AKTUELL hat das Niedersächsische Finanzgericht wie folgt entschieden: Die unmittelbare elektronische Erfassung der Fahrtwege eines betrieblichen Fahrzeugs durch ein technisches System reicht zur Führung eines Fahrtenbuches nicht aus. Neben dem Bewegungsprofil müssen die Fahrtanlässe ebenfalls zeitnah erfasst werden. Eine technische Lösung, die auch nach Jahren noch Änderungen zulässt, kann nicht als elektronisches Fahrtenbuch anerkannt werden (Urteil vom 23.1.2019, 3 K 107/18).
- Der Fall soll hier etwas ausführlicher dargestellt werden, da er wohl viele Nutzer von Dienst- und Geschäftswagen betreffen kann: Der Kläger nutzte einen Dienstwagen seines Arbeitgebers und führte ein elektronisches Fahrtenbuch. Dies bestand aus dem oben erwähnten OBD-2-Stecker mit einem GPS-Empfänger, der über das Mobilfunknetz jeweils die aktuelle Position und die Bewegungsdaten auf einem zentralen Server aufzeichnet. Der Nutzer erhält einen Online-Zugang zu den Daten und kann den Fahrten mittels der zugehörigen Software einen vordefinierten Fahrtzweck zuordnen oder einen individuellen Fahrzweck eintragen. Diese Zuordnungen bleiben nach der Ersterfassung zunächst frei änderbar. Der Anwender kann aber auch eine sogenannte frei bestimmbare Periode (eine Woche, einen Monat o.ä.) final bearbeiten und dann in dem Programm abschließen, so dass die vom Anwender ergänzten Daten danach nicht mehr veränderbar sind. Dazu muss er zwingend den tatsächlichen Kilometerstand des Fahrzeuges laut Fahrzeugtacho ablesen und in der Software eingeben. Die Software vergleicht anschließend den rechnerisch unter Verwendung der GPS-Funktion ermittelten Kilometerstand des Fahrzeugs mit dem abgelesenen Kilometerstand des Fahrzeugs und erfasst bei Abweichungen von mehr als 5 % ggf. eine zusätzliche (private) Fahrt, die dann noch editiert werden kann. Abweichungen zwischen den Kilometerständen können u.a. durch den Ausfall des Gerätes (kein Strom, kein GPS-Signal) oder durch das manuelle Abschalten des Steckmoduls, ein Herausrutschen des Steckmoduls durch Erschütterungen oder Herausziehen des Steckmoduls entstehen. Das elektronisch geführte/ergänzte Fahrtenbuch kann nach dem Abschluss einer Periode in eine ebenfalls nicht veränderbare PDF-Datei übertragen werden.
- Trotz der digitalen Erfassung stellte das Finanzamt aber Mängel des Fahrtenbuches fest: Der im Fahrtenbuch enthaltene Kilometerstand entsprach zum Beispiel nicht den Kilometerständen laut Werkstattrechnungen. Anlass bzw. der Zweck von Fahrten seien teilweise unzutreffend beschrieben und teilweise mögliche private Fahrtunterbrechungen nicht hinreichend gekennzeichnet worden. Offenbar hat der Kläger die Fahrten zu spät eingetragen und konnte sich dann nicht mehr im Einzelnen an die Fahrtanlässe erinnern. Das Finanzamt verwarf daher die Fahrtenbücher und erhöhte den Bruttoarbeitslohn des Klägers unter Anwendung der Ein-Prozent-Pauschalregelung. Die entsprechende Klage blieb erfolglos.
- Die Begründung des Gerichts: Weisen die Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, könne dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen. Im Streitfall habe der Kläger nicht nachgewiesen, das Fahrtenbuch überhaupt zeitnah und ordnungsgemäß geführt zu haben, die Kilometerstände zum Ende der privaten bzw. dienstlichen Fahrten nicht nachgewiesen und Fahrtanlässe nicht korrekt beschrieben. Es reiche nicht aus, dass nur die Fahrten mit den per GPS ermittelten Geo-Daten selbst zeitnah aufgezeichnet worden sind. Vielmehr müssten alle Angaben, die für ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erforderlich sind, zeitnah in das Fahrtenbuch eingetragen werden. Daher seien die Fahrtenbücher zu verwerfen.
- Das Steckmodul und die dazugehörige Datenbank haben nur die Fahrten mit den durch das GPS-Modul ermittelbaren Angaben (Ort und Zeit des Beginns und des Endes der Fahrt) der Fahrten, die nicht als privat gekennzeichnet worden sind, im Rahmen der technischen Verfügbarkeit des Gerätes (nicht ausgeschaltet und nicht gestört) aufgezeichnet und in einer zentralen Datenbank gespeichert. Die zusätzlich unverzichtbaren Angaben zu den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartnern oder - wenn solche nicht vorhanden sind - die Angabe des konkreten Gegenstandes der dienstlichen Verrichtung mussten von dem Anwender ergänzt werden. Diese Angaben konnte das Programm ohne die Mitwirkung des Klägers den Fahrten nicht zuordnen. Diese unerlässlichen Ergänzungen zu den betrieblichen Anlässen der Fahrten müssen für ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch ebenfalls zeitnah erfolgen. Die Fahrtenbücher des Klägers enthielten jedoch keine Angaben dazu, wann diese Angaben zu den Fahrtanlässen in der Datenbank ergänzt worden sind.
- Die vorgelegten Fahrtenbücher seien überdies insgesamt als nicht ordnungsgemäß zu verwerfen, weil der Kläger die tatsächlichen Kilometerstände nach den Tachos der Fahrzeuge niemals im Streitzeitraum den rechnerisch ermittelten Tachoständen in den Daten des elektronischen Fahrtenbuches gegenübergestellt hat.
STEUERRAT: Die Entscheidung verdeutlicht, dass auch elektronische Fahrtenbücher zeitnah und vollständig zu führen sind und den Finanzämtern Ungereimtheiten schnell auffallen. So werden Werkstattrechnungen oder aber auch eingereichte Bewirtungsbelege mit den Angaben verglichen. Kilometer- und Ortsangaben sollten damit übereinstimmen. Zur "zeitnahen Aufzeichnung" hat sich das BMF mit Schreiben vom 4.4.2018 (BStBl 2018 I S. 592, Tz. 3.2) wie folgt geäußert: “Es bestehen keine Bedenken, ein elektronisches Fahrtenbuch, in dem alle Fahrten automatisch bei Beendigung jeder Fahrt mit Datum, Kilometerstand und Fahrtziel erfasst werden, jedenfalls dann als zeitnah geführt anzusehen, wenn der Fahrer den dienstlichen Fahrtanlass (Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner) innerhalb eines Zeitraums von bis zu sieben Kalendertagen nach Abschluss der jeweiligen Fahrt in einem Webportal einträgt und die übrigen Fahrten dem privaten Bereich zugeordnet werden.” Gegen das aktuelle Urteil liegt übrigens mittlerweile die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI B 25/19 vor. Berufen Sie sich im Fall der Fälle auf diese Rechtssache und beantragen Sie ein Ruhen Ihres eigenen Verfahrens.