1. Aktuelle Rechtsprechung
Das Finanzgericht Münster hat sich mit dem Thema "Bonuszahlungen" befasst und wie folgt entschieden: Bonuszahlungen einer (gestzlichen) Krankenversicherung mindern als Beitragsrückerstattungen den Sonderausgabenabzug jedenfalls dann, wenn die Zahlungen ohne Nachweis von gesundheitsbezogenen Aufwendungen erbracht werden (Urteil vom 13.6.2018, 7 K 1392/17 E).
- Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger erhielten im Streitjahr 2015 Zahlungen aus einem Bonusprogramm ihrer Krankenkasse, die sich jeweils aus einem Sofortbonus (50 EUR) und einem Vorsorgebonus (100 EUR) zusammensetzten. Nach dem Bonusprogramm waren hierfür mehrere Maßnahmen aus einem Maßnahmenkatalog Voraussetzung (z.B. Nichtraucher, Impfschutz, Zahnvorsorge). Für bestimmte sportliche Maßnahmen (z.B. Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio) gewährte die Krankenkasse einen Sportbonus in Höhe von 75 EUR, den die Kläger im Streitjahr jedoch nicht erhielten. Das Finanzamt behandelte die Bonuszahlungen als Beitragsrückerstattungen und minderte den Sonderausgabenabzug der Kläger für 2015 um insgesamt 300 EUR. Hiergegen wandten die Kläger ein, dass es sich um Leistungen der Krankenkasse handele, weil sie Aufwendungen für eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio getragen hätten. Hierbei handele es sich um Gesundheitsmaßnahmen.
- Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Sonderausgabenabzug für 2015 sei um 300 EUR zu mindern, weil die Kläger in dieser Höhe nicht endgültig wirtschaftlich belastet seien. Es handele sich nicht um die Erstattung von Gesundheitsaufwendungen. Zwar hätten die Kläger Zahlungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio geleistet. Die Bonuszahlungen stünden hiermit jedoch nicht in einem Zusammenhang, weil die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio nicht Voraussetzung für die Gewährung des Sofortbonus bzw. des Vorsorgebonus sei. Ob und in welchem Umfang die Kläger andere Aufwendungen zur Erfüllung der Bonuszahlungen getragen haben, hätten sie nicht nachgewiesen.
Im Übrigen hat das Hessische Finanzgericht entschieden, dass der Erhalt einer so genannten TK-Dividende der Techniker Krankenkasse als Beitragsrückerstattung zu werten ist, die den Sonderausgabenabzug mindert (Urteil vom 22.2.2018, 4 K 174/17). Mit der TK-Dividende wurden Überschüsse an die Versicherten zurückgegeben, nachdem die Rücklagen bis zur gesetzlich zugelassenen Grenze aufgefüllt waren. Auch weil über die TK-Dividende laut der Broschüre "Fragen und Antworten zur Dividende" frei verfügt werden kann, handele es sich nicht um eine Bonusleistung, sondern um eine Prämienzahlung.
Entschieden wurde zudem folgender Fall: Von einer Krankenkasse werden an die Versicherten bei einem Wahltarif gemäß § 53 Abs. 1 SGB V Prämienzahlungen dafür geleistet, dass der Versicherte einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Krankheitskosten übernimmt. Das FG Berlin-Brandenburg hat hierin auch Beitragsrückerstattungen gesehen, die die abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge mindern (Urteil vom 10.10.2017, 6 K 6119/17). Diese Auffassung hat der BFH bestätigt (BFH-Urteil vom 6.6.2018, X R 41/17).
AKTUELL hat der Bundesfinanzhof im Übrigen folgendes - positives - Urteil gefällt: Die von einer gesetzlichen Krankenkasse gewährte Geldprämie (Bonus) für gesundheitsbewusstes Verhalten mindert nicht den Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge, sofern hierdurch ein finanzieller Aufwand des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise ausgeglichen wird. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Bonus pauschal ermittelt wird (BFH-Urteil vom 6.5.2020, X R 16/18).
- Der Fall: Der gesetzlich krankenversicherte Kläger hatte von seiner Krankenkasse für "gesundheitsbewusstes Verhalten“ Boni von insgesamt 230 EUR erhalten, u.a. für einen Gesundheits-Check-up, eine Zahnvorsorgeuntersuchung, die Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio und Sportverein sowie für den Nachweis eines gesunden Körpergewichts. Das Finanzamt behandelte die Boni im Hinblick auf deren rein pauschale Zahlung als Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen und minderte den Sonderausgabenabzug des Klägers. Demgegenüber wertete das Finanzgericht die Zahlungen als Leistungen der Krankenkasse, die weder die Sonderausgaben beeinflussten, noch als sonstige Einkünfte eine steuerliche Belastung auslösten.
