Im Jahre 2019 hatte sich das Niedersächsische Finanzgericht ausführlich mit der Frage befasst, wann eine finanzielle Beteiligung des Arbeitnehmers am Haupthaushalt ausreichend ist, damit eine doppelte Haushaltsführung steuerlich anzuerkennen ist (FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2019, 9 K 209/18). Nach Auffassung des Finanzgerichts gilt beispielsweise, dass eine finanzielle Beteiligung an den Lebensführungskosten des Haupthaushaltes in direkter Form (etwa durch bare und unbare Leistungen von Geldbeträgen an die Eltern), aber auch indirekt erfolgen kann (etwa durch Anschaffung von Haushaltsgegenständen, Tragen von Reparatur- oder Renovierungskosten, Beteiligung an den Erwerbs- oder Baukosten). Im Übrigen sei eine regelmäßige Beteiligung an den laufenden Wohnungs- und Verbrauchskosten nicht erforderlich, da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien hierauf hindeuten (entgegen BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl 2014 I S. 1412, Rz. 100). Auch unregelmäßige Zahlungen oder nur Einmalzahlungen können als finanzielle Beteiligung angesehen werden. Und auch auf den Zeitpunkt der Zahlung - Anfang, Mitte oder Ende des jeweiligen Jahres - komme es insoweit nicht an. Auch am Ende des Jahres geleistete finanzielle Beträge können ausreichend sein.
AKTUELL hat der Bundesfinanzhof das Urteil des Niedersächsischen FG bestätigt und den überbordenden Anforderungen der Finanzverwaltung eine Absage erteilt (BFH-Urteil vom 12.1.2023, VI R 39/19).
- Der Fall: Der Kläger hat eine Wohnung an seinem Arbeitsort angemietet. Zudem bewohnt er in seinem Elternhaus eine nicht abgeschlossene Wohnung im Obergeschoss gemeinsam mit seinem Bruder. Ein Mietvertrag bezüglich dieser Wohnung besteht nicht. Im Rahmen seiner Steuererklärung gab der Kläger an, dass er sich in einer Gesamthöhe von 3.160,47 EUR im Jahr 2015 an den Haushaltskosten beteiligt habe. Im Einzelnen legte er dar und wies mit Hilfe von Kreditkartenauszügen nach, dass er durchgängig das ganze Jahr über Lebensmitteleinkäufe getätigt hatte. Zudem fügte er Kontoauszüge über eine Überweisung in Höhe von 1.200 EUR (Verwendungszweck: Nebenkosten/Telekommunikation) sowie über eine Überweisung über 550 EUR (Verwendungszweck: Anteil neue Fenster in 2015) an seinen Vater vor. Beide Kontoauszüge datierten vom Dezember 2015. Das Finanzamt sah hierin jedoch keinen ausreichenden Nachweis über eine finanzielle Beteiligung und lehnte den Abzug von Kosten der doppelten Haushaltsführung ab. Der Kläger habe nicht dargelegt, in welcher Höhe monatlich regelmäßig laufende Kosten der Lebensführung für die Haushaltsführung entstanden seien. Die hiergegen gerichtete Klage war indes erfolgreich; die Revision des Finanzamts wurde zurückgewiesen.
- Begründung: Das Vorliegen eines eigenen Hausstands erfordert eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung. Unter Kosten der Lebensführung sind lediglich die Kosten des Haushalts und der sonstigen Lebenshaltung des Haupthausstands zu verstehen. Hierzu zählen vornehmlich die Kosten, die für die Nutzung des Wohnraums aufgewendet werden müssen bzw. die durch dessen Nutzung entstehen (z.B. Finanzierungs- oder Mietkosten, Betriebs- und sonstige Nebenkosten, Kosten für die Anschaffung und Reparatur von Haushaltsgegenständen, Renovierungs- und Instandhaltungskosten), sowie die sonstigen Kosten der Haushaltsführung in der Wohnung (z.B. Aufwendungen für Lebensmittel, Hygiene, Zeitung, Rundfunk, Telekommunikation etc.). Nicht umfasst sind dagegen insbesondere Aufwendungen für Kleidung, Urlaub, Freizeitgestaltung, Pkw und Gesundheitsvorsorge.
