Zunächst zum Hintergrund: Verluste aus dem Verkauf von Aktien sind zwar steuerlich abziehbar, doch es gibt hier - nach derzeitigem Recht - eine wichtige Einschränkung: Die Verluste dürfen nämlich nicht mit allen positiven Kapitalerträgen, z.B. mit Zins- und Dividendeneinkünften, und schon gar nicht Gewinnen aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden, sondern nur mit Gewinnen aus dem Verkauf von Aktien - und zwar im selben Jahr und darüber hinaus in den folgenden Jahren (§ 20 Abs. 6 Satz 4 EStG). Dies gilt für Aktien, die seit dem 1.1.2009 gekauft wurden (§ 52 Abs. 28 Satz 11 EStG).
Für Aktien, die vor dem 1.1.2009 gekauft wurden, gilt weiterhin die damalige Rechtslage - und zwar zeitlich unbegrenzt. Das bedeutet: Bei Verkauf (nach Ablauf der Spekulationsfrist von 12 Monaten) bleibt der Veräußerungsgewinn steuerfrei und ein Veräußerungsverlust steuerlich unbeachtlich. Vorausgesetzt natürlich, der Verkauf erfolgt aus dem Privat- und nicht aus dem Betriebsvermögen heraus.
Ende 2020 hat der Bundesfinanzhof Zweifel bekommen, ob es verfassungsgemäß ist, dass Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen. Zur Klärung hat der BFH die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (BFH-Beschluss vom 17.11.2020, VIII R 11/18).
AKTUELL verfügt das Bundesfinanzministerium, dass Steuerbescheide, in denen der Verlustausgleich bei Aktienveräußerungen streitig ist, in dem betreffenden Punkt vorläufig ergehen. Kapitalanleger müssen also keinen Einspruch gegen die entsprechenden Steuerbescheide einlegen (BMF-Schreiben vom 31.1.2022, V A 3-S 0338/19/10006 :001).
Doch Vorsicht:
- Bevor Steuerbescheide wegen der Verlustverrechnung bei Aktien überhaupt vorläufig ergehen können, müssen Sie zu den Aktienverlusten eine Verlustbescheinigung Ihrer Bank haben. Diese können Sie aber nur jeweils bis zum 15. Dezember für das laufende Jahr beantragen (§ 43a Abs. 3 Sätze 4 und 5 EStG).
- Anschließend müssen Sie die Anlage KAP zur Steuererklärung ausfüllen. Die nicht ausgeglichenen Verluste aus der Veräußerung von Aktien müssen Sie dazu in Zeile 13 der Anlage KAP eintragen. Beantragen Sie zudem eine "Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge" (Zeile 5) und gegebenenfalls die "Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge" (Zeile 4). Prüfen Sie anschließend in Ihrem Steuerbescheid, ob dieser tatsächlich vorläufig ergangen ist wegen der "Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste nach § 20 Absatz 6 Satz 4 EStG (§ 20 Absatz 6 Satz 5 EStG a.F.)".
- Bitte beachten Sie, dass der Steuerbescheid tatsächlich nur in diesem bestimmten Punkt vorläufig ergeht, soweit er die Besteuerung Ihrer Kapitaleinkünfte betrifft. Und es geht auch nur um die Frage der Verfassungsmäßigkeit.
STEUERRAT: Sind Sie der Meinung, dass auch andere Fragen rund um die Kapitaleinkünfte streitig sind, so müssen Sie dennoch Einspruch einlegen. Das könnte zum Beispiel die Höhe des Verlustausgleichs bei wertlos gewordenen Aktien betreffen. Verluste durch Ausbuchung oder Veräußerung wertlos gewordener Aktien (und anderer Wertpapiere) dürfen seit dem 1.1.2020 nur bis 20.000 EUR mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Diese betragsmäßige Einschränkung wird vielfach kritisiert, auch wenn derzeit noch kein Verfahren vor einem Finanzgericht ersichtlich ist. Jedenfalls betrifft der aktuelle Vorläufigkeitsvermerk diese mögliche Streitfrage und auch andere Probleme nicht.
Weitere Informationen: Ausfüllhilfe zu Anlagen KAP, KAP-BET und KAP-INV - Einkünfte aus Kapitalvermögen - 2021