- Der BFH nimmt in seiner Entscheidung, mit der er seine bisherige Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung von Bonuszahlungen gemäß § 65a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (siehe oben: Urteil vom 1.6.2016, X R 17/15, BStBl II 2016, 989) weiterentwickelt, eine differenzierte Betrachtung vor. Danach mindern auch solche Boni, die nicht den konkreten Nachweis vorherigen Aufwands des Steuerpflichtigen für eine bestimmte Gesundheitsmaßnahme erfordern, sondern nur pauschal gewährt werden, nicht den Sonderausgabenabzug. Sie sind zudem nicht als steuerlich relevante Leistung der Krankenkasse anzusehen. Voraussetzung ist allerdings weiterhin, dass die jeweils geförderte Maßnahme beim Steuerpflichtigen Kosten auslöst und die hierfür gezahlte und realitätsgerecht ausgestaltete Pauschale geeignet ist, den eigenen Aufwand ganz oder teilweise auszugleichen. Nimmt der Steuerpflichtige dagegen Vorsorgemaßnahmen in Anspruch, die vom Basiskrankenversicherungsschutz umfasst sind (z.B. Schutzimpfungen, Zahnvorsorge), fehlt es an eigenem Aufwand, der durch einen Bonus kompensiert werden könnte. In diesem Fall liegt eine den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattung der Krankenkasse vor. Gleiches gilt für Boni, die für den Nachweis eines aufwandsunabhängigen Verhaltens oder Unterlassens (bspw. gesundes Körpergewicht, Nichtraucherstatus) gezahlt werden.
STEUERRAT: In Fällen, in denen Zahlungen nicht als Beitragsrückerstattungen gelten, sollte darauf geachtet werden, dass keine Minderung des Sonderausgabenabzugs erfolgt. Zwar sollte dies aufgrund der entsprechenden Übermittlungen der Krankenversicherungen automatisch geschehen. Leider werden aber immer noch nicht alle Daten von den Krankenversicherungen korrekt an die Finanzämter übertragen. Letztlich bedeutet dies, dass Sie doch prüfen müssen, welche Daten dem Finanzamt vorliegen, also ob die Bonuszahlungen als Beitragsrückerstattung gewertet worden sind - oder eben nicht.
2. Neue Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung
Das Bundesfinanzministerium hat im Anschluss an das oben genannte Urteil des Bundesfinanzhofs erneut zur Abgrenzung von Bonuszahlungen und Beitragsrückerstattungen Stellung bezogen (BMF-Schreiben vom 16.12.2021, BStBl 2022 I S. 155). Danach gilt unter anderem:
- Beitragsrückerstattungen, die den Sonderausgabenabzug mindern, sind auch Prämienzahlungen nach § 53 SGB V. Das sind zum Beispiel Prämien für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen. Wird der Vorteil in Form von Bonuspunkten gewährt, sind diese in Euro umzurechnen und als Beitragsrückerstattung zu melden. Boni für familienversicherte Bonusprogrammteilnehmer sind dem Stammversicherten zuzurechnen.
- Eine Beitragsrückerstattung liegt zudem vor, wenn sich ein Bonus der gesetzlichen Krankenkasse auf eine Maßnahme bezieht, die vom Basiskrankenversicherungsschutz umfasst ist (insbesondere gesundheitliche Vorsorge- oder Schutzmaßnahmen, z.B. zur Früherkennung bestimmter Krankheiten) oder für aufwandsunabhängiges Verhalten (z.B. Nichtraucherstatus, gesundes Körpergewicht) gezahlt wird.
- Werden von der gesetzlichen Krankenkasse im Rahmen eines Bonusprogramms nach § 65a SGB V Kosten für Gesundheitsmaßnahmen erstattet bzw. bonifiziert, die nicht im regulären Versicherungsumfang des Basiskrankenversicherungsschutzes enthalten sind (z.B. Osteopathie-Behandlung) bzw. der Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens dienen (z.B. Mitgliedschaft in einem Sportverein oder einem Fitnessstudio) und von den Versicherten privat finanziert werden bzw. worden sind, handelt es sich nicht um eine Beitragsrückerstattung. Die als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge sind daher nicht um den Betrag der Kostenerstattung bzw. des darauf entfallenden Bonus zu mindern. Eine pauschale Bonusleistung muss die tatsächlich entstandenen bzw. entstehenden Kosten nicht exakt abdecken.
