- Der Fall: Der Ehemann erwarb im Jahr 2005 das Alleineigentum an einem unbebauten Grundstück. Im Jahr 2008 führte die Stadt ein Bodensonderungsverfahren durch und erließ dabei in Bezug auf das Grundstück einen sog. Sonderungsbescheid gegenüber dem Ehemann, infolgedessen das Eigentum auf die Stadt übergehen sollte. Als Entschädigung für den Eigentumsübergang zahlte die Stadt einen Betrag von 600.000 EUR an den Ehemann. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Enteignung des Grundstücks durch die Stadt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft darstellt, da zwischen Erwerb und Enteignung weniger als zehn Jahre vergangen seien und deshalb ein Veräußerungsgewinn von rund 175.000 EUR zu versteuern sei. Drei Jahre später sind dann sogar noch einmal 43.500 EUR versteuert worden, da die Entschädigungssumme nach einem Klageverfahren erhöht worden ist.
- Nach Auffassung der BFH-Richter ist die hoheitliche Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf die Stadt nicht als Veräußerungsgeschäft anzusehen. Die Begriffe "Anschaffung" und "Veräußerung" würden entgeltliche Erwerbs- und Übertragungsvorgänge erfassen, die wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen; sie müssen Ausdruck einer wirtschaftlichen Betätigung sein. An einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person fehle es, wenn - wie im Falle einer Enteignung - der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen (und ggf. auch gegen seinen Willen) stattfindet. Diese am Wortlaut orientierte Gesetzesauslegung entspreche dem historischen Willen des Gesetzgebers; sie sei auch vor dem Hintergrund eines systematischen Auslegungsansatzes folgerichtig.
HINWEIS: Bislang zumeist folgender Grundsatz (zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung): Erfolgt innerhalb der "Spekulationsfrist" ein Grundstücksverkauf, ist ein "Spekulationsgewinn" grundsätzlich ohne Ansehung des Motivs für den Verkauf zu bejahen. Es kommt weder auf eine "Spekulationsabsicht" an noch ist erheblich, ob die Veräußerung durch Krankheit, drohende Enteignung oder sonstigen Zwang bedingt war. In diesem Sinne hatte vor Jahren auch das Finanzgericht Hessen entschieden (Urteil vom 19.5.2008, 5 K 477/06). Insofern ist das aktuelle BFH-Urteil durchaus zu begrüßen.
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