Zum Hintergrund:
Wenn Sie gemeinsam mit anderen Personen eine oder mehrere Immobilien vermieten, also als Personengesellschaft (GbR, KG) tätig sind, sollten Sie eine fiese Steuerfalle kennen, die unter den Namen "Abfärberegelung" oder "Infektionstheorie" daherkommt. Sie besagt, dass Ihre Vermietungseinkünfte komplett zu gewerblichen Einkünften werden, wenn Sie in der Gesellschaft auch gewerbliche Einnahmen erzielen. Die gewerblichen Einkünfte färben dann auf die Vermietungseinkünfte ab oder infizieren sie. Folge: Die Einkünfte, auch aus der Vermietung, werden vollständig zu gewerblichen Einkünften und die Immobilien werden zu Betriebsvermögen. Selbst bei einem Verkauf einer Immobilie nach mehr als zehn Jahren, also außerhalb der Spekulationsfrist, muss dann ein Gewinn versteuert werden. Vielleicht denken Sie jetzt, dass das alles doch sehr abstrakt klingt und Sie nicht betroffen sind. Aber: Gewerbliche Einkünfte werden auch aus dem Betrieb einer Fotovoltaikanlage erzielt - und diese können auf die Vermietungseinkünfte abfärben.
Erst kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die gewerbliche Infizierung oder Abfärbung selbst dann eintritt, wenn eine GbR neben der reinen Vermietungstätigkeit nur eine Fotovoltaikanlage betreibt, aus der sie Verluste erwirtschaftet (BFH-Urteil vom 30.6.2022, IV R 42/19). Doch hier sorgt die Neuregelung durch das Jahressteuergesetz 2022 für ein Aufatmen: Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften, deren Fotovoltaikanlagen gewisse Größen nicht überschreiten, soll bzw. wird nun keine gewerbliche Infizierung mehr eintreten, sofern diese lediglich durch den Betrieb einer - nunmehr begünstigten - Fotovoltaikanlage eintreten würde (§ 3 Nr. 72 Satz 3 EStG). Allerdings gilt dies erst ab 2022! Die bereits eingetretene gewerbliche Infizierung der Vorjahre kann nicht geheilt werden. Oder besser ausgedrückt: Eine in den Vorjahren eingetretene gewerbliche Infizierung entfällt nun zwangsweise!
Beispiel 1:
Einer GbR gehören mehrere Mietwohnimmobilien; sie ist rein vermögensverwaltend. Seit dem 1.7.2022 betreibt die GbR eine Fotovoltaikanlage mit 15 kWp auf einem ihrer Gebäude.
Der Betrieb der Fotovoltaikanlage ist steuerfrei. Aufgrund der Regelung des § 3 Nr. 72 Satz 3 EStG tritt auch keine "gewerbliche Infizierung" der Vermietungseinkünfte ein. Folge: Mangels gewerblicher Infizierung erzielt die GbR weiterhin nur Vermietungseinkünfte und ihre Immobilien gehören im Regelfall nicht zu einem Betriebsvermögen. Die GbR muss steuerlich nichts weiter veranlassen.
Beispiel 2:
Einer GbR gehören mehrere Mietwohnimmobilien; sie ist eigentlich rein vermögensverwaltend. Allerdings betreibt die GbR bereits seit fünf Jahren eine Fotovoltaikanlage mit 15 kWp. Sie erzielt aufgrund der Abfärberegelung bzw. gewerblichen Infizierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG daher insgesamt gewerbliche Einkünfte und ihr gesamtes Vermögen, also auch das Immobilienvermögen, gehört zum Betriebsvermögen - es ist "steuerverhaftet".
Aufgrund der Steuerfreiheit der Fotovoltaikanlage ab 2022 könnte die gewerbliche Infizierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nun entfallen (§ 3 Nr. 72 Satz 3 EStG). Folge: Mangels gewerblicher Infizierung könnte das Immobilienvermögen auf einen Schlag als entnommen gelten. Schließlich ist die Neuregelung des § 3 Nr. 72 EStG keine "Kann-", sondern eine "Muss-Vorschrift".
Die Übergangsregelung:
Das BMF verfügt zu diesem Thema in seinem Schreiben vom 17.7.2023 (IV C 6 - S 2121/23/10001 :001): In Fällen wie dem obigen sind sämtliche Wirtschaftsgüter, insbesondere die Gebäude, auf, an oder in dem sich eine Fotovoltaikanlage befindet, mit Ausnahme der Fotovoltaikanlagen, in 2022 zu entnehmen. Aus Vertrauensschutzgründen wird von einer Entnahme abgesehen, wenn die Verstrickung der stillen Reserven bis zum 31. Dezember 2023 aus anderen Gründen wiederhergestellt ist.
STEUERRAT: Man mag die Auffassung der Finanzverwaltung mit guten Gründen kritisieren. Aber: Vermögensverwaltende GbRs oder KGs, die in der Vergangenheit allein aufgrund des Betriebs einer Fotovoltaikanlage gewerblich infiziert wurden, und bei denen hohe stille Reserven schlummern, sollten bis Ende 2023 handeln! Beispielsweise sollten sie noch vor dem Jahreswechsel in eine GmbH & Co. KG umgewandelt werden, um keinen steuerlichen Super-GAU zu produzieren. Zumindest sollten Betroffene bis Ende 2023 ihren steuerlichen Berater konsultieren, um mit ihm das weitere Vorgehen zu besprechen.
Weitere Informationen: Fotovoltaik: Ertragsteuerliche Befreiung für kleine Anlagen ab 2022