STEUERRAT: Aus Vereinfachungsgründen darf davon ausgegangen werden, dass Bonuszahlungen, die auf der Grundlage von § 65a SGB V geleistet werden, bis zur Höhe von 150 EUR pro versicherte Person den Sonderausgabenabzug nicht mindern. Übersteigen die Bonuszahlungen diesen Betrag, liegt in Höhe des übersteigenden Betrags eine Beitragsrückerstattung vor, die den Sonderausgabenabzug verringert. Dem Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, bei Bonuszahlungen von mehr als 150 EUR den Nachweis zu erbringen, dass keine Beitragsrückerstattung vorliegt. Das heißt, er muss darlegen, dass die Bonuszahlungen nach § 65a SGB V zur Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens geleistet wurden. Diese Regelung gilt in allen offenen Fällen und für bis zum 31. Dezember 2023 geleistete Zahlungen.
STEUERRAT: Eigentlich sind die gesetzlichen Krankenversicherungen gehalten, ihrerseits zu prüfen, ob eine sonderausgabenneutrale oder -mindernde Zahlung gewährt wurde. Dies müssen sie der Finanzverwaltung auf elektronischem Wege mitteilen und die entsprechenden Daten werden dann automatisch in die jeweilige Steuerveranlagung übernommen. Die Erfahrung zeigt aber, dass die programmgesteuerten Meldungen nicht immer korrekt sind. Und die aktuelle Nichtbeanstandungsgrenze von 150 EUR dürfte in enorm vielen Fällen nicht beachtet worden sein. Prüfen Sie daher, ob in Ihrem Steuerbescheid die richtigen Werte angesetzt worden sind.
3. Bonusleistungen der privaten Krankenversicherung
Im Jahre 2002 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Bonuszahlungen einer privaten Krankenversicherung "zur Förderung kostenbewussten Verhaltens" als Beitragserstattung zu werten sind und deshalb die abzugsfähigen Sonderausgaben mindern, wenn die Boni unabhängig davon gezahlt werden, ob dem Versicherungsnehmer finanzieller Gesundheitsaufwand entstanden ist oder nicht (BFH-Urteil vom 16.12.2020, X R 31/19).
- Der Fall: Eine private Krankenversicherung gewährt für jede versicherte Person für jeden versicherten Monat einen Bonus von 30 EUR, maximal 360 EUR pro Jahr. Werden Rechnungen zur Erstattung eingereicht, wird der gesamte jährliche Bonus von 360 EUR auf den Erstattungsbetrag angerechnet. Diese Vereinbarung ist vergleichbar mit einem "Selbstbehalt". Und für einen vertraglich vereinbarten "Selbstbehalt" hat der BFH geklärt, dass die hieraus entstehenden Aufwendungen nicht als "Beiträge zu Krankenversicherungen" im Rahmen der Sonderausgaben absetzbar sind (BFH-Urteil vom 6.6.2018, X R 41/17).
- Nach Auffassung des BFH stellen die Boni in diesem Fall keine von den Versicherungsbeiträgen unabhängigen Leistungen der Krankenversicherung dar. Sie minderten vielmehr laufend die Beitragszahlungen. Die als Bonus bezeichneten monatlichen Zahlungen von 30 EUR je versicherter Person werden unabhängig davon erbracht, ob dem Versicherten erstattungsfähiger Gesundheitsaufwand entstanden ist oder nicht.
- Die Bonuszahlungen sind nicht vergleichbar mit solchen Boni, die von gesetzlichen Krankenkassen nach Maßgabe von § 65a SGB V gezahlt werden können. Während es dort darum geht, Anreize für ein gesundheitsbewusstes Verhalten der Versicherten zu schaffen, zielt die vorliegende Bonusregelung darauf ab, die Versicherten zu einem kostenbewussten bzw. sogar -vermeidenden Verhalten zu bewegen. Denn dem Versicherungsnehmer bleiben die Boni in dem Umfang wirtschaftlich erhalten, in dem seine grundsätzlich erstattungsfähigen Gesundheitsaufwendungen jährlich unter 360 EUR liegen. Die Vereinbarung schafft somit einen Anreiz, der - vergleichbar einer "klassischen" Beitragserstattung - bewirken soll, dass die Versicherung vertraglich vereinbarte Leistungen nicht erbringen muss, weil der Versicherungsnehmer entweder keinen versicherten Schaden erlitten hat oder einen hieraus resultierenden Aufwand nicht geltend macht. Der Versicherungsnehmer erhält den Bonus, weil er die Versicherung bis zu einem Beitrag von 360 EUR nicht in Anspruch nimmt, d.h. in diesem Umfang das wirtschaftliche Risiko für Gesundheitsaufwendungen selbst trägt.