- Bezüglich der Kostenbeteiligung sieht das Gesetz weder eine bestimmte betragsmäßige Grenze vor noch, dass es sich um eine laufende Beteiligung im Sinne einer mietgleichen Zahlung handeln muss. Deshalb kann sich der Steuerpflichtige dem Grunde nach auch durch Einmalzahlungen - einschließlich solcher am Jahresende - an den Kosten der Haushaltsführung finanziell beteiligen. Eine Haushaltsbeteiligung in sonstiger Form (z.B. durch die Übernahme von Arbeiten im Haushalt oder Dienstleistungen für den Haushalt) genügt insoweit jedoch nicht. Auch darf die finanzielle Beteiligung des Steuerpflichtigen an den Kosten des (Haupt-)Hausstands nicht erkennbar unzureichend sein.
- Als Vergleichsmaßstab zur Prüfung der ausreichenden finanziellen Beteiligung dienen die im Jahr tatsächlich entstandenen Haushalts- und sonstigen Lebenshaltungskosten. Diese hat der Steuerpflichtige darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen. Dies ist ihm in Bezug auf die Wohnkosten einschließlich der Betriebskosten für die Wohnung sowie für regelmäßig in festen Beträgen anfallende Haushaltskosten (z.B. Strom, Fernsehen, Telefon), aber auch für außergewöhnliche Haushaltskosten (z.B. Instandhaltungs-/Renovierungsaufwendungen oder größere Anschaffungen) möglich und zumutbar. Regelmäßig in schwankender Höhe anfallende Kosten (wie insbesondere für Lebensmittel und sonstigen Haushaltsbedarf) können dagegen grundsätzlich unter Rückgriff auf statistische Erfahrungswerte geschätzt werden. Wird eine Wohnung dem Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassen, entstehen ihm insoweit keine Kosten, an denen er sich beteiligen könnte.
- Ob die finanzielle Beteiligung dann tatsächlich ausreichend ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern bedarf einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.
STEUERRAT: Sofern das Finanzamt bei Ihnen eine doppelte Haushaltsführung mit dem Argument der fehlenden Kostenbeteiligung ablehnt, sollten Sie hiergegen Einspruch einlegen und sich auf die aktuelle Entscheidung des BFH berufen. Nach Möglichkeit sollten Sie es natürlich erst gar nicht auf einen Streit ankommen lassen, sondern am besten einen Dauerauftrag einrichten und einen angemessenen Betrag "Beteiligung an den Miet- und Hauskosten" monatlich überweisen. Im Übrigen: Auch wenn der BFH einer strengen Grenze zur Prüfung der Beteiligung an den Haushaltskosten eine Absage erteilt hat, sollten Sie die Zehn-Prozent-Grenze der Finanzverwaltung einhalten, das heißt, es sollten mehr als zehn Prozent der monatlich regelmäßig anfallenden laufenden Kosten der Haushaltsführung übernommen werden. Auch dies dient der Streitvermeidung.
STEUERRAT: Der Bundesfinanzhof und auch die Vorinstanz haben sich in ihren Entscheidungen mit einer Fülle weiterer Fragen befasst, auf die hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht weiter eingegangen werden soll. Den Experten unter unseren Lesern sei aber empfohlen, die Urteilstexte in Streitfällen zurate zu ziehen. Beispielsweise war von Bedeutung, dass der Haushalt der beiden Brüder als eigenständiger Haushalt galt. Der BFH sah keinen Mehrgenerationenhaushalt mit den Eltern, obwohl es sich nicht um eine abgeschlossene Wohnung handelte. Daher musste sich der Kläger auch nicht an den Kosten des gesamten Hauses bzw. Haushaltes, sondern nur an dem gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder beteiligen.
STEUERRAT: Bei jüngeren berufstätigen Kindern, die während der Ausbildung oder nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ein Zimmer bewohnen, ist anzunehmen, dass sie einen eigenen Hausstand nicht unterhalten, auch wenn sie sich an den Kosten beteiligen. Sie sind im Allgemeinen in den Haushalt der Eltern eingegliedert. Folge: Mangels eines zweiten Haushalts können schon begrifflich keine Kosten der doppelten Haushaltsführung vorliegen (so zum Beispiel FG Münster, Urteil vom 7.10.2020, 13 K 1756/18 E; vgl. SteuerSparbrief Dezember 2020). Das aktuelle Urteil des BFH ist also nicht auf die Fälle übertragbar, in denen jüngere Kinder am Wochenende nach Hause fahren und dort lediglich noch ihr Jugendzimmer nutzen.
Weitere Informationen:
- Doppelter Haushalt: Wann eine doppelte Haushaltsführung anerkannt wird
- Doppelter Haushalt: Was Sie alles absetzen können
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