Im Zuge der Grundsteuerreform müssen 36 Millionen "wirtschaftliche Einheiten" neu bewertet werden, um die Grundsteuer zum 1.1.2025 verfassungskonform festsetzen zu können. Beim so genannten Bundesmodell, das die meisten Bundesländer anwenden, sollen die Grundstücks- bzw. Grundsteuerwerte möglichst realistisch, das heißt nah an den Verkehrswerten, ermittelt und festgestellt werden. Allerdings basiert auch das Bundesmodell auf Pauschalierungen und kann nicht jede Eventualität abbilden. Und so gibt es Grundstücke, für die viel zu hohe Grundsteuerwerte festgesetzt werden und damit eine vollkommen übermäßige Grundsteuer droht. Das Gesetz sieht allerdings keine Möglichkeit vor, individuell per Gutachten nachgewiesene Grundsteuerwerte anzusetzen. Wie im SteuerSparbrief Juli-August 2024 berichtet, hat der Bundesfinanzhof im Rahmen zweier Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall und unter bestimmten Bedingungen doch die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen. Mit verfassungsrechtlichen Zweifeln bezüglich der zugrundeliegenden Bewertungsregeln hat sich der BFH allerdings nicht befasst (BFH-Beschlüsse vom 27.5.2024, II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV)). AKTUELL haben sich die betroffenen Bundesländer darauf verständigt, den Nachweis eines niedrigeren Grundsteuerwerts zu akzeptieren, diesen Nachweis allerdings an gewisse Voraussetzungen geknüpft (Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass vom 24.6.2024, S 3017). Es gilt unter anderem:
  • Der Ansatz des nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Werts, also des "echten" Verkehrswertes, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Soweit sich im Einzelfall ein Unterschied zwischen dem pauschaliert ermittelten Grundsteuerwert und dem tatsächlichen Wert ergibt, ist dies aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Wertermittlung des Bewertungsgesetzes hinzunehmen. Es kann aber das Übermaßverbot verletzt sein, wenn sich der pauschalierte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Ein für die - gesamte - wirtschaftliche Einheit nachgewiesener niedrigerer gemeiner Wert ist anzusetzen, wenn der pauschaliert ermittelte Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 Prozent übersteigt.
  • Den Steuerpflichtigen trifft die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert und nicht eine bloße Darlegungslast. Als Nachweis kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen.
  • Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann darüber hinaus der Kaufpreis dienen, wenn das entsprechende Grundstück innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt veräußert worden ist. Der Kaufvertrag muss aber "im gewöhnlichen Geschäftsverkehr", üblicherweise also unter fremden Dritten, abgeschlossen worden sein.
  • Wurde der Grundsteuerwert bereits bestandskräftig festgestellt und ist die Feststellung nicht mehr nach den Korrekturvorschriften der Abgabenordnung änderbar, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung (§ 222 Abs. 3 BewG) vorliegen. Bei Durchführung der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung ist die Wertfortschreibungsgrenze (§ 222 Abs. 1 BewG) zu beachten.
  • Ab sofort ist Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts zu entsprechen, wenn und soweit schlüssig dargelegt wird, dass der Grundsteuerwert den Verkehrswert um mindestens 40 Prozent übersteigt. Bei der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist die Vorlage eines Verkehrswertgutachtens noch nicht erforderlich. Substantiierten Angaben des Steuerpflichtigen zur Höhe des Verkehrswerts ist zu folgen. Es bestehen keine Bedenken, als Ergebnis der summarischen Prüfung vorbehaltlich anderweitiger Erkenntnisse 50 Prozent des Grundsteuerwerts von der Vollziehung auszusetzen. Die Aussetzung der Vollziehung soll angemessen befristet und der Steuerpflichtige zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (z.B. durch Vorlage eines Gutachtens) innerhalb dieser Frist aufgefordert werden.
  • Infolge der Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuerwertbescheides ist auch die Vollziehung des hierauf beruhenden Grundsteuermessbescheides (ggf. anteilig) auszusetzen (§ 361 Abs. 3 Satz 1 AO). Dies gilt unabhängig davon, ob auch gegen diesen Grundsteuermessbescheid ein Einspruch mit Antrag auf Aussetzung der Vollziehung anhängig ist. Die betroffenen Kommunen sind auf geeignete Art und Weise über die Aussetzung zu unterrichten.

STEUERRAT: Der Erlass ist erfreulich, vor allem auch, weil er sehr zeitnah nach Ergehen der BFH-Beschlüsse veröffentlicht wurde. Er sagt aber - ebenso wie die Beschlüsse des BFH - noch nichts darüber aus, ob die Grundsteuerreform insgesamt verfassungskonform ist. Wahrscheinlich wird hierüber eines Tages das Bundesverfassungsgericht befinden müssen. Im Übrigen darf nicht verkannt werden, dass der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts per Gutachten sehr teuer sein kann. Kosten von 3.000 EUR bis 5.000 EUR dürften keine Seltenheit sein. Und auf diesen Kosten bleiben die Steuerpflichtigen aller Voraussicht nach selbst dann sitzen, wenn das Gutachten anerkannt wird. Da wird die Freude über eine eventuellen niedrigeren Grundsteuerwert doch erheblich getrübt. Es wäre daher wünschenswert, wenn die Finanzverwaltung auch günstigere Gutachten, insbesondere Online-Gutachten, die zum Teil schon für 500 EUR zu haben sind, akzeptieren würde.

STEUERRAT: Das Bundesmodell wenden an: Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und das Saarland.

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