4. Wann Steuerbescheide geändert werden
Die gesetzlichen Krankenkassen bieten ihren Kunden oftmals Bonusprogramme für gesundheitsbewusstes Verhalten an und zahlen dann dafür Geldprämien. Bei bestimmten Bonuszahlungen handelt es sich nicht um eine Beitragsrückerstattung. Und deshalb werden auch die als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge nicht gemindert (BFH-Urteil vom 1.6.2016, X R 17/15; BFH-Urteil vom 6.5.2020, X R 16/18). Allerdings gibt es natürlich weiterhin Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, die als "echte" Beitragsrückerstattungen zu werten sind und deshalb den Sonderausgabenabzug mindern.
Ende 2021 hatte das Bundesfinanzministerium zur Abgrenzung von Bonuszahlungen und Beitragsrückerstattungen Stellung bezogen (BMF-Schreiben vom 16.12.2021, BStBl 2022 I S. 155; vgl. oben). Danach gilt unter anderem: Werden von der gesetzlichen Krankenkasse im Rahmen eines Bonusprogramms nach § 65a SGB V Kosten für Gesundheitsmaßnahmen erstattet bzw. bonifiziert, die nicht im regulären Versicherungsumfang des Basiskrankenversicherungsschutzes enthalten sind (z.B. Osteopathie-Behandlung) bzw. der Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens dienen (z.B. Mitgliedschaft in einem Sportverein oder einem Fitnessstudio) und von den Versicherten privat finanziert werden bzw. worden sind, handelt es sich nicht um eine Beitragsrückerstattung. Die als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge sind daher nicht um den Betrag der Kostenerstattung bzw. des darauf entfallenden Bonus zu mindern. Eine pauschale Bonusleistung muss die tatsächlich entstandenen bzw. entstehenden Kosten nicht exakt abdecken.
STEUERRAT: Aus Vereinfachungsgründen darf davon ausgegangen werden, dass Bonuszahlungen, die auf der Grundlage von § 65a SGB V geleistet werden, bis zur Höhe von 150 EUR pro versicherte Person den Sonderausgabenabzug nicht mindern.
STEUERRAT: Eigentlich sind die gesetzlichen Krankenversicherungen gehalten, ihrerseits zu prüfen, ob eine sonderausgabenneutrale oder -mindernde Zahlung gewährt wurde. Dies müssen sie der Finanzverwaltung auf elektronischem Wege mitteilen und die entsprechenden Daten werden dann automatisch in die jeweilige Steuerveranlagung übernommen. Doch das ist nicht immer geschehen!
AKTUELL hat das Bundesfinanzministerium in einem umfassenden Schreiben dargelegt, wann und wie in Altfällen vor 2022 Steuerbescheide zugunsten der Steuerzahler zu ändern sind, wenn die Bonusleistungen der gesetzlichen Krankenkassen die Sonderausgaben zu Unrecht gemindert haben (BMF-Schreiben vom 7.10.2022, IV A 3 - S 0338/19/10006 :009 IV C 3 - S 2221/21/10002 :011). Danach gilt unter anderem:
Veranlagungszeitraum 2021
Soweit bereits Einkommensteuerbescheide für den Veranlagungszeitraum 2021 ergangen sind, bedarf es keines ausdrücklichen Änderungsantrags des Steuerzahlers. Vielmehr werden die gesetzlichen Krankenkassen von sich aus die bisher vorgenommenen Meldungen überprüfen und erforderlichenfalls eine elektronische Korrekturmeldung an die Finanzverwaltung übermitteln. Die betroffenen Steuerfestsetzungen werden dann durch das Finanzamt geändert. Grundlage für die Änderung ist § 175b Abs. 1 AO.
Veranlagungszeiträume vor 2021
Für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2020 wird aus Verhältnismäßigkeitsgründen auf eine Übermittlung korrigierter elektronischer Datensätze durch die gesetzlichen Krankenkassen verzichtet. Möchten Steuerzahler eine Änderung des Sonderausgabenabzugs zu ihren Gunsten erreichen, so müssen sie eine Papierbescheinigung ihrer Krankenkasse anfordern und beim Finanzamt einreichen. Sie müssen also aktiv werden! Aus der jahresbezogenen Papierbescheinigung sollte dabei mindestens Folgendes hervorgehen:
- Name und Anschrift des/der Versicherten,
- Information, ob eine Familienversicherung vorliegt und - falls ja - die Anzahl der familienversicherten Personen mit übermittelten Beitragsrückerstattungen (BRE),
- Höhe der elektronisch gemeldeten erstatteten Beiträge (BRE) im Beitragsjahr,
- Höher aller erfolgten Erstattungen im jeweiligen Beitragsjahr für die Personen, für die bereits im ursprünglichen Datensatz BRE übermittelt wurden,
- Höhe aller Erstattungen nach § 65a SGB V der/des Versicherten und ggf. auch des/der Familienversicherten, für die bereits im ursprünglichen Datensatz BRE übermittelt wurden.
Selbst wenn die Papierbescheinigung vorgelegt wird, kommt eine Änderung aber nur in Betracht, wenn die Steuerfestsetzungen in dem betreffenden Punkt noch änderbar sind. Und hier wird es leider sehr, sehr kompliziert.
- Grundsätzlich wird eine Änderung - trotz vorgelegter Papierbescheinigung der Krankenkasse - nur vorgenommen, wenn der Bescheid in dem betreffenden Punkt vorläufig ergangen ist, Einspruch eingelegt wurde oder er insgesamt noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht und keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
- Ausnahmsweise kann eine Änderung aber - trotz Bestandskraft der Steuerbescheide - nach 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. erfolgen, wenn die Bescheinigung vorgelegt wird. Das betrifft aber - aufgrund einer Gesetzesänderung - nur die Bescheide bis 2016 und nicht die Bescheide 2017 bis 2020. Zudem darf noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sein.
- Fazit: Bei der Vorlage von Papierbescheinigungen der gesetzlichen Krankenkasse kann zwar eventuell eine Änderung von alten Steuerbescheiden erreicht werden, für die Jahre 2017 bis 2020 aber nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Steuerbescheide insoweit vorläufig sind, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen oder per Einspruch angefochten wurden. Wie erwähnt: Es ist extrem kompliziert. Und es bedarf einer Eigeninitiative des Steuerpflichtigen, der zunächst die jeweilige Bescheinigung beantragen und dann einen Änderungsantrag bei seinem Finanzamt stellen muss.
STEUERRAT: Das oben Gesagte gilt nur für Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Ende 2020 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Bonuszahlungen einer privaten Krankenversicherung "zur Förderung kostenbewussten Verhaltens" als Beitragserstattung zu werten sind und deshalb die abzugsfähigen Sonderausgaben mindern (BFH-Urteil vom 16.12.2020, X R 31/19).
Muster für einen Antrag auf Änderung Sehr geehrte Damen und Herren, ausweislich der beigefügten Bescheinigung meiner gesetzlichen Krankenkasse habe ich im Jahr …. eine Bonuszahlung erhalten, die dem Finanzamt zunächst als Beitragsrückerstattung gemeldet wurde und die den Sonderausgabenabzug entsprechend gemindert hat. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Zahlung für gesundheitsbewusstes Verhalten, die den Sonderausgabenabzug nicht hätte mindern dürfen (vgl. BMF-Schreiben vom 16.12.2021, BStBl 2022 I S. 155). Ich beantrage nun eine Änderung des Einkommensteuerbescheides des Jahres ….. vom …… gemäß den Regelungen des BMF-Schreibens vom 7.10.2022 (IV A 3 - S 0338/19/10006 :009 IV C 3 - S 2221/21/10002 :011). Bis 2016: Es ist eine Änderung nach 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. vorzunehmen. 2017 bis 2020: Es ist eine Änderung nach § 164 AO (Vorbehalt der Nachprüfung) oder § 165 AO (Vorläufigkeit) vorzunehmen. |
Hinweis: Bei dem Muster handelt es sich nur um einen Vorschlag, der individuelle Besonderheiten natürlich nicht berücksichtigen kann. Im Einzelfall ist er - gegebenenfalls unter Hinzuziehung einer Steuerfachfrau oder eines Steuerfachmanns - entsprechend anzupassen. Und selbstverständlich kann der Erfolg des Antrages nicht garantiert werden. Es ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass eine Änderung für alte Jahre gegebenenfalls an einer bereits eingetretenen Festsetzungsverjährung scheitern kann.
Weitere Informationen: