeitnehmer muss aber nicht damit rechnen, dass darüber hinaus der Arbeitgeber in diesen Fällen auch die Leasingkosten und damit sein Unternehmerrisiko auf den erkrankten Arbeitnehmer abwälzt. Das Arbeitsgericht hält auch die voraussetzungslose Abkehr von dem Herausgabeverlangen seitens des Arbeitgebers und die dann entstehende Pflicht des Arbeitnehmers zur Zahlung der Leasingkosten für unangemessen.
  • Interessanterweise weist das Arbeitsgericht noch daraufhin, dass in der Dienstrad-Vereinbarung für eine dritte, am Arbeitsverhältnis nicht beteiligte Person (z.B. Ehegatte) unter Ausnutzung der steuerrechtlichen Belange des Arbeitnehmers eine Steuerverkürzung gesehen werden könnte.

 

3. Forschungsaufenthalt im Ausland:
Kürzung der Kosten um steuerfreie Stipendien

Ein Forschungsaufenthalt im Ausland ist wohl für jeden Wissenschaftler erstrebenswert. Wird dann noch ein Stipendium gewährt, ist das Vorhaben perfekt. Die Kosten für den Aufenthalt im Ausland sind bei einem unmittelbaren Zusammenhang zum Beruf als Werbungskosten abziehbar, gegebenenfalls als vorweggenommene Werbungskosten. Lediglich wenn die Kosten noch mit dem Erststudium zusammenhängen, verweigert der Fiskus den Abzug als vorweggenommene Werbungskosten, sondern gewährt nur einen - beschränkten - Abzug als Sonderausgaben.

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster aber entschieden, dass vorweggenommene Werbungskosten für einen Forschungsaufenthalt in den USA um für diesen Aufenthalt gewährte steuerfreie Stipendien zu kürzen sind (Urteil vom 15.10.2019 (12 K 1794/16 E).

  • Der Fall: Die Klägerin ist promovierte Historikerin und war im Streitjahr 2014 zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer inländischen Universität tätig, bevor sie einen Forschungsaufenthalt in Washington D.C. antrat. Das Deutsche Historische Institut (DHI) gewährte der Klägerin hierfür ein Forschungsstipendium in Höhe eines monatlichen Festbetrages und einer einmaligen Reisepauschale. In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin im Zusammenhang mit dem Auslandsaufenthalt Werbungskosten (Reisekosten, doppelte Haushaltsführung und Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in Washington) geltend. Dies lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, die Aufwendungen stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfreien Einnahmen aus dem Stipendium.
  • Das FG Münster hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Das Finanzamt habe die als vorweggenommene Werbungskosten anzusehenden Aufwendungen zu Recht um die Zahlungen des DHI gekürzt. Hinsichtlich der Reisekosten sei die Klägerin bereits wirtschaftlich nicht belastet worden, weil diese durch die Reisepauschale abgedeckt seien. Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Fahrten in Washington seien nach § 3c Abs. 1 Satz 1 EStG nicht abzugsfähig, weil sie unmittelbar mit dem steuerfreien Stipendium im Zusammenhang stünden. Die Zahlung sei nach dem Bewilligungsschreiben des DHI an den tatsächlichen Aufenthalt der Klägerin in Washington gebunden gewesen. Nach den Allgemeinen Stipendienbedingungen des DHI sei das Stipendium allein zum Zwecke eines bestimmten Forschungsvorhabens gewährt worden und die Klägerin sei verpflichtet gewesen, diesem Vorhaben ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen hätte zudem ein wichtiger Grund für die Kündigung durch das DHI mit der Folge der Rückzahlungspflicht des Stipendiums bestanden.

 

4. Öffentlicher Dienst:
Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber nicht folgenlos

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sind u.a. Benachteiligungen aus Gründen einer Behinderung verboten (§ 1 AGG). Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Der so Benachteiligte kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (§ 15 Abs. 2 AGG). Auch öffentliche Arbeitgeber müssen sich an das AGG halten und können sich nicht - wie sonst gerne - auf Arbeitsüberlastung, unklare Zuständigkeiten oder Probleme mit ihrem Posteingang berufen.

AKTUELL hat das Bundesarbeitsgericht einem schwerbehinderten Bewerber recht gegeben, den eine Behörde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte (BAG-Urteil vom 23.1.2020, 8 AZR 484/18).

  • Der Fall: Der Kläger bewarb sich Anfang August 2015 mit einer Email auf eine für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln ausgeschriebenen Stelle als Quereinsteiger für den Gerichtsvollzieherdienst. Die Bewerbung war mit dem deutlichen Hinweis auf seinen Grad der Behinderung von 30 und seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen versehen. Der Kläger wurde, obwohl er fachlich für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet war, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
  • Der Kläger hat vom Land eine Entschädigung in Höhe von 7.434,39 EUR verlangt. Das beklagte Land hat demgegenüber geltend gemacht, die Bewerbung des Klägers sei aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt. Schon aus diesem Grund sei der Kläger nicht wegen der (Schwer)Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr teilweise stattgegeben und dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 3.717,30 EUR zugesprochen (LAG Köln, Urteil vom 23.8.2018, 6 Sa 147/18).
  • Die Revision des beklagten Landes blieb im Ergebnis erfolglos. Der Kläger hat Anspruch auf eine Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG in der zugesprochenen Höhe. Das beklagte Land hätte den Kläger, dessen Bewerbung ihm zugegangen war, nach § 82 Satz 2 SGB IX a.F. (nun: § 165 SGB IX) zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründete die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt wurde. Das beklagte Land hat diese Vermutung nicht widerlegt. Insoweit konnte das beklagte Land sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bewerbung sei nicht in den Geschäftsgang gelangt. Dass ihm trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Auch die Höhe der Entschädigung war im Ergebnis nicht zu beanstanden.

 

II. Privater Bereich

1. Spenden:
Nach Attac-Urteil - Politische Vereine bis 2021 erstmal sicher

Der Bundesfinanzhof hat im Jahre 2019 entschieden, dass die Attac-Organisation wegen Verfolgung politischer Zwecke nicht länger gemeinnützig ist. Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im eigenen Sinne sei nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig. Nach Auffassung des BFH ist der Attac-Trägerverein nicht im Rahmen gemeinnütziger Bildungsarbeit berechtigt, Forderungen zur Tagespolitik bei "Kampagnen" zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Der Attac-Organisation gehe es nicht um politische Bildung, sondern um die Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen (BFH-Urteil vom 10.10.2019, V R 60/17).

  • Auf Basis dieses BFH-Urteils hat kürzlich das Hessische Finanzgericht im zweiten Rechtsgang geurteilt, dass der Attac-Trägerverein e.V. in den Streitjahren 2010 bis 2012 nicht als gemeinnützig anzuerkennen ist. Das FG hatte in einem ersten Rechtsgang die Gemeinnützigkeit noch bejaht. Doch nachdem der BFH die Entscheidung des FG aufgehoben und an das Hessische FG zurückverwiesen hat, wurde die Klage nun abgewiesen. Der Vorsitzende Richter Helmut Lotzgeselle betonte, dass das neue Urteil nur den engen Vorgaben des BFH geschuldet sei (Hessisches FG vom 26.2.2020, 4 K 179/16).
  • Dem BFH-Urteil folgend hat das Finanzamt Berlin auch dem Verein Compact die Gemeinnützigkeit entzogen. Das bedeutet, dass Unterstützer ihre Spenden an Campact nicht mehr steuerlich absetzen können. Im Steuerbescheid für 2016 führt die Behörde aus, dass es sich auch nicht um politische Bildung handele: "Im Vordergrund stand nicht die Information über politische Prozesse, sondern vielmehr die Einflussnahme auf diese."

AKTUELL gibt es nun gute Nachricht für politische Organisationen, die nach dem sog. Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs (V R 60/17) ebenfalls um ihre Gemeinnützigkeit fürchten mussten: Das Bundesfinanzministerium hat sich am 28.2.2020 mit den Finanzministerien der Länder darauf geeinigt, dass bis Ende 2021 keinen weiteren Vereinen auf der Grundlage dieses Urteils die Gemeinnützigkeit entzogen werden soll. Bis dahin soll das Gemeinnützigkeitsrecht überarbeitet werden. Wenn ein Verein nicht als gemeinnützig anerkannt ist, können Geldgeber ihre Spenden nicht von der Steuer absetzen (Handelsblatt vom 3.3.2020).

Bis Ende 2021 sollen bei bereits gemeinnützigen Organisationen "aus Vertrauensschutzgründen" zunächst keine Konsequenzen mehr aus dem Urteil gezogen werden. Damit soll bis zu einer gesetzlichen Lösung die "erhebliche Verunsicherung" beseitigt werden, die das Urteil ausgelöst hat. ABER für Vereine wie Attac und Campact, bei denen eine Entscheidung bereits getroffen wurde, sowie für neu gegründete Vereine gilt die Anordnung nicht. Auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) profitiert nicht von der Vereinbarung der Finanzminister. Ihr war Ende 2019 die Gemeinnützigkeit entzogen worden, weil sie im bayerischen Verfassungsschutzbericht als linksextrem eingestuft worden war. Nach heftigen Protesten hatte das zuständige Finanzamt hier allerdings eine Steuernachforderung vorerst ausgesetzt.

Weitere Informationen: Spenden: Steuerbegünstigte Zwecke

 

2. Grabstätte:
Kosten für Sanierung sind keine außergewöhnliche Belastung

Früher waren aufwendig gestaltete Grabstätten keine Seltenheit, während Gräber heutzutage eher schlicht gehalten werden. Entsprechend den gemeindlichen Friedhofsordnungen werden sie auch oftmals bereits nach Ablauf einer Frist von 25 Jahren bzw. 30 Jahren eingeebnet. Nun sind die Kosten für die laufende Grabpflege anerkanntermaßen steuerlich nicht abziehbar. Was ist aber, wenn eine sehr alte Familiengrabstätte saniert wird?

In 2017 hatte das Finanzgericht Hessen entschieden, dass die Kosten für die Sanierung einer seit 100 Jahren bestehenden Familiengruft als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abziehbar sind, wenn der Instandsetzung eine Anordnung der Gemeindeverwaltung zugrunde liegt (Urteil vom 4.4.2017, 2 K 1964/15).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof die Entscheidung jedoch aufgehoben und die Kosten nicht zum Abzug zugelassen (BFH-Urteil vom 22.10.2019, VI R 48/17).

  • Der Fall: Die Familie A besitzt eine 102 Jahre alte Familiengrabstätte. Im Sommer 2013 wandte sich die Gemeinde an ein Familienmitglied und verlangte wegen der fehlenden Standsicherheit der Aufbauten auf dem Familiengrab die fachgerechte Behebung der bestehenden Sicherheitsmängel. Das Familienmitglied kam dieser Aufforderung nach und beauftragte einen Steinbildhauer und Steinmetzmeister mit der Sanierung des Grabes. Anschließend begehrte es beim Finanzamt den Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung. Offenbar waren die Aufwendungen so hoch, dass sie auch die zumutbare Eigenbelastung überstiegen.
  • Während das Finanzamt einen Abzug verneinte, hat das Finanzgericht die Zwangsläufigkeit, Notwendigkeit und Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen bejaht und einen Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zugelassen. Der BFH hingegen ist der Ansicht, dass keine "Zwangsläufigkeit" vorliege. Es handele sich bei dem Familiengrab schon nicht um einen existenznotwendigen Vermögensgegenstand. Daher vermag auch die Anordnung der Gemeinde, die Standsicherheitsmängel des dort errichteten Grabmals fachgerecht beheben zu lassen, den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht zu begründen. Selbst wenn sich die Klägerin den Kosten aufgrund der Anordnung der Gemeinde zumindest teilweise nicht hätte entziehen können, reiche dies nicht aus, um insoweit aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 EStG anzunehmen.
  • Bei den im Streitfall zu beurteilenden Aufwendungen handelte es sich nach Ansicht des BFH auch nicht um Beerdigungskosten, die nach der Rechtsprechung des Senats unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden können.

Weitere Informationen: Überblick: Was sind außergewöhnliche Belastungen?

 

3. Kfz-Steuer:
Antragsrecht auf Befreiung für behinderte Person nach deren Tod

Für Fahrzeuge, die auf schwerbehinderte Menschen zugelassen sind, sieht das Kraftfahrzeugsteuergesetz Steuervergünstigungen in Form einer vollständigen Steuerbefreiung oder einer Steuerermäßigung um 50 Prozent vor (§ 3a KraftStG).

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass das Antragsrecht für eine Kfz-Steuerbefreiung für eine behinderte Person nach deren Tod auf den Rechtsnachfolger übergeht (Urteil vom 18.10.2019, 13 K 1012/18).

  • Der Fall: Ein Fahrzeughalter verstarb am 18.7.2017. Etwa einen Monat vor seinem Tod wurden für ihn ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, B, H, aG und RF festgestellt - und zwar rückwirkend zum 24.2.2017. Erst im Januar 2018 beantragten die Erben die Kfz-Steuerbefreiung für das Fahrzeug des Verstorbenen rückwirkend zu dem Zeitpunkt, zu dem die Schwerbehinderung festgestellt worden ist, also auf den 24.2.2017. Dies lehnte das Hauptzollamt ab. Die Steuerbefreiung sei ein höchstpersönliches Recht und könne nicht auf die Erben übergehen. Nach dem Tod des Fahrzeughalters könne der Zweck der Steuerbefreiung, die Förderung der Mobilität behinderter Menschen, nicht mehr erreicht werden. Die Erben hatten jedoch mit ihrer Klage Erfolg.
  • Begründung: Stichtag für die Kfz-Steuerermäßigung sei grundsätzlich das Ausstellungsdatum des Schwerbehindertenausweises, sofern nicht im Ausweis ein früheres Datum für den Eintritt der Behinderung festgestellt werde - so im Streitfall. Grundsätzlich werde die Steuerbefreiung ab dem Tag der Antragstellung gewährt, da ein schriftlicher Antrag erforderlich sei. Abweichend hiervon sei nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO in Verbindung mit § 171 Absatz 10 AO der im Schwerbehindertenausweis genannte Tag der Feststellung der Behinderung für die Steuerbefreiung maßgebend. Die Erben des Halters seien als Gesamtrechtsnachfolger zur Antragstellung befugt. Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis gingen nach § 45 Absatz 1 Satz 1 AO auf diese über. Das Antragsrecht sei kein höchstpersönliches Recht. Es hänge nicht von nicht beeinflussbaren Zufälligkeiten wie dem Tod ab. Die Revision des beklagten Hauptzollamts ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. IV R 38/19 anhängig.

 

III. Kinder

1. Kindergeld:
Volljährige Kinder müssen im Kindergeldprozess aussagen

Kinder geschiedener Eltern sind oft zwischen den beiden Elternteilen hin- und hegerissen, wenn diese nach der Trennung weiterhin zerstritten sind. Zuweilen verlangen die Eltern von ihren Kindern, sie müssten sich für einen Elternteil "entscheiden". Dass dies für die Kinder zumeist schwierig ist, dürfte außer Frage stehen. Diese Problematik betrifft zwar üblicherweise das Unterhalts-, Sorge- und Umgangsrecht. Nun hat es ein entsprechender Fall aber in einer Kindergeldsache bis vor den Bundesfinanzhof geschafft. Offenbar wollte sich ein - immerhin volljähriges - Kind aus den Streitigkeiten ums Kindergeld heraushalten. Doch das darf es nicht, wie der BFH jüngst entschieden hat:

In dem von einem Elternteil geführten Kindergeldprozess hat ein volljähriges Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht und ist deshalb zur Aussage verpflichtet (BFH-Urteil vom 18.9.2019, III R 59/18).

  • Der Fall: Im Verfahren vor dem BFH ging es darum, ob im Falle geschiedener Eltern der Vater oder die Mutter das Kindergeld für das gemeinsame Kind beanspruchen konnten. Der Vater hatte beantragt, das Kindergeld zu seinen Gunsten festzusetzen, weil das Kind nicht mehr bei der Mutter lebe und er den höheren Unterhaltsbeitrag leiste. Das Finanzgericht wies die Klage des Vaters mit der Begründung ab, das Kind lebe weiterhin im Haushalt der Mutter. Es stützte sich dazu auf ein Schreiben des Kindes an die Kindergeldkasse, wonach es sich jedes zweite Wochenende in der Wohnung der Mutter aufgehalten und auch die Sommerferien dort verbracht habe. Das Finanzgericht verzichtete auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung des Kindes, weil das Kind erklärt hatte, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.
  • Der BFH entschied, dass das Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht hat, weil sich die Mitwirkungspflicht volljähriger Kinder in Kindergeldsachen auch auf das finanzgerichtliche Verfahren erstreckt. Nach § 68 Absatz 1 S. 2 EStG haben volljährige Kinder in Kindergeldsachen umfassende Mitwirkungspflichten. Daher gilt der Grundsatz, dass Angehörige zur Verweigerung der Aussage berechtigt sind, ausnahmsweise nicht im Kindergeldprozess. Volljährige Kinder sind dementsprechend im finanzgerichtlichen Verfahren verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflicht erstreckt sich auf alle für die Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhaltselemente, insbesondere - wie im Streitfall - auf die Haushaltszuordnung, also auf die Tatsachen, nach denen sich bestimmt, ob ein Kind noch dem Haushalt eines Elternteils zuzuordnen ist.

MEINUNG: Die Entscheidung ist, da es sich um ein volljähriges Kind handelt, wohl nachvollziehbar. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, denn das Zeugnisverweigerungsrecht für Angehörige dient der Vermeidung einer Konfliktsituation innerhalb der Familie - worauf der BFH selbst verweist. Aber wir kennen das ja aus anderen Bereichen: Das Steuerrecht, genauer gesagt das Erfordernis der Einnahmeerzielung des Staates, ist ein so hohes Gut, dass es andere Rechte überlagert.

 

2. Studienkosten:
Abzugsbeschränkung mittels Zuwendungsnießbrauch umgehen

Die Kosten für ein Erststudium sind nicht als Werbungskosten abziehbar, sondern können - beschränkt - lediglich als Sonderausgaben bis zu 6.000 EUR im Jahr geltend gemacht werden. Die Abzugsbeschränkung steht mit unserem Grundgesetz im Einklang, wie das Bundesverfassungsgericht kürzlich entschieden hat. Eltern studierender Kinder können aber zu einer Gestaltung greifen, bei der sie die Abzugsbeschränkung für die Kosten des Erststudiums nicht weiter interessieren muss: Sofern sie über eine Mietwohnimmobilie verfügen, aus der sie (hohe) Überschüsse generieren, räumen sie ihren Kindern einen zeitlich befristeten Zuwendungsnießbrauch an der Immobilie ein.

Folge: Den Kindern fließen die Überschüsse aus der Immobilie zu, die sie zwar versteuern müssen. Allerdings können sie den Sonderausgabenabzug von bis zu 6.000 EUR für ihre Studienkosten geltend machen und zusätzlich den Grundfreibetrag ausnutzen. Bei den meisten anderen Studenten laufen der Sonderausgabenabzug und der Grundfreibetrag hingegen ins Leere. Die Eltern wiederum müssen die Einkünfte aus der Immobilie für einen gewissen Zeitraum nicht mehr versteuern. Folglich werden die Kosten eines Erststudiums - sozusagen über einen Umweg - doch steuerlich geltend gemacht.

Es handelt es sich um ein Gestaltungsmodell, das bei sauberer Durchführung von der Finanzverwaltung akzeptiert werden muss, zumal das Finanzgericht Baden-Württemberg die o.g. Auffassung mit rechtskräftigem Urteil vom 13.12.2016 (11 K 2951/15) bestätigt hat. Im Urteil heißt es ausdrücklich: "Nach Auffassung des Senats steht es Eltern frei zu entscheiden, ob sie zum Zwecke der Gewährung von Unterhalt dem Kind Barmittel überlassen oder ob sie ihm - auch befristet - die Einkunftsquelle selbst übertragen. Wenn sie sich aus steuerlichen Gründen für Letzteres entscheiden, führt allein dies nicht dazu, dass die zugrunde liegende rechtliche Gestaltung als unangemessen im oben dargestellten Sinne anzusehen wäre."

Interessant ist, dass das FG einen "Nießbrauchs-Zeitraum" von fünf Jahren, also oftmals über die voraussichtliche Studiendauer, als zulässig erachtet. Steuerrat24 dagegen empfiehlt, zeitlich über die voraussichtliche Studiendauer hinauszugehen, um der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs zu entgehen. Besser als fünf wäre also ein Zeitraum von acht oder zehn Jahren für die Einräumung des Zuwendungsnießbrauchs.

Im Urteilsfall war übrigens auch interessant, dass das Grundstück der Mutter gehörte, diese der Tochter ein Nießbrauchrecht eingeräumt und die Tochter das Grundstück wiederum an den Vater bzw. an dessen Betrieb vermietet hat. Selbst in dieser Konstellation hat das FG keinen Gestaltungsmissbrauch angenommen. Die Revision ist zwar zugelassen worden; mittlerweile ist das Urteil aber rechtskräftig.

Auf folgende Punkte sollten Sie bei der Umsetzung des Modells achten:

  • Es ist darauf hinzuweisen, dass Sohn oder Tochter tatsächlich als Vermieter auftreten müssen, das heißt, die Mieter sind zu informieren.
  • Die Mieten sind auf ein Konto des Kindes zu zahlen (vgl. BFH 26.4.2006, IX R 22/04). Damit ist dieses verfügungsberechtigt, muss andererseits aber für Reparaturen aus eigener Tasche aufkommen.
  • Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn Darlehen vorhanden sind. Hier muss gegebenenfalls mit der Bank gesprochen werden.
  • Bei einem Zuwendungsnießbrauch verliert der Eigentümer mangels eigener Einkünfte seine AfA-Berechtigung, während der Nießbrauchnehmer diese mangels eigenen Aufwands nicht erlangt. Dieser Nachteil muss in Kauf genommen werden, dürfte sich aber bei der heute üblichen zweiprozentigen AfA nach § 7 Abs. 4 EStG regelmäßig in Grenzen halten.
  • Bei Immobilien ist die Bestellung eines Nießbrauchs notariell zu beurkunden und im Grundbuch einzutragen. Ist das Kind, dem ein Zuwendungsnießbrauch eingeräumt werden soll, noch minderjährig, ist ein Ergänzungspfleger zu bestellen.
  • Es ist zu prüfen, ob sich sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen ergeben, das heißt, ob das Kind durch die Einräumung des Nießbrauchrechts aufgrund der dann vorhandenen eigenen Einkünfte aus der Familienversicherung ausscheidet.

STEUERRAT: Weitere Informationen und einen Mustervertrag finden Sie im Steuertipp der Woche Nr. 3: Abzugsbeschränkung für Studienkosten umgehen

 

IV. Nebentätigkeit

1. Tagesmütter:
Zahlungen von Jugendämtern teilweise steuerpflichtig

Kindertagespflege wird von einer geeigneten Tagespflegeperson (Tagesmutter oder Tagesvater) in ihrem Haushalt, im Haushalt der Eltern oder in anderen geeigneten Räumen geleistet. Damit soll ein einer Kindertagesstätte ähnliches Angebot im familiären Rahmen geboten werden (§ 22 SGB VIII).Die selbstständig tätigen Tagesmütter und Tagesväter erhalten für ihre Betreuungstätigkeit eine Vergütung entweder von den Eltern der betreuten Kinder oder vom Jugendamt, möglicherweise auch von beiden. Die Vergütung des Jugendamtes umfasst die Erstattung des Sachaufwands, Förderungsleistung der Tagespflegeperson, Erstattung der nachgewiesenen Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung, hälftige Erstattung der nachgewiesenen Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung sowie hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Krankenversicherung und Pflegeversicherung (§ 23 SGB VIII).

  • Bei Vergütungen vom Jugendamt sind steuerpflichtig nur die Betreuungsleistung und die Erstattung für Sachaufwand gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB VIII. Die Vergütungen sind steuerpflichtige Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dies gilt unabhängig von der Anzahl der betreuten Kinder und von der Herkunft der vereinnahmten Gelder (BMF-Schreiben vom 11.11.2016, BStBl. 2016 I S. 1236).
  • Die Geldleistungen sind nicht steuerfrei wegen Beihilfe aus öffentlichen Mitteln zur Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 EStG oder wegen nebenberuflicher Tätigkeit als Erzieher im Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts gemäß § 3 Nr. 26 EStG (sog. Übungsleiterpauschale in Höhe von 2.400 EUR).
  • Nicht steuerpflichtig sind hingegen die Erstattungen für Unfallversicherung, Altersvorsorge, Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB VIII (§ 3 Nr. 9 EStG).
  • Von den steuerpflichtigen Einnahmen können abgesetzt werden entweder die tatsächlichen Betriebsausgaben oder eine Betriebsausgabenpauschale von 300 Euro pro Kind und Monat.

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster die geltende Rechtsauffassung bestätigt und entschieden, dass Zahlungen von Jugendämtern an eine Tagesmutter nicht ausschließlich für Zwecke der Erziehung bestimmt und damit nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei sind (FG Münster vom 10.10.2019, 6 K 3334/17 E).

  • Der Fall: Eine Tagesmutter erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, wobei sie Kinder in einem Umfang zwischen 15 und 40 Wochenstunden betreute. Ihre Einnahmen setzten sich aus Zahlungen des Jugendamtes (Anerkennungsbeiträge für Förderleistungen und Erstattung angemessener Kosten über Sachaufwand nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 SGB VIII bzw. Monatspauschalen) sowie von den Eltern der betreuten Kinder gezahlten Essensgeldern zusammen. Das Finanzamt behandelte sämtliche Zahlungen als steuerpflichtige Einnahmen. Demgegenüber meint die Tagesmutter, dass lediglich das Essensgeld zu versteuern sei. Die Zahlungen der Jugendämter seien dagegen als Bezüge aus öffentlichen Mitteln zur Förderung der Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei.
  • Nach Auffassung des Finanzgerichts sind die streitigen Geldleistungen zwar aus öffentlichen Mitteln gezahlt worden. Es fehle jedoch an einer unmittelbaren Förderung der Erziehung. Da nahezu jede länger dauernde Beschäftigung mit Kindern zugleich deren Erziehung zum Gegenstand habe, sei für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung erforderlich, dass die öffentlichen Gelder ausschließlich zur Erziehung bestimmt seien. Nach § 22 Abs. 2 SGB VIII dienten Tageseinrichtungen nicht nur der Erziehung, sondern auch der Unterstützung der Eltern dahingehend, die Kindererziehung mit einer Erwerbstätigkeit vereinbaren zu können. Die Tagesmutter solle die Kinder auch nicht anstelle der Eltern erziehen, sondern die Eltern lediglich unterstützen. Darüber hinaus diene die Aufnahme der Kinder bei der Klägerin auch deren Unterbringung, Versorgung, Verpflegung und der allgemeinen Betreuung. Unabhängig davon seien die Leistungen nicht als Beihilfen anzusehen. Hierunter fielen nur uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen, nicht dagegen Leistungen im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts. Anders als an Pflegeeltern gezahlte Pflegegelder vergüteten die an die Klägerin geleisteten Pauschalen deren sachlichen und zeitlichen Aufwand vollständig.

Weitere Informationen: Betreuung von Kindern: Regeln für Tagesmütter und Tagesväter

 

V. Kapitalerträge

1. Pflichtteilsverzicht:
Zinsen für Stundung des Ausgleichsanspruchs versteuern

Viele Eltern regeln die Vermögensnachfolge bereits zu Lebzeiten und besprechen mit ihren Kindern frühzeitig, wer was bekommen soll. Dadurch soll beispielsweise gesichert werden, dass nur ein bestimmtes Kind den elterlichen Betrieb weiterführt und es später nicht zum Streit kommt. Um das Besprochene auch rechtlich abzusichern, wird dann ein Erbvertrag geschlossen. "Weichende" Erben verzichten darin oftmals auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs, erhalten aber im Gegenzug einen Ausgleichsanspruch. Doch was geschieht steuerlich, wenn der Ausgleichsanspruch verzinst wird, weil er erst später ausgezahlt wird? Sind dann darauf Steuern zu zahlen?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof wie folgt entschieden: Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür einen fälligen Zahlungsanspruch, so führt die Verzinsung dieses Zahlungsanspruchs zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen (BFH-Urteil vom 6.8.2019, VIII R 22/17).

  • Der Fall: Die Klägerin hat drei ältere Geschwister. Im Jahre 1994 schlossen die Eltern der Klägerin und die vier Kinder einen notariell beurkundeten Pflichtteilsverzichtsvertrag ab. Die Eltern gaben an, sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt zu haben. Die Kinder verzichteten gegenüber dem überlebenden Elternteil auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von je 150.000 DM (umgerechnet 76.693,78 EUR). Die Zahlung sollte bis zum 31.12.1994 erfolgen. Die Klägerin verzichtete in derselben Urkunde auf die Auszahlung der 150.000 DM zum 31.12.1994. An sie sollte der Betrag nebst 5 % Zinsen erst nach dem Ableben des letztversterbenden Elternteils ausgezahlt werden. Im Jahre 2015 wurden der Klägerin rund 81.000 EUR Zinsen für den Zeitraum 1994 bis 2015 ausbezahlt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Zahlung als Zinsen der Besteuerung unterliege. Der BFH sieht dies genauso.
  • Begründung: Zwar unterliegt das Entgelt für den Verzicht auf den Pflichtteil nicht der Besteuerung, da es sich bei der Regulierung der Vermögensnachfolge um einen erbrechtlich, bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich unentgeltlichen Vertrag handelt. Anders verhält es sich aber bei den Zinsen, die die Eltern der Klägerin als Entgelt für die Stundung der Ausgleichsforderung gezahlt haben. Die Klägerin hatte den Eltern durch die Stundung einen Kredit in Höhe von 150.000 DM gewährt. Entscheidend ist, dass die Klägerin durch den Verzicht auf ihren Pflichtteil einen fälligen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung erhalten hat, den sie erst in einem zweiten Schritt gestundet hat. Hierdurch wurden die Eltern von ihrer Verpflichtung zur Auszahlung befreit, so dass eine Kreditgewährung vorliegt. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.

STEUERRAT: Einen kleinen Trost gab es im Urteilsfall wenigstens, denn offenbar unterlagen die Zinsen nur dem Abgeltungssteuersatz von 25 % (§ 32d Abs. 1 EStG). Im Einzelfall können die Zinsen aber durchaus auch dem persönlichen Steuersatz unterliegen, nämlich wenn die Darlehensnehmer (hier also die Eltern) die Schuldzinsen steuermindernd absetzen, z.B. als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Betroffene sollten in einem solchen Fall dann unbedingt die BFH-Urteile vom 29.4.2014 (VIII R 44/13, VIII R 9/13, VIII R 35/13) zur Hand nehmen, die ihnen möglichweise eine zu hohe Besteuerung ersparen.

Weitere Informationen: Abgeltungsteuer: Wie Zinsen aus Privatdarlehen versteuert werden

 

VI. Eigenheim und Vermietung

1. Grundsteuer:
Umfassende Neuregelung der Grundsteuer

Jeder Hausbesitzer muss Grundsteuer zahlen. Aber auch die Mieter müssen sie indirekt zahlen, denn Immobilieneigentümer können sie über die Nebenkosten umlegen. Die derzeitige Bemessungsgrundlage der Grundsteuer, die an die Einheitswerte anknüpft, war im Jahre 2018 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden. Hauptkritikpunkt war, dass die zugrunde gelegten Werte die tatsächliche Wertentwicklung nicht mehr in ausreichendem Maße widerspiegeln. Deshalb soll nun die Grundsteuer in Deutschland umfassend reformiert werden. Dem Gesetzgeber hat das Gericht eine Frist zur Neuregelung spätestens bis zum 31.12.2019 gesetzt (BVerfG-Urteil vom 10.4.2018, 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14 u.a.).

Bislang berechnen die Finanzbehörden die Grundsteuer für Häuser und unbebaute Grundstücke anhand von Einheitswerten, die in den alten Bundesländern aus dem Jahr 1964 und in den neuen Bundesländern aus dem Jahr 1935 stammen. Die Grundsteuer ist für die Gemeinden besonders bedeutsam. Nach der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer stellt die Grundsteuer die drittgrößte Einnahmequelle der Kommunen dar. Das weitgehend stabile Gesamtaufkommen der Grundsteuer hat im Jahr 2018 rund 14 Milliarden Euro betragen.

AKTUELL wird es ab dem 1.1.2025 neue Regeln für die Grundsteuer geben. Für die Erhebung der Steuer gewinnen in Zukunft insbesondere die Erträge (Mieteinnahmen bzw. Sollertrag) besondere Bedeutung. Dafür müssen 35 Millionen Grundstücke und Häuser neu bewertet werden. Für die Bundesländer ist eine Öffnungsklausel vorgesehen, damit sie die Grundsteuer mit einem abgeänderten Bewertungsverfahren erheben können. Dafür wurde mit einem gesonderten Gesetz das Grundgesetz geändert ("Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts" bzw. Grundsteuer-Reformgesetz vom 26.11.2019).

Die Reform der Grundsteuer muss lt. Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts bis 31.12.2019 erfolgen. Dies ist erledigt. Aber gelten sollen die neuen Regeln erst ab 2025. Bis dahin sieht das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsphase vor.

  • Wertbasierte Bemessungsgrundlage: In Zukunft erfolgt die Bewertung grundsätzlich nach dem wertabhängigen Modell: Bei einem unbebauten Grundstück ist dafür der Wert maßgeblich, der durch unabhängige Gutachterausschüsse ermittelt wird, sog. Bodenrichtwerte. Ist das Grundstück bebaut, werden bei der Berechnung der Steuer auch Erträge wie Mieten berücksichtigt. Um das Verfahren zu vereinfachen, wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietgrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Sollertrag in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks angenommen.
  • Das heutige dreistufige Verfahren - Bewertung, Steuermessbetrag, kommunaler Hebesatz - bleibt erhalten. Die Bewertung der Grundstücke nach neuem Recht erfolgt erstmals zum 1.1.2022. Die heutigen Steuermesszahlen werden so abgesenkt, dass die Reform insgesamt aufkommensneutral ausfällt.
  • Die Besteuerung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe soll in Zukunft durch eine standardisierte Bewertung der Flächen und der Hofstellen mittels einer weitgehenden Automation des Bewertungs- und Besteuerungsverfahrens erfolgen. Dies führe zugleich zu einer erheblichen Vereinfachung der Bewertungssystematik, wird erwartet.
  • Die Durchführung der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 2022 und die Hauptveranlagung der Grundsteuermessbeträge auf den 1. Januar 2025 sowie die Pflege der ermittelten Werte erstrecken sich über mehrere Jahre, so dass der gesamte Erfüllungsaufwand für den Hauptfeststellungszeitraum 2022 - 2028 linear auf einen Zeitraum von sieben Jahren zu verteilen ist. Da ein vollständig digitalisiertes Verwaltungsverfahren auf den 1. Januar 2022 noch nicht angeboten werden kann, ist eine umfassende Datenerhebung mittels einer elektronischen Steuererklärung durch die Bürger erforderlich.
  • Für die Bundesländer ist eine Öffnungsklausel vorgesehen: Anstelle des wertabhängigen Modells können sie sich auch dafür entscheiden, die Grundsteuer nach einem wertunabhängigen Modell zu berechnen. Dafür wird mit einem gesonderten Gesetz das Grundgesetz geändert. Kritiker dieser Klausel fürchten zusätzliche Bürokratie, Befürworter argumentieren, dass sie für die jeweiligen Regionen passgenaue Lösungen erlaube.

Neue Grundsteuer C

Gemeinden erhalten - neben einer reformierten Grundsteuer A und B - ab dem Jahr 2025 die Möglichkeit, aus städtebaulichen Gründen für baureife Grundstücke als besondere Grundstücksgruppe innerhalb der unbebauten Grundstücke einen gesonderten - höheren - Hebesatz festzusetzen (Grundsteuer C). Diese "Grundsteuer C" verteuert damit die Spekulation und soll finanzielle Anreize setzen, auf baureifen Grundstücken tatsächlich auch Wohnraum zu schaffen ("Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung" vom 30.11.2019).

Die Ermittlung der Grundsteuer erfolgt in drei selbständigen, aufeinanderfolgenden Verfahrensstufen. Zunächst wird der Grundsteuerwert festgestellt. Auf dem Grundsteuerwert aufbauend wird der Steuermessbetrag festgesetzt. Abschließend wird durch Anwendung des von der Gemeinde bestimmten Hebesatzes auf den Steuermessbetrag die Grundsteuer festgesetzt. Der Hebesatz in der Gemeinde für die "Grundsteuer C" muss dabei höher als der Hebesatz für die sog. Grundsteuer B sein (BT-Drucksache 19/16698 vom 22.1.2020).

Bestimmt eine Gemeinde für die Grundstücksgruppe baureifer Grundstücke im Sinne des § 25 Abs. 5 GrStG beispielsweise für das Kalenderjahr 2025 einen gesonderten Hebesatz, würde sich die Grundsteuer C für ein innerhalb des insoweit ausgewiesenen Gemeindegebiets liegendes baureifes Grundstück grundsätzlich wie folgt ermitteln:

  1. Bewertung des unbebauten Grundstücks (§ 246, 247 BewG)
    Grundstücksfläche x Bodenrichtwert = Grundsteuerwert (ggf. nach Abrundung gemäß § 230 BewG)
  2. Steuermessbetragsverfahren (§ 13, 15 Abs. 1 Nr. 1 GrStG)
    Grundsteuerwert x Steuermesszahl (0,00034) = Steuermessbetrag
  3. Steuerfestsetzung (§ 25, 27 GrStG)
    Steuermessbetrag x gesonderter Hebesatz nach § 25 Abs. 5 GrStG = Grundsteuer (Grundsteuer C)

 

2. Immobilienübertragung:
Vorsicht bei reiner Grundschuldübernahme

Wer eine Immobilie erwirbt, übernimmt diese in der Regel lastenfrei. Zum einen werden Darlehen des vorigen Eigentümers nicht übernommen und zum anderen werden Grundschulden im Grundbuch vor dem Eigentumsübergang gelöscht. Gegebenenfalls erfolgt die Abwicklung über ein Treuhandkonto des Notars, das heißt der Kaufpreis wird auf ein solches Konto überwiesen und der Notar tilgt damit den Kredit des Verkäufers. Doch bei Immobilienübertragungen unter nahen Angehörigen sieht die Sache anders aus und die Grundschulden werden oftmals übernommen. Die Frage ist dann, ob sich insoweit Anschaffungskosten ergeben, die

  • bei einem vermieteten Gebäude abgeschrieben werden können,
  • beim Verkauf der Immobilie innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist vom Verkaufserlös abgezogen werden dürfen, um nur die Differenz besteuern zu müssen.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Übernahme der Grundschulden allein, das heißt ohne gleichzeitige Mitübernahme des Darlehens, nicht zu Anschaffungskosten führt. Bedient also der Übergeber ein Darlehen weiter, so erlangt der Erwerber kein zusätzliches Abschreibungsvolumen. Und vor allem: Bei einem Weiterverkauf durch den Erwerber in der Spekulationsfrist muss dieser gegebenenfalls den vollen Kaufpreis versteuern und kann die übernommene Grundschuld nicht gegenrechnen. Das Gesagte gilt selbst für den Fall, dass im Zuge des Weiterverkaufs die alten Schulden getilgt werden, die der Betroffene zunächst nicht vom Übergeber übernommen hatte. Wenn man so will, kann der ursprüngliche "Fehler" nicht mehr geheilt werden und der Weiterverkauf kann steuerlich sehr teuer werden (BFH-Urteil vom 3.09.2019, IX R 8/18).

  • Der Fall: Die Klägerin erwarb im Jahre 2004 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück von ihrer Mutter. Sie übernahm die im Grundbuch eingetragenen Grundschulden. Nicht übernommen wurden die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen. Die Darlehen wurden nach der Grundstücksübertragung weiterhin von der Mutter bedient. Diese hatte das Objekt ihrerseits im Jahre 1998 erworben. Im Jahre 2007, also innerhalb der Spekulationsfrist, veräußerte die Tochter das gesamte Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 530.000 EUR. Von dem Kaufpreis wurden auch die durch die Grundschulden besicherten Darlehen getilgt. Das Finanzamt versteuerte einen Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft ("Spekulationsgewinn"), ohne die übernommenen Grundschulden oder die spätere Darlehenstilgung gegenzurechnen. Hinsichtlich der Berechnung der Spekulationsfrist sei zwar auf die Anschaffung durch die Rechtsvorgängerin (1998) abzustellen. Doch da die Veräußerung im Jahre 2007 erfolgte, sei dies noch innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist geschehen. Der BFH hat dieses Ergebnis bestätigt.
  • Begründung: Die Belastung eines unentgeltlich übertragenen Wirtschaftsguts mit einer Grundschuld führt nicht zu Anschaffungskosten. Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen auch nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht übernommen hat. Denn die Belastung mit einer Grundschuld beruht weder auf einem entgeltlichen Anschaffungsgeschäft noch verändert sie die Nutzbarkeit des Grundstücks oder dient der Herstellung eines betriebsbereiten Zustands. Die Eintragung einer Grundschuld hat keine Einschränkung der Nutzungsbefugnisse zur Folge. Entsprechendes gilt für die Löschung der Grundschuld. Die Löschung der Grundschuld führt nicht zu einer (weitergehenden) Verschaffung der (dinglichen) Verfügungsmacht über das Grundstück und erweitert auch nicht die Nutzungsbefugnisse. Das (wirtschaftliche) Eigentum und der Besitz sind bereits bei (unentgeltlichem) Erwerb des Grundstücks übergegangen. Die spätere Zahlung auf das Darlehen, das die Grundschuld besichert, hat hierauf keine Auswirkung.

STEUERRAT: Im Zeitpunkt der Übergabe eines Grundstücks ist man natürlich froh, wenn etwa Vater, Mutter, Onkel oder Tante die auf der Immobilie lastenden Kredite weiter bedienen. Es sollte aber bedacht werden, dass in diesem Fall keine Anschaffungskosten entstehen, auch wenn die Grundschulden übernommen werden. Die Sache hat aber etwas Gutes: Gilt die Übertragung mangels Übernahme von Schulden als "unentgeltlich", kommt es für die Berechnung der Zehn-Jahres-Frist ("Spekulationsfrist") auf die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger an, also auf den Zeitpunkt, zu dem der Übergeber die Immobilie gekauft hat.

Es sei übrigens darauf hingewiesen, dass es in dem Fall auch um die Frage ging, ob und inwieweit eine Steuerbefreiung des Spekulationsgewinns in Betracht kommt, wenn die Immobile teilweise selbstgenutzt wird. Von Bedeutung ist folgende Aussage des BFH zum Thema "Steuerbefreiung bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken": "Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden." Nehmen Sie das Urteil in entsprechenden Fällen durchaus zur Hand.

 

3. Kanalanschluss:
Sanierungsarbeiten sind sofort abziehbar

Seit Jahr und Tag streiten sich Vermieter mit den Finanzämtern darüber, wie Erschließungskosten und Kanalanschlussarbeiten steuerlich zu würdigen sind. Dabei sind die Grundsätze eigentlich seit langem bekannt:

  • Aufwendungen für eine erstmalige Erschließungsmaßnahme gehören regelmäßig zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens, weil der erstmalige Anschluss an öffentliche Einrichtungen die (abstrakte) Nutzbarkeit des Grundstücks und damit dessen Wert erhöht. Solche Aufwendungen beziehen sich in erster Linie auf das Grundstück, weil sie dazu dienen, es baureif zu machen; sie gehören nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes und sind daher nicht abschreibbar.
  • Aufwendungen für die Herstellung von Zuleitungsanlagen eines Gebäudes zum öffentlichen Kanal (sog. Hausanschlusskosten) einschließlich der sog. Kanalanstichgebühr gehören zu den Herstellungskosten des Gebäudes, soweit die Kosten für Anlagen auf privatem Grund und nicht für Anlagen der Gemeinde außerhalb des Grundstücks entstanden sind. Diese Kosten sind im Wege der AfA zu berücksichtigen.
  • Abweichend hiervon sind Aufwendungen für die Ersetzung, Modernisierung oder (ggf. teilweisen) Instandsetzung einer vorhandenen Kanalisation als Werbungskosten sofort abziehbar, da sie weder zu den Anschaffungs- noch zu den Herstellungskosten zählen, sondern lediglich der Erhaltung des Grundstücks dienen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kosten für Anlagen auf privatem oder auf öffentlichem Grund entstanden sind.

In einem aktuellen Fall vor dem Bundesfinanzhof ging es um die Frage, wie die Kosten für die Sanierung einer Kanalisation zu behandeln sind, wenn auf einem Grundstück bereits ein Gebäude stand, dieses aber abgerissen und ein neues Gebäude (vermietetes Zweifamilienhaus) errichtet wurde.

Hier haben die obersten Finanzrichter zugunsten des Bauherrn entschieden, dass die Aufwendungen für die Instandsetzung und teilweisen Erneuerung des vorhandenen und funktionsfähigen Abwasserrohrsystems als Werbungskosten sofort abziehbar sind, da sie lediglich der Erhaltung des Grundstücks dienen. Sie sind nicht als Herstellungskosten zu qualifizieren, da sie weder der Herstellung eines neuen, bisher nicht vorhandenen Abwasserrohrsystems noch der Wiedererstellung eines zerstörten oder unbrauchbar gewordenen Rohrsystems dienten und auch nicht das Grundstück in seiner Funktion bzw. seinem Wesen verändert haben.

Lediglich die Aufwendungen des Klägers für die Verbindung des - sanierten - Abwasserkanals mit dem neuen Gebäude ("Hauseinführung mittels Diamantkern-Bohrung einschl. Wandeindichtung, Isolierung und Dämmung") dienten insoweit der Herstellung des Zweifamilienhauses. Sie sind als Herstellungskosten lediglich im Rahmen der AfA zu berücksichtigen und mithin nicht sofort abziehbar (BFH-Urteil vom 3.9.2019, IX R 2/19).

 

4. Grundsteuer:
Kein Erlass allein aufgrund Leerstandes wegen Denkmalschutz

Vermieter können ohne eigenes Verschulden erhebliche Mietausfälle haben, zum Beispiel weil der Mieter zahlungsunfähig ist, weil die Wohnung zwischenzeitlich leer steht oder weil eine Vermietung wegen Auflagen der Behörden zeitweise nicht möglich ist. Gebeutelte Vermieter können dann einen teilweisen Erlass der Grundsteuer beantragen. Der Antrag ist jeweils bis zum 31. März für das Vorjahr zu stellen.

AKTUELL hat das Verwaltungsgericht Koblenz allerdings entschieden, dass allein der Leerstand denkmalgeschützter und sanierungsbedürftiger Gebäude nicht den Erlass oder die Reduzierung der Grundsteuer rechtfertigt (Urteil vom 21.1.2020, 5 K 760/19.KO).

  • Der Fall: Die Klägerin erwarb Eigentum an vier bebauten Grundstücken in der Koblenzer Altstadt, auf denen denkmalgeschützte bauliche Anlagen stehen. In dem notariellen Kaufvertrag ist ein Sanierungsbedarf von ungefähr 12 Mio. EUR festgehalten. In der Folgezeit ließ die Klägerin die baulichen Anlagen sanieren. Die Stadt Koblenz verlangte von der Klägerin für die vier Grundstücke für den Zeitraum 2014 bis 2017 insgesamt 83.183,52 EUR Grundsteuer B. Die Klägerin beantragte den Erlass der Steuer unter Hinweis auf die Sanierungskosten und das öffentliche Interesse an der Sanierung. Dies lehnte die Stadt allerdings ab; die Klage hatte keinen Erfolg.
  • Begründung: Nach den einschlägigen Bestimmungen komme ein Erlass der Grundsteuer zwar in Betracht, da es sich bei den denkmalschützen Anlagen um stadthistorisch bedeutsame Gebäude handele, die sich im UNESCO-Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal befänden und bei denen es sich um anerkannte Kulturgüter nach der Haager Konvention handelte. Jedoch setze ein Erlass weiterhin voraus, dass die aus dem Grundeigentum erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel die jährlichen Kosten unterschritten und eine Kausalität zwischen der Unrentabilität und dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Denkmals feststellbar sei. An letzterem fehle es. Die Klägerin habe die Immobilien im Bewusstsein des Denkmalschutzes und der Sanierungsbedürftigkeit erworben. Ein von vornherein unrentabler Erwerb von denkmalgeschützten Häusern könne nicht durch den Erlass der Grundsteuer kompensiert werden.
  • Ein Teilerlass der Grundsteuer wegen des sanierungsbedingten Leerstands der Gebäude scheide ebenfalls aus. Zum einen habe die Klägerin die Minderung des Rohertrags durch die von ihrem Geschäftsführer getroffenen unternehmerischen Entscheidungen selbst herbeigeführt. Zum anderen beruhe die Steuerfestsetzung auf Grundsteuermessbescheiden des Finanzamts Koblenz. Das Finanzamt sei aufgrund unzutreffender Angaben der Klägerin davon ausgegangen, dass die Gebäude genutzt würden. Ohne eine Änderung dieser Bescheide komme eine Reduzierung nicht in Betracht. Überdies habe die Stadt mehrfach bekundet, sie werde die Grundsteuer neu festsetzen, sofern das Finanzamt den Einheitswert der Immobilien fortschreibe. Da zudem auch keine persönlichen oder sachlichen Billigkeitsgründe für einen Erlass oder eine Reduzierung der festgesetzten Grundsteuer gegeben seien, sei die Klage abzuweisen gewesen.

STEUERRAT: Betroffene Vermieter sollten eine Wertfortschreibung, also eine Reduzierung des Einheitswerts, bei ihrem Finanzamt beantragen und versuchen, auf diesem Wege eine Minderung der Grundsteuer zu erreichen. Oftmals ist dieser Weg erfolgversprechender als ein Antrag auf Grundsteuererlass.

Weitere Informationen: Informationen zur Grundsteuer

 

VII. Renten und Pensionen

1. Rentenfreibetrag:
Keine Neuberechnung wegen Rentenangleichung im Osten

Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind im ersten und zweiten Bezugsjahr mit dem Besteuerungsanteil steuerpflichtig, der für das Jahr des Rentenbeginns gesetzlich festgelegt ist (bei Rentenbeginn im Jahre 2019: 78 %). Der Restbetrag im zweiten Jahr ist der persönliche Rentenfreibetrag, der dann zeitlebens festgeschrieben wird. Ab dem dritten Jahr ist die Rente in voller Höhe nach Abzug des persönlichen Rentenfreibetrages und des Werbungskosten-Pauschbetrages von 102 EUR steuerpflichtig. Das bedeutet: Rentenerhöhungen ab dem dritten Bezugsjahr sind immer in vollem Umfang steuerpflichtig.

Wann wird der Rentenfreibetrag neu berechnet? Regelmäßige Rentenanpassungen führen jedenfalls nicht zu einer Neuberechnung des persönlichen Rentenfreibetrages. Eine Neuberechnung erfolgt jedoch, wenn sich die Rente aus anderen Gründen ändert, z.B. bei Rentennachzahlungen, Anrechnung eigenen Einkommens auf die Witwenrente, Übergang von einer Teilrente zur Vollrente und umgekehrt.

Bisher sind die Rentenwerte der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten und neuen Bundesländern unterschiedlich: Der aktuelle Rentenwert (Ost) ist seit dem 1. Juli 1991 von 10,79 EUR auf 29,69 EUR am 1. Juli 2017 gestiegen und hat sich somit fast verdreifacht. Der für die alten Bundesländer maßgebende aktuelle Rentenwert hat sich in demselben Zeitraum von 21,19 EUR auf 31,03 EUR nur um 46 Prozent erhöht. Der aktuelle Rentenwert (Ost) hat sich damit seit der Rentenüberleitung 1991 von rund 51 Prozent zum 1.7.2017 auf 95,7 Prozent des Westwerts verbessert. Vom 1.7.2018 bis zum 1.7.2023 wird der aktuelle Rentenwert Ost schrittweise an den Rentenwert West angeglichen - und zwar jährlich um 0,7 Prozentpunkte (§ 255a SGB VI).

Der aktuelle Rentenwert (Ost) wurde in einem ersten Schritt zum 1. Juli 2018 auf 95,8 Prozent des Westwerts angehoben. In weiteren Schritten wird der Verhältniswert zwischen aktuellem Rentenwert (Ost) und dem Westwert jedes Jahr um 0,7 Prozentpunkte angehoben, bis der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 1. Juli 2024 100 Prozent des Westwerts erreicht haben wird. Die Frage ist, ob wegen dieser und der bisherigen Rentenangleichung in Ostdeutschland auch der Rentenfreibetrag jährlich neu zu berechnen ist.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die zusammen mit der "normalen" Erhöhung der Renten erfolgende Angleichung der Renten in Ostdeutschland an das Westniveau eine regelmäßige Rentenanpassung darstellt. Sie kann daher nicht zu einer Neuberechnung des Rentenfreibetrages führen. Darin liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen den in den neuen Bundesländern gezahlten Altersrenten und den Altersrenten aus dem übrigen Bundesgebiet (BFH-Urteil vom 3.12.2019, X R 12/18).

  • Reguläre Rentenerhöhungen führen nicht zu einer Erhöhung des Rentenfreibetrags. Dies gilt nicht nur für die "normalen" jährlichen Rentenerhöhungen zum 1. Juli, sondern - so der BFH - auch für die Anpassung der in den neuen Bundesländern gezahlten Renten an das Westniveau. In beiden Fällen kommt den regulären Rentenerhöhungen die soziale Funktion zu, die Stellung des Rentners im jeweiligen Lohngefüge zu erhalten und fortzuschreiben. Sie dynamisieren ähnlich einer Wertsicherungsklausel lediglich die Werthaltigkeit dieser Renten, im Fall der Anpassung des aktuellen Rentenwertes (Ost) bezogen auf das Lohngefüge des Beitrittsgebietes.
  • Da nach neuer Rechtslage ab 2005 alle Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig davon erfasst werden, ob sie als Rente oder Teilrente, Altersrente, Erwerbsminderungsrente, Witwen-/Witwerrente, Waisenrente, Erziehungsrente oder als einmalige Leistung ausgezahlt werden, ist steuerrechtlich ohne Belang, ob der Rente der aktuelle Rentenwert (Ost) oder der aktuelle Rentenwert zugrunde liegt. Gleiches muss für die Anpassungen der entsprechenden Renten gelten. Auch die Anpassung des Rentenwertes (Ost) ist somit als reguläre Rentenanpassung anzusehen.

Weitere Informationen: Gesetzliche Rentenversicherung: Steuerregeln für Beiträge und Renten

 

2. Gesetzliche Rente:
Schrittweise Angleichung der Renten in Ost und West

Nach derzeitiger Rechtslage sind die Rentenwerte der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten und neuen Bundesländern unterschiedlich: Seit dem 1.7.2019 beträgt der aktuelle Rentenwert 33,05 EUR (West) und 31,89 EUR (Ost). Beim Rentenwert handelt es sich um den Betrag, den ein Versicherter nach einem Jahr Durchschnittsverdienst als monatliche Altersrente erhält. Er wird von der Bundesregierung jährlich zum 1. Juli festgelegt. Der Rentenwert wird nach einer äußerst komplizierten Formel berechnet, die im § 68 Abs. 4 SGB VI festgeschrieben ist.

Der aktuelle Rentenwert (Ost) ist seit dem 1.7.1991 von 10,79 EUR auf 29,69 EUR am 1.7.2017 gestiegen und hat sich somit fast verdreifacht. Der für die alten Bundesländer maßgebende aktuelle Rentenwert hat sich in demselben Zeitraum von 21,19 EUR auf 31,03 EUR nur um 46 Prozent erhöht. Der aktuelle Rentenwert (Ost) hat sich damit seit der Rentenüberleitung 1991 von rund 51 Prozent zum 1.7.2017 auf 95,6 Prozent des Westwerts erhöht.

AKTUELL: Vom 1.7.2018 bis zum 1.7.2024 wird der aktuelle Rentenwert Ost schrittweise an den Rentenwert West angeglichen - und zwar jährlich um 0,7 Prozentpunkte (§ 255a SGB VI). Die Angleichung der Renten erfolgt in sieben Schritten. So betrug der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 1. Juli 2018 95,8 Prozent des Rentenwerts West, zum 1. Juli 2024 sind es dann 100 Prozent des Rentenwerts West (Rechtsgrundlage ist das "Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung" vom 17.7.2017).

Die Rentenangleichung erfolgt grundsätzlich unabhängig von der Lohnentwicklung. Doch die Lohnentwicklung in den neuen Ländern ist dann maßgeblich, wenn die Anpassung des aktuellen Rentenwerts (Ost) dadurch höher ausfällt als nach den oben genannten Angleichungsschritten (§ 255a Abs. 2 SGB VI). Das bedeutet: Steigen die Durchschnittslöhne in den neuen Ländern schneller, sodass die Rentenwerte Ost ebenfalls schneller steigen als in den sieben Schritten vorgesehen, wird die Rente nach dem bisher üblichen Modus angepasst. Oder anders: Ergibt die Berechnung nach der Rentenformel für die neuen Länder einen höheren Wert als in den sieben Schritten vorgesehen, wird eine Rente nach dem höheren Wert gezahlt.

Ab dem 1. Juli 2024 wird in ganz Deutschland ein einheitlicher gesamtdeutscher aktueller Rentenwert gelten. Ab dem Jahr 2025 werden einheitliche gesamtdeutsche Rechengrößen (Durchschnittsentgelt, Bezugsgröße und Beitragsbemessungsgrenze) gelten. Auch die Werte in der gesetzlichen Unfallversicherung und der Alterssicherung der Landwirte sollen vereinheitlicht werden. Die Rentenanpassung wird ab 2024 und die Fortschreibung der Bezugsgröße und Beitragsbemessungsgrenze werden vom Jahr 2025 an auf der Grundlage der gesamtdeutschen Lohnentwicklung erfolgen.

 

3. Gesetzliche Rente:
Geänderte Rentenformel bremst Rentenerhöhung 2020

Jedes Jahr zum 1. Juli werden die Renten erhöht - mal etwas mehr, mal etwas weniger. Nur in den Jahren 2004 bis 2006 gab es Nullrunden und keine Rentenerhöhungen. Die jährliche Rentenanpassung wird neben dem Nachhaltigkeitsfaktor, dem Altersvorsorgefaktor, der Niveauschutzklausel und seit 2019 im Osten neben der gesetzlichen Rentenangleichung vor allem durch die Lohnentwicklung des Vorjahres bestimmt.

Für das Jahr 2020 wurde nun eine besonders kräftige Erhöhung der Rente berechnet - um die 5 Prozent! Ursache dafür ist ein statistischer Sondereffekt. Im Jahre 2019 wurde die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes turnusgemäß aktualisiert. Diese Revision erfolgt in der Regel alle fünf Jahre. Diesmal sind die Daten der Lohnentwicklung der vergangenen Jahre - rückwirkend bis 2001 - nach oben korrigiert worden. Für das Jahr 2018 ergeben sich nun zum Beispiel als Durchschnittseinkommen 35.988 Euro statt 35.295 Euro vor Revision, was einer Abweichung von rund zwei Prozent entspricht. Und dies treibt die Rentenanpassung im Jahre 2020 um etwa 2 Prozentpunkte nach oben, während sie dann im Jahre 2021 um genau diese 2 Prozentpunkte niedriger ausfällt, weil der Sondereffekt dann kompensiert wird. Was das bedeutet? Eine nur marginale Rentenerhöhung im Bundestags-Wahljahr 2021! Das geht gar nicht!

AKTUELL wird die Rentenformel geändert, um solche statistischen Sprünge in der Rentenentwicklung künftig auszuschließen (§ 68 Abs. 7 Satz 1 und 2 SGB VI). Die Gesetzesänderung ist artfremd und unscheinbar versteckt im "Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (RVBund/KnErG-ÄndG)" vom 15.11.2019. Mit diesem Gesetz werden die Aufgaben der RV Knappschaft-Bahn-See erweitert.

Bislang sind die im Vorjahr bei der Berechnung der Rentenanpassung genutzten Lohndaten im folgenden Jahr erneut zu verwenden. Bei einer Neuaufstellung der statistischen Datenbasis führt dies im Ergebnis dazu, dass Äpfel mit Birnen, nämlich revidierte mit nicht revidierten Zahlen verglichen werden. Mit der neuen Rentenformel wird die jährliche Rentenanpassung bereinigt und von den Verzerrungen durch den statistischen Sondereffekt befreit. So wird gewährleistet, dass sich die Rentenanpassung tatsächlich an der Lohnentwicklung orientiert und nicht durch statistische Sondereffekte verzerrt wird. Durch die Korrektur ergeben sich keine Nachteile für die Rentner.

HINWEIS: Schon in den Jahren 2015 und 2016, als ein Statistikeffekt die Rentenerhöhung erst drastisch kleiner ausfallen ließ, um im Folgejahr dann umso höher auszufallen, wäre eine neue Berechnungsgrundlage bei der Rentenanpassung sinnvoll gewesen. Die schwarz-rote Bundesregierung hat es damals aber versäumt, die richtigen Maßnahmen einzuleiten. Immerhin: Diesen Fehler wiederholen die Regierungsfraktionen nun nicht.

ACHTUNG: Die 21 Millionen Rentner werden zum 1.7.2020 eine Rentenerhöhung von 3,45 % im Westen und 4,20 % im Osten erhalten.

 

4. Witwenrente:
Kürzung von Rente und Freibetrag wegen höheren Einkommens

Die Witwen-/Witwerrente ist - ebenso wie andere Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung - mit dem hohen Besteuerungsanteil steuerpflichtig bzw. in Höhe des persönlichen Rentenfreibetrages steuerfrei (§ 22 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Dieser Rentenfreibetrag wird im zweiten Rentenbezugsjahr einmal ermittelt und dann zeitlebens festgeschrieben. "Regelmäßige" Rentenanpassungen führen nicht zu einer Neuberechnung des Rentenfreibetrages. Vielmehr wandert jede Rentenerhöhung in voller Höhe in den steuerpflichtigen Topf.

Bei Witwen- oder Witwerrenten wird eigenes Einkommen auf die Rente angerechnet und führt bei Überschreiten von Freibeträgen zu einer Kürzung der Rente. Diese Einkommensermittlung und -anrechnung erfolgt jährlich jeweils zum 1. Juli und damit auch irgendwie "regelmäßig". Wenn das anrechenbare Einkommen steigt, kann die Witwen- oder Witwerrente gekürzt werden. Die Frage ist, ob in diesem Fall auch der Rentenfreibetrag entsprechend gekürzt wird.

Der Bundesfinanzhof hat hierzu entschieden, dass bei einer Änderung der Rente, die nicht auf regelmäßige Anpassungen (am 1. Juli) zurückgeht, der steuerliche Rentenfreibetrag neu zu berechnen ist. Dies gilt insbesondere bei Witwen- oder Witwerrenten, die sich aufgrund der Einkommensanrechnung vermindern oder erhöhen. Dabei wird der Rentenfreibetrag in dem Verhältnis angepasst, in dem der veränderte Renten-Jahresbetrag zum bisherigen Renten-Jahresbetrag steht, aus dem der Rentenfreibetrag berechnet wurde (BFH-Urteil vom 17.11.2015, X R 53/13).

Der Fall: Der Witwer hat im Jahre 2007 eine Witwerrente nach seiner verstorbenen Frau in Höhe von 8.600 EUR bezogen. Der Rentenfreibetrag betrug 4.300 EUR (da die verstorbene Frau bereits vor 2005 Altersrente bezogen hatte). Im Jahre 2008 hat nun der Witwer höhere eigene Einkünfte, die nach Überschreiten von Freibeträgen auf die Witwerrente anzurechnen sind und zu einer Kürzung auf 6.400 EUR führen. Der Witwer meint, dass der bisherige Rentenfreibetrag von 4.300 zeitlebens unverändert bleibe, doch die Finanzrichter kürzen den Rentenfreibetrag im gleichen Verhältnis auf 3.200 EUR. Die Neuberechnung des Rentenfreibetrages erfolgt nach folgender Formel: 6.400 : 8.600 x 4.300 = 3.200 EUR.

STEUERRAT: Der Rentenfreibetrag wird ebenfalls bei vorgezogenen Altersrenten neu berechnet, wenn diese wegen zu hohen eigenen Einkommens zu einer Teilrente mutieren (und umgekehrt), sowie bei Rentennachzahlungen oder Rückzahlung von Rentenbeträgen.

Weitere Informationen: Hinterbliebenenrente: Witwen- oder Witwerrente

 

5. Berufsständisches Versorgungswerk:
Steuervergünstigung bei Kapitalzahlung?

Berufsständische Versorgungseinrichtungen sind öffentlich-rechtliche Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen für Beschäftigte und selbstständig tätige Angehörige der kammerfähigen freien Berufe, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen. Solche Versorgungswerke gibt es beispielsweise für Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Notare, Architekten, Ingenieure.

Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen gehören zur Basisversorgung und werden steuerlich behandelt wie Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie sind mit dem Besteuerungsanteil zu versteuern, einem bestimmten Prozentsatz, der für das Jahr des Rentenbeginns gesetzlich festgelegt ist (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG).

Steuerpflichtig mit dem Besteuerungsanteil sind auch Kapitalzahlungen. Für sie gibt es jedoch eine Steuervergünstigung: Weil der Kapitalbetrag eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit darstellt, kann er nach der Fünftelregelung mit einem ermäßigten Steuersatz versteuert werden (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG). Dies gilt allerdings nur dann, wenn das Kapital in einem einzigen Veranlagungsjahr gezahlt wird. Damit soll die Progressionswirkung des Steuertarifs infolge Zusammenballung von Einkünften etwas abgemildert werden. Was aber gilt, wenn die Kapitalzahlung auf zwei Jahre verteilt wird?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der ermäßigte Steuersatz nicht zur Anwendung kommt, wenn ein berufsständisches Versorgungswerk das angesparte Kapital in zwei Teilkapitalbeträgen über zwei Veranlagungszeiträume verteilt auszahlt. Die Vergünstigung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die zweite Zahlung lediglich als geringfügige Zusatzleistung zu der Hauptzahlung anzusehen ist (BFH-Beschluss vom 19.8.2019, X B 155/18).

Der BFH hat die Steuervergünstigung bejaht, wenn die Anwartschaft in einer einzigen Einmalzahlung abgefunden wird, auch wenn der Steuerpflichtige anschließend noch Renten aus den weiteren Anwartschaften bezieht (BFH-Urteile vom 23.10.2013, X R 3/12, X R 11/12, X R 21/12).

Weitere Informationen: Berufsständische Versorgungswerke: Steuerregeln für Beiträge und Renten

 

6. Altersrente:
Kann eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vorliegen?

Es gab in den letzten Jahren eine Reihe von Klagen, um die hohe Besteuerung der Renten zu vermeiden. Doch weder der Bundesfinanzhof noch das Bundesverfassungsgericht haben das System der Rentenbesteuerung für verfassungswidrig gehalten. Der Gesetzgeber habe nun einmal einen breiten Spielraum bei der Festlegung der Rahmenbedingungen für die Einkommensteuer - und diesen hat er in noch zulässiger Weise ausgenutzt.

Der BFH-Richter Dr. Kulosa hatte in einem Aufsatz in der Zeitschrift "Deutsches Steuerrecht" zu den Verfassungsfragen der Rentenbesteuerung Stellung genommen und dabei neben geklärten auch offene Fragen aufgegriffen (DStR 2018 S. 1413). Nicht nur für die Fachwelt, sondern auch für viele Rentner war die Aussage von Bedeutung, dass es durchaus Fälle geben kann, in denen eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung erfolgt. Sprich: Entsprechende Steuerbescheide müssen geändert werden. Dies ist nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21.6.2016 (X R 44/14) dann der Fall, wenn die steuerfreien Rentenbezüge geringer sind als der aus versteuertem Einkommen geleistete Teil der Altersvorsorgeaufwendungen.

Leider haben die Richter - vollkommen unverständlich - in dem zitierten Urteil ausgeführt, dass der Steuerzahler die Beweislast für die Doppelbesteuerung trägt. Das heißt: Es müssen alle Steuerbescheide der Vergangenheit vorgelegt werden - das können mitunter 45 Jahre sein! Alternativ kann der Verlauf der Rentenversicherung dargestellt werden, aus denen das Finanzgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht die weiteren Tatsachen herleiten muss (so BFH-Richter Nöcker in NWB 2016 S. 3432).

Im Oktober letzten Jahres war dann - wieder einmal - das Finanzgericht Baden-Württemberg an der Reihe, um der Frage nachzugehen, ob die Besteuerung einer Altersrente zu einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung führt. Dies verneinte das FG zwar mit Urteil vom 1.10.2019 (8 K 3195/16). Es ließ aber die Revision zum Bundesfinanzhof zu, die nunmehr unter dem Az. X R 33/19 vorliegt. In zahlreichen Fällen kann es nun angezeigt ein, gegen Steuerbescheide Einspruch einzulegen und unter Berufung auf das Verfahren beim BFH ein Ruhen des eigenen Falles zu beantragen.

  • Der Fall: Der verheiratete Kläger hatte ca. 10 Jahre lang als Auszubildender und Angestellter Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Als freiberuflich Tätiger war er auf Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) bis zum Eintritt in den Ruhestand pflichtversichert. Seit Dezember 2007 bezieht er eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Finanzamt berücksichtigte einen steuerpflichtigen Besteuerungsanteil von 54 Prozent. Dies sei verfassungswidrig - so der Kläger. Denn als Freiberufler habe er 89,15 Prozent der Beiträge aus versteuertem Einkommen gezahlt.
  • Die Finanzrichter entschieden, dass die Summe der Rententeilbeträge, die dem Kläger nach der statistischen Lebenserwartung steuerunbelastet zufließen werden, höher sei als der vom Kläger aus versteuertem Einkommen geleistete Teil seiner Altersvorsorgeaufwendungen. Die Berechnung der steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge nahmen die Richter auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vor. Das FG berücksichtigte weder die Lebenserwartung der jüngeren Ehefrau im Hinblick auf eine ihr möglicherweise künftig zufließende Hinterbliebenenrente noch bestimmte steuerliche Abzüge. Fazit: Die Besteuerung sei nicht verfassungswidrig. Doch wie erwähnt ist die Revision zugelassen worden.

STEUERRAT: Weder von der Bundesregierung noch vom Bundesfinanzministerium ist zu erwarten, dass sie konkretisieren, wann eine unzulässige Doppelbesteuerung vorliegt. Daher hilft nur eines: Wenn Sie der Auffassung sind, dass bei Ihnen eine mögliche Doppelbesteuerung vorliegt, weil ein hoher Teil der Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen gezahlt worden ist, so legen Sie Einspruch gegen alle betroffenen Steuerbescheide ein und beantragen Sie ein Ruhen Ihres Verfahrens. Treffen Sie Beweisvorsorge. Forschen Sie nach, ob sich in Ihren Unterlagen noch alte Steuerbescheide befinden und bewahren diese auf. So können Sie vielleicht später von positiven Urteilen profitieren.

 

VIII. Selbstständige

1. Gewerbesteuer:
Vorsicht bei der Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen

In vielen Gemeinden Deutschlands ist der Gewerbesteuer-Hebesatz so hoch, dass eine teilweise Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer keine vollständige Entlastung bringt. Mit anderen Worten: Die Gewerbesteuer ist ein echter Kostenfaktor. Bei GmbHs gilt dies ohnehin, da die Gesellschafter die Gewerbesteuer nicht bei ihrer Einkommensteuer anrechnen dürfen. Daher sollten nach Möglichkeit die wenigen gewerbesteuerlichen Befreiungen genutzt werden, die das Gesetz parat hält. Eine dieser Befreiungen ist die so genannte erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Sie betrifft rein vermögensverwaltende Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz und eigenes Kapitalvermögen verwalten. Diese Unternehmen müssen keine Gewerbesteuer zahlen, ihr Gewerbeertrag wird auf 0 EUR gekürzt.

Die Betonung liegt aber auf dem Wort "ausschließlich", denn selbst geringfügige weitere Tätigkeiten, die über die reine Verwaltung von Grundbesitz und Kapitalvermögen hinausgehen, sind generell schädlich und verhindern die vollständige Kürzung des Gewerbeertrags. Das kann z.B. der Betrieb von Fotovoltaikanlagen oder Blockheizkraftwerken sein - überall lauern Gefahren. Jüngst hat sich der Bundesfinanzhof gleich dreimal mit Fragen rund um die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen befasst und ebenfalls stets eine Schädlichkeit angenommen (BFH 11.4.2019, III R 36/15, III R 5/18, III R 6/18). Exemplarisch soll hier kurz der erste Fall vorgestellt werden.

  • Die Klägerin, eine GmbH, vermietete neben Immobilien (Wohngebäude und Sport- und Gewerbepark mit Hotel) nur noch die zur Ausstattung des Hotels gehörenden Wirtschaftsgüter. Bei den mitvermieteten Wirtschaftsgütern handelte es sich u.a. um eine Bierkellerkühlanlage, um Kühlräume und Kühlmöbel für Theken- und Büfettanlagen. Der Anteil der Anschaffungskosten der mitvermieteten Wirtschaftsgüter belief sich lediglich auf 1,14 % der Gebäudeanschaffungs- und -herstellungskosten. Die Klägerin machte in ihren Gewerbesteuererklärungen jeweils die volle gewerbesteuerliche Kürzung geltend. Nach einer Außenprüfung versagte das Finanzamt der Klägerin wegen der mitvermieteten Betriebsvorrichtungen die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags und gewährte stattdessen nur die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG mit 1,2 % des Einheitswerts der zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücke. Der BFH hat das Ergebnis bestätigt.
  • Begründung: Eine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG scheide aus, wenn eine grundbesitzverwaltende GmbH neben einem Hotelgebäude auch Ausstattungsgegenstände mitvermietet, die als Betriebsvorrichtungen zu qualifizieren sind. Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei durch das Erfordernis der Ausschließlichkeit tatbestandlich zweifach begrenzt: Zum einen sei die unternehmerische Tätigkeit gegenständlich begrenzt, nämlich ausschließlich auf eigenen Grundbesitz oder daneben auch auf eigenes Kapitalvermögen, zum anderen seien Art, Umfang und Intensität der Tätigkeit in der Weise begrenzt, dass die Unternehmen dieses Vermögen ausschließlich verwalten und nutzen.
  • Nebentätigkeiten seien nur dann nicht kürzungsschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können. Hierzu zähle insbesondere der Betrieb notwendiger Sondereinrichtungen für die Mieter und notwendiger Sondereinrichtungen im Rahmen der allgemeinen Wohnungsbewirtschaftung, etwa die Unterhaltung von zentralen Heizungsanlagen, Gartenanlagen und Ähnlichem. Eine darüber hinausgehende Mitvermietung von (nicht fest mit dem Grundstück verbundenen) Betriebsvorrichtungen schließe die Kürzung dagegen regelmäßig aus.
  • Eine allgemeine Geringfügigkeitsgrenze, wonach die Überlassung von Betriebsvorrichtungen der erweiterten Kürzung nicht entgegensteht, wenn die Betriebsvorrichtungen gegenüber dem Grundvermögen von geringem Wert sind oder auf sie nur ein geringer Teil der Miete oder Pacht entfällt, komme aufgrund des dem Gesetzeswortlaut zu entnehmenden strengen Ausschließlichkeitsgebotes nicht in Betracht.

 

2. Umsatzsteuer:
Rechnungsangaben bei Waren im Niedrigpreissegment

Unternehmer sind selbstverständlich gehalten, ordnungsgemäße Rechnungen auszustellen, die die erbrachten Leistungen zweifelsfrei und ohne weitere Nachforschungen erkennen lassen. Üblicherweise hat auch der Rechnungsempfänger ein hohes Interesse an detaillierten Rechnungen, denn nur so kann er prüfen, ob die gelieferte Ware und der Lieferschein mit der Rechnung übereinstimmen. Die Finanzverwaltung ihrerseits verlangt ebenfalls Rechnungen, die es ihr ermöglichen, den Rechnungsaussteller und die Leistung zweifelsfrei und ohne viel Aufwand zu identifizieren. Doch wie das Leben so spielt, gibt es immer wieder Fälle, in denen die Leistungsbeschreibungen von den Finanzämtern als unzureichend angesehen werden - und dann wird dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug versagt.

AKTUELL musste sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit der Frage befassen, ob bei der Lieferung von Waren im Niedrigpreissegment die bloße Angabe der Warengattung eine handelsübliche Bezeichnung darstellt. Die Finanzverwaltung und zumindest auch die Finanzgerichte Hessen und Düsseldorf jedenfalls sahen die reine Gattungsangabe, etwa bei Textilien und Modeschmuck, als unzureichend an und versagten den Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Rechnungen. Der BFH ist den überbordenden Anforderungen nun jedoch entgegengetreten (BFH-Urteil vom 10.07.2019, XI R 28/18).

  • Der Fall: Der Kläger betrieb einen Handel mit Textilien, insbesondere mit so genannter niedrigpreisiger Bekleidung. Er machte u.a. Vorsteuern aus insgesamt 27 Rechnungen eines Lieferanten über eine Vielzahl abgerechneter Textillieferungen geltend. Die streitgegenständlichen Rechnungen enthalten die Angaben "T-Shirt", "Bluse", "Tops", "Kleid", "Hosen" und ähnliche Bezeichnungen, (hohe) Stückzahlen sowie den Ausweis von Einzelpreisen. Sonstige Belege - wie Bestellunterlagen, Lieferscheine, Korrespondenz mit den Lieferanten - liegen nicht vor. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, weil dieser bereits an einer ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung und der nicht ordnungsgemäßen Angabe der Adresse des Lieferanten scheitere. Während die Klage erfolglos blieb, hat der BFH den Vorsteuerabzug dem Grunde nach anerkannt, die Sache aber an die Vorinstanz (Hessisches FG) zurückverwiesen.
  • Die Begründung des BFH: Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung hat folgende Angaben zu enthalten: "die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung". Diese Anforderungen sind dahingehend auszulegen, dass die Rechnung Angaben tatsächlicher Art enthalten muss, die die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen, ohne dass dabei eine erschöpfende Beschreibung der konkret erbrachten Leistungen erforderlich ist. Es genügt jede Bezeichnung der Art der gelieferten Gegenstände, die unter die unionsrechtliche Definition "Menge und Art der gelieferten Gegenstände" fällt. Die Prüfung, ob dies im jeweiligen Einzelfall erfüllt ist, obliegt der jeweiligen Tatsacheninstanz.
  • Zu beachten ist, dass die Handelsüblichkeit von Bezeichnungen im Einzelhandel auf Großhändler nicht übertragbar ist. Zudem ist nach verschiedenen Verkehrskreisen zu differenzieren, nämlich dem Handel mit Textilien im mittleren und oberen Preissegment einerseits und dem Handel mit Waren im Niedrigpreissegment andererseits. Die Handelsüblichkeit einer Bezeichnung hängt mithin immer von den Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der jeweiligen Handelsstufe, Art und Inhalt des Geschäftes und insbesondere dem Wert der einzelnen Waren.
  • Sofern die Tatsacheninstanz zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass eine Bezeichnung im gegebenen Zusammenhang nicht als handelsüblich angesehen werden kann, so hat es Feststellungen dazu zu treffen, welche Bezeichnungen und Mengenangaben statt den von den Lieferanten verwendeten handelsüblich sind, wie die Geschäfte auf der Handelsstufe des Klägers abgewickelt werden und welche konkretere Beschreibungen allgemein gebräuchlich sind.

STEUERRAT: Der BFH hat mit gleichem Datum zwei nahezu deckungsgleiche Entscheidung gefällt (Az. XI R 27/18 und XI R 2/18). In dem einen Fall ging es ebenfalls um die Lieferung von Textilien, in dem anderen Fall um die Lieferung von Modeschmuck. Auch diese Fälle sind an die Vorinstanzen zurückverwiesen worden. Eine weitere Entscheidung zu dem Thema, nämlich des FG Düsseldorf (Urteil vom 15.09.2017, 1 K 2978/15 U), ist - soweit ersichtlich - rechtskräftig geworden.

Der V. Senat des BFH hat ebenfalls zur Leistungsbeschreibung entschieden, dass die Bezeichnung von erbrachten Leistungen als "Trockenbauarbeiten" den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung genügt, wenn sie sich auf ein konkret bezeichnetes Bauvorhaben an einem bestimmten Ort bezieht. Und weiter: Die Angabe des Leistungszeitpunkts kann sich aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben, wenn nach den Verhältnissen des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Werklieferung oder Werkleistung in dem Monat der Rechnungsausstellung erbracht (BFH 15.10.2019; V R 29/19/V R 44/16).

Auch wenn die aktuellen BFH-Entscheidungen für Aufatmen sorgen, so sollten Unternehmern - unabhängig von der Frage der zutreffenden Leistungsbeschreibung - natürlich nachweisen können, dass die Waren auch tatsächlich geliefert worden sind. Insofern sollten Bestellunterlagen und Lieferscheine aufbewahrt werden.

 

 

IX. Kirchensteuer

1. Kirchensteuererstattung:
Hinzurechnung eines Kirchensteuerüberhangs

Grundsätzlich werden Erstattungen von Kirchensteuer im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung mit der gezahlten Kirchensteuer desselben Jahres verrechnet. Auch wenn die Erstattungen frühere Jahre betreffen, wird die Verrechnung im Jahr der Erstattung "aus Gründen der Praktikabilität" zugelassen (BFH-Urteil vom 26.6.1996, BStBl. 1996 II S. 646).

  • Nun kann es Fälle geben, in denen der Erstattungsbetrag höher ist als die Zahlungen im betreffenden Jahr, z.B. weil Sie aus der Kirche ausgetreten sind, weil Kirchensteuer auf eine Abfindung oder auf den Gewinn aus Geschäftsveräußerung erlassen wurde, weil die Einkommensteuer aufgrund von Arbeitslosigkeit, Verlusten, Existenzgründung oder Rentenbeginn erheblich niedriger als im Vorjahr.
  • Ein Erstattungsüberhang an Kirchensteuer wird seit 2012 nicht mehr umständlich in einem Vorjahr berücksichtigt, sondern ganz einfach im selben Jahr dem "Gesamtbetrag der Einkünfte" hinzugerechnet. Das bedeutet: Für diesen Hinzurechnungsbetrag wird nun zusätzlich Einkommensteuer berechnet. Zweck der Neuregelung ist, die Wiederaufrollung der Steuerfestsetzungen der Vorjahre zu vermeiden, sodass keine Änderungen für zurückliegende Jahre mehr erforderlich sind (§ 10 Abs. 4b EStG).

AKTUELL hat das Finanzgericht Düsseldorf entschieden, dass der Ansatz eines Kirchensteuerüberhangs weder eine Kirchensteuer-Zahlung im Erstattungsjahr noch eine steuerliche Auswirkung einer Kirchensteuer-Zahlung im Zahlungsjahr voraussetzt (FG Düsseldorf vom 5.12.2019, 14 K 3341/15 E, Revision X R 1/20).

  • Der Fall: Der Kläger leistete in den Jahren 2009 und 2010 Kirchensteuer-Vorauszahlungen für das Jahr 2009. Diese wurden ihm im Jahr 2012 aufgrund der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2009 erstattet. Die im Jahr 2009 gezahlte Kirchensteuer-Vorauszahlung wirkte sich im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nicht steuermindernd aus. Im Jahre 2012 zahlte der Kläger keine Kirchensteuer. Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2012 erfasste das Finanzamt die Kirchensteuer, die dem Kläger für 2009 erstattet worden war, als Kirchensteuer-Erstattungsüberhang und erhöhte so den Gesamtbetrag der Einkünfte. Der Kläger wandte dagegen ein, dass kein Überhang vorliege. Da er im Jahr 2012 keine Kirchensteuer-Zahlungen geleistet habe, sei eine Verrechnung von Erstattungen und Zahlungen nicht möglich. Außerdem setze eine Hinzurechnung eines Erstattungsüberhangs einen vorherigen Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgabe voraus. Daran fehle es, soweit der Erstattungsbetrag auf den in 2009 gezahlten Kirchensteuer-Vorauszahlungen beruhe.
  • Nach Auffassung des Finanzgerichts ist die Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs zu Recht erfolgt. Die Annahme eines Erstattungsüberhangs setze keine Zahlung von Kirchensteuer im Erstattungsjahr voraus. Der vom Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgte Vereinfachungszweck spreche eindeutig dafür, dass ein Erstattungsüberhang auch in Fällen einer fehlenden Kirchensteuerzahlung im Erstattungsjahr vorliege. Der Hinzurechnung stehe auch nicht entgegen, dass sich die Kirchensteuer-Zahlung im Jahr 2009 steuerlich nicht als Sonderausgabe ausgewirkt habe. Voraussetzung für die Hinzurechnung sei allein das Vorliegen eines Erstattungsüberhangs. Es komme nicht darauf an, ob sich die Aufwendungen im Zahlungsjahr tatsächlich als Sonderausgaben steuermindernd ausgewirkt haben. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis lasse sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen und ließe sich auch nicht mit dem Vereinfachungszweck der Regelung vereinbaren.

Weitere Informationen: Kirchensteuer als Sonderausgaben absetzbar

 

X. Ausland

1. Grenzgänger Schweiz:
Umrechnungskurs für die Einkommensteuer 2019

Grenzgänger in die Schweiz sind mit ihrem Arbeitslohn grundsätzlich in Deutschland steuerpflichtig und müssen hier eine Einkommensteuererklärung abgeben. Die Schweiz ist berechtigt, eine Quellensteuer von bis zu 4,5 % einzubehalten. Diese Vorab-Steuer wird auf die deutsche Jahressteuer angerechnet. Um einen höheren Steuerabzug in der Schweiz zu vermeiden, benötigen Grenzgänger eine vom Finanzamt ausgestellte Ansässigkeitsbescheinigung.

Arbeitnehmer, die ihren Arbeitslohn in fremder Währung - also in Schweizer Franken - erhalten, müssen das Jahresgehalt in der Steuererklärung - "Anlage N" - in der ausländischen Währung eintragen, ebenso den Jahresbetrag an einbehaltener Quellensteuer. Zusätzlich ist die "Anlage N-Gre" auszufüllen. Das Finanzamt nimmt dann die Umrechnung in Euro vor, und zwar jahresbezogen, nicht monatsbezogen! Dabei verwendet sie einen jahresbezogenen Umrechnungskurs.

AKTUELL gibt die Finanzverwaltung den jahresbezogenen Umrechnungskurs für die Steuerveranlagung 2019 bekannt: Er beträgt 89,50 EUR für 100 CHF. Im Jahre 2018 hat er noch 86,50 EUR betragen, im Jahre 2017 waren es ebenfalls 89,50 EUR.

Schweizer Grenzgänger müssen aufgrund des hohen Umrechnungskurses wie auch aufgrund der Neuregelung hinsichtlich der Pensionskassenbeiträge mit erheblichen Steuernachzahlungen rechnen. Es ist daher ratsam, die Steuervorauszahlungen zu überprüfen und bei Bedarf an den gestiegenen Umrechnungskurs anpassen zu lassen.

Weitere Informationen: Umrechnung ausländischer Währungen in Euro

 

2. Krankengeld:
Krankentagegeld aus Schweizer Versicherung progressionsfrei

Im Falle einer länger dauernden Arbeitsunfähigkeit haben Arbeitnehmer nach Auslaufen der Gehaltsfortzahlung von 6 Wochen durch den Arbeitgeber Anspruch auf Krankengeld von der Krankenversicherung. Diese Leistung wird steuerlich unterschiedlich behandelt:

  • Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung ist steuerfrei (§ 3 Nr. 1a EStG), wird aber in den Progressionsvorbehalt einbezogen (§ 32b Abs. 1 Nr. 1b EStG). Das bedeutet, dass der Steuersatz, der auf das übrige Einkommen angewandt wird, höher wird und so zu einer Steuermehrbelastung führt.
  • Krankengeld aus einer privaten Krankenversicherung ist steuerfrei und wird nicht in den Progressionsvorbehalt einbezogen (R 32b Abs. 1 Satz 3 EStR). Dies ist nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs rechtens. "Die Einbeziehung des Krankengeldes lediglich gesetzlicher Krankenkassen und nicht privater Krankenkassen in den Progressionsvorbehalt verstößt nicht gegen das Grundgesetz" (BFH-Urteil vom 26.11.2008, X R 53/06; BFH-Urteil vom 13.11.2014, III R 36/13).

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass Krankentagegelder einer Schweizer Kollektiv- oder Einzel-Krankentaggeldversicherung steuerfrei sind und nicht in den Progressionsvorbehalt einbezogen werden, d.h. sie erhöhen nicht den Steuersatz (FG Baden-Württemberg vom 8.5.2019, 14 K 2647/18 und 14 K 1955/18).

  • Der Fall: Die Kläger wohnten in Deutschland und waren bei einem Schweizer Arbeitgeber beschäftigt. Als Grenzgänger waren sie in Deutschland steuerpflichtig. Die Arbeitgeber hatten eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung zugunsten der Mitarbeiter abgeschlossen. Die Kläger wurden jeweils krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Ihre Arbeitgeber zahlten jeweils "Krankentaggeld" aus und verrechneten dieses mit den von der Versicherung an sie ausgezahlten Krankentaggelder. In beiden Verfahren endete das Arbeitsverhältnis der Kläger. Das Finanzamt unterwarf die steuerfreien Krankentaggeldzahlungen dem Progressionsvorbehalt. Dadurch erhöhte sich der Steuersatz und damit auch die Einkommensteuer.
  • Nach Auffassung der Richter handelt es sich bei den Zahlungen aufgrund Kollektiv- oder Einzel-Krankentaggeldversicherung um Leistungen privater Krankenversicherungen. Diese sind steuerfrei und erhöhen den Steuersatz nicht. Denn in die Steuersatzermittlung einzubeziehen sind nach dem Wortlaut des § 32b Abs. 1 Nr. 1k EStG nur dem deutschen Krankengeld vergleichbare Leistungen Schweizer Rechtsträger. Krankentaggeld gehöre jedoch nicht zum (gesetzlichen) Leistungsumfang Schweizer Krankenkassen. Handle es sich um Leistungen privater Versicherungen, seien sie nicht mit Leistungen inländischer öffentlicher Kassen vergleichbar